Differenzialdiagnostische Listen, Leitsymptom

Ödeme

Definition:
Vermehrte Durchtränkung bestimmter Gewebe mit Interzellularflüssigkeit. Daneben gibt es noch Sonderformen: zelluläre Ödeme und Flüssigkeitsansammlungen in Körperhöhlen und Gelenken (Transsudate), die hier nicht behandelt werden.

Pathophysiologische Zusammenhänge (s. a. Glossar):
Ödeme entstehen, wenn ein Ungleichgewicht des Flüssigkeitsaustauschs zwischen dem intravasalen und dem interstitiellen (extravasalen) Teil des Extrazellulärraumes besteht. Die Gewebsflüssigkeit bewegt sich in Abhängigkeit von hydrostatischem Druck und  onkotischem Druck (besser onkotischer o. osmotischer Sog) durch Membranen hindurch.
Es gibt 5 verschiedene Ursachenkomplexe für Ödembildung:
1. Erhöhung des venösen intravasalen hydrostatischen Drucks und dadurch Verstärkung des Flüssigkeitsaustritts (Stauungsödem).
2. Relative Verminderung des intravasalen osmotischen Drucks (onkotischen Sogs), der vor allem durch den Albumingehalt des Plasmas bedingt wird. Dadurch ist die Rückwanderung von Wasser aus dem interstitiellen Raum in die Kapillaren geringer (verminderter onkotischer Sog). Durch die Ödembildung steigt aber wiederum der Gewebedruck im interstitiellen Raum an, so dass sich schließlich ein neues Gleichgewicht einstellt.
3. Veränderung der selektiven Undurchlässigkeit der Kapillarwände, v. a. durch Austritt von Albumin,  (entzündlich, toxisch, allergisch oder hormonell).
4. Behinderung des Lymphabflusses (mechanisches Ödem).
5. Störung der renalen Salz- und Wasserausscheidung (Erhöhung des hydrostatischen Drucks und Senkung des osmotischen Sogs).
Die Durchtränkung des Bindegewebes mit Harn (Harnödem) lässt sich nicht in diese Pathomechanismen einordnen. Wegen seiner klinischen Bedeutung und dem ähnlichen klinischen Erscheinungsbild wird es jedoch mit abgehandelt.

Klinisches Bild:
Umfangsvermehrung in der Haut / Unterhaut: nach kräftigem, einige Sekunden dauerndem Drücken der Haut mit den Fingern bleiben dellenförmige Abdrücke bestehen (teigige Konsistenz).
Bei der Untersuchung mittels Echographie ist ein typisches wabenförmiges Bild sichtbar.
Sonderformen, die hier nicht behandelt werden sollen: Darmgekröse: glasiger Aspekt, Lungenödem: Austritt von Schaum aus Maulspalt und / oder Nasenöffnungen.

Entscheidungsweg zur Ursachenfindung:

Ausdehnung und Lokalisation?:
generalisiert, ausgedehnt (am häufigsten im Trielbereich, manchmal auch Unterbauch)
Albumingehalt im Plasma?:
Zur Beurteilung wird eine Bestimmung des Albumingehalts im Plasma (oder Serum) durchgeführt. Bei sehr niedrigem Gehalt kann es durch Verminderung des onkotischen Sogs zur Ödembildung kommen.
Albumingehalt im Plasma erniedrigt (Hypoalbuminämie)
Eiweißgehalt (Albumin) im Harn?:
Achtung! Die Ergebnisse von Teststreifen sind nur unter folgenden Bedingungen aussagekräftig:
1. der Harn ist sicher nicht verunreinigt (z.B. durch Brunstsekret, Genitalkatarrh, Präputialverunreinigungen).  Bei Verdacht auf Verunreinigung bei weiblichen Tieren: Katheterharnprobe gewinnen, bei männlichen Tieren ist dies nicht möglich.
2. der zu untersuchende Harn ist sauer (alkalischer Harn kann zu falsch positiven Ergebnissen führen, ggf. mit ein paar Tropfen Essigsäure ansäuern).
Eiweißgehalt des Harnes deutlich erhöht (Proteinurie), Niere deutlich vergrößert
Leukozyten im Harn?:
kein erhöhter Leukozytengehalt
        -> Amyloidnephrose
erhöhter Leukozytengehalt, Harn stark flockig und trüb,
    blutig, mit ammoniakalischem Geruch
        -> Pyelonephritis
Eiweißgehalt des Harnes nicht erhöht
Starker Endoparasitenbefall?:
Als wichtige Endoparasiten gelten Magen- und Darmwürmer, die durch Schädigung der Schleimhaut die Verdauungsvorgänge stören.
starker Endoparasitenbefall
        -> (kachektisches Ödem) Magendarmwurmbefall
Albumingehalt im Plasma nicht erniedrigt
Venenstauproben?:
Jugularvenen beidseits gestaut
topographische Perkussionsproben von Herz u. Lunge?:
horizontale Dämpfungslinie über dem Lungenfeld -> Pleuraerguss
Eine Flüssigkeitsansammlung im Pleuraraum kann zur Kompression von großen Venen im Bereich der Herzbasis führen. Hierdurch erhöht sich der hydrostatische Druck und es kommt zu einem vermehrten Austritt von Flüssigkeit durch die Gefäßwand (oder zu einem verminderten Wiedereintritt, s.o.).
Soweit die technischen Möglichkeiten bestehen, sollte der Befund durch eine Echographie der Pleura abgesichert werden.
Zellgehalt eines Pleurapunktats?:
Die Gewinnung eines Punktats sollte nur bei hinreichend sicheren Befunden erwogen werden. Der Zellgehalt des Punktats kann unter Praxisbedingungen durch Zugabe von einem Testpräparat für den Zellgehalt der Milch abgeschätzt werden. 1 : 1 - Mischung. Geliert das Punktat, deutet dies auf eine Erhöhung des Zellgehalts hin.
Zellgehalt erhöht  -> Pleuritis
Häufigste Ursache für eine Pleuritis sind ein von der Lunge in den Pleuraspalt eingebrochener Abszess (z.B.: in Folge einer Lungenentzündung -> s. Kapitel Atemwegserkrankungen im Skript) oder ein von der Haube aus eingedrungener Fremdkörper.
Zellgehalt nicht erhöht  -> Verdacht auf Tumor
Herzperkussionsfeld vergrößert -> Herzbeutelerguss
Eine Flüssigkeitsansammlung im Herzbeutel kann zur Kompression von großen Venen im Bereich der Herzbasis führen. Hierdurch erhöht sich der hydrostatische Druck und es kommt zu einem verstärkten Austritt von Flüssigkeit durch die Gefäßwand (oder zu einem Verminderten Wiedereintritt, s. o.).
Soweit die technischen Möglichkeiten bestehen, sollte der Befund durch eine Echographie des Herzbeutels abgesichert werden.
Zellgehalt eines Herzbeutelpunktats?:
Die Gewinnung eines Punktats sollte nur bei hinreichend sicheren Befunden erwogen werden. Der Zellgehalt des Punktats kann unter Praxisbedingungen durch Zugabe von einem Testpräparat für den Zellgehalt der Milch abgeschätzt werden. 1 : 1 - Mischung. Geliert das Punktat, deutet dies auf eine Erhöhung des Zellgehalts hin.
Zellgehalt erhöht  -> Perikarditis
Zellgehalt nicht erhöht  -> Verdacht auf Tumor
Herzperkussionsfeld nicht oder gering vergrößert
     
  -> Verdacht auf kardiales Ödem (Endokarditis, Kardiomyopathie,
            Rechtsherzinsuffizienz)
vor allem kaudaler Bereich des Unterbauches
männliches Tier, kein Harnabsatz provozierbar, Erhöhung des Serumharnstoffgehalts
       ->  (Harnödem) Harnröhrenverschluss
weibliches Tier, Euter und / oder Voreuterbereich, peripartaler Zeitraum
       ->   (Euterödem) -> s. Gynäkologie
lokalisiert oder asymmetrisch
Hinweis auf lokale Entzündung (Rötung, Erwärmung)
    (z. B.: Phlegmone, Mastitis, Verbrennung, Trauma, Omphalitis)
       -> entzündliches Ödem (s. allg. Chirurgie, Gynäkologie)
vorberichtlich Hinweis auf Strangulation (z.B.: Kettenhang)
       -> mechanisches Ödem
Verschluss einer Vene oder eines Lymphgefäßes (Thrombosen)
       -> venöse oder lymphatische Zirkulationsstörung       
nach Medikamentanwendung (z.B.: subkutane Infusion, Allergie)
       -> medikamentell induziertes Ödem       
weibliches Tier, Euter und / oder Voreuterbereich, peripartaler Zeitraum
      ->   (Euterödem) -> s. Gynäkologie
weibliches Tier, Vulvabereich, peripartaler Zeitraum
      ->   (Vulvaödem) -> s. Gynäkologie




Letzte Änderung: 22.01.2006      Autor: M.Metzner


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