2.3. Spezielle Untersuchung: Kreislaufapparat




Zweck der Untersuchung:

Wertvolle Hinweise aus Vorbericht und Allgemeinuntersuchung!
Die Besprechung erfolgt nach dem Weg des Blutes, ausgehend vom linken Ventrikel.

2.3.1 Herz

Beim Rind liegt das Herz ventral zwischen 3. und 6. Rippenpaar. Die Herzspitze ist leicht nach kaudal und links gerichtet

Adspektion: ohne Bedeutung

Palpation: ergibt nur in seltenen Fällen von hochgradigen Veränderungen (Perikarditis, Endokarditis, angeborene Herzfehler) verwertbare Befunde. Aber auch dann ist praktisch stets die Auskultation ausschlaggebend

Auskultation:  es wird zuerst stets links auskultiert, danach auch rechts. Auf beiden Seiten muss der Phonendoskopkopf weit nach vorn unter die Ankonäenmuskulatur geschoben werden. Die Auskultation an dieser Lokalisation kann dadurch erleichtert werden, dass man das Rind veranlasst, das betreffende Bein nach vorn zu stellen. (Mit dem eigenen Fuß durch sanften (!) Druck gegen die Afterklauen nach vorn schieben.)

Puncta maxima von Geräuschen sind beim Rind nicht sicher diagnostisch verwertbar. Ihre Ermittlung hat auch keine praktischen Konsequenzen, weil es für das weitere Vorgehen unerheblich ist, wo zum Beispiel eine Endokarditis valvularis lokalisiert ist.
Physiologische Schallphänomene: Herztöne / pathologische Schallphänomene: Herzgeräusche

physikalische Basis:

Beurteilung des Auskultationsbefundes anhand folgender Kriterien: FIRAG Einteilung von Herzgeräuschen hinsichtlich ihres Entstehungsortes:

Innerhalb des Herzens:

Physikalische Basis: Blutwirbelbildung oder Zustandekommen eines zusätzlichen Blutstroms
Mögliche Ursachen:

Charakterisierung: Grobschematische Zuordnung:
 
  AV-Klappen Semilunarklappen
Stenose diastolisch systolisch
Insuffizienz systolisch diastolisch
(Anmerkung: nur in 75-85% ist mit einem Klappenfehler ein auskultatorisch wahrnehmbares Geräusch verbunden.)

Außerhalb des Herzens:

Physikalische Basis: Flüssigkeits-, Gas- und / oder Fibrinansammlung im Herzbeutel, welche bei der Herzaktion bewegt werden; morphologische Veränderungen des Herzbeutels => Entstehung von Reibegeräuschen

Mögliche Ursachen:

Charakterisierung: Maßnahmen zur Verdeutlichung vermuteter Herzgeräusche: Perkussion: mit Hammer und Plessimeter wird bei vorgestellter linker und dann rechter Vordergliedmaße hinter dem kaudalen Rand der Ankonäenmuskulatur von dorsal nach ventral perkutiert; danach sternförmig. Die Herzdämpfung ist bei gesunden Rindern links etwa handtellergroß (rechts etwas kleiner)

Abweichungen:

zusätzlich wird auf Schmerzhaftigkeit der Perkussion geachtet

Durch die Perkussion sind nur bei ausgeprägten Veränderungen deutliche Befunde zu erheben.

Röntgen (bei traumatischer Perikarditis wertvoll) EKG (beim Rind von untergeordneter praktischer Bedeutung), PKG (beim Rind von untergeordneter praktischer Bedeutung), Sonographie, Doppler-US

Sonographie:

Videosequenz, 21 Sek., 3,2 MB   In der Sequenz wird die Ultraschallaufnahme bei einer Kuh mit Perikarderguss gezeigt. Deutlich sind die Herzbewegungen zu sehen. Peripher des Herzens ist echogene Flüssigkeit erkennbar. Zeitweise werden fädige Strukturen (Fibrin?) sichtbar.

2.3.2 Arterien

Die Untersuchung besteht in der palpatorischen Pulsprüfung (siehe allgemeine Untersuchung).

Die größte palpierbare Arterie ist die Aorta abdominalis (von rektal)

2.3.3 Arteriolen und Venolen (Episkleralgefäße):

Betrachtung wird ermöglicht durch Kippen des Kopfes des Rindes

Videosequenz, 14, Sek., 1 MB  Die Sequenz zeigt, wie man durch Kippen des Kopfes die Betrachtung der Skleren erleichtert.

(Technischer Tip: Von rechts: rechte Hand unter das Kinn des Tieres, der Kopf des Tieres wird zum Untersucher gezogen, linke Hand am rechten Horn (oder Ohrgrund, falls kein Horn vorhanden), drückt den Kopf vom Untersucher weg
=> Kopf kippt, Bulbus rotiert nach lateral, Sklera mit Skleralgefäßen wird sichtbar.)

Normalbefund: deutlich gezeichnet

Abweichungen:

2.3.4 Kapillaren:

Sind mit dem bloßen Auge nicht sichtbar.
Kapillargebiete sind im Bereich der Maul-, Nasen-, Vestibulum- und Vaginalschleimhaut der Untersuchung zugänglich. (Untersuchung und Interpretation siehe Kapitel "Schleimhäute")
Die "kapilläre Füllungszeit" wird nach Druck mit dem Finger auf die Maulschleimhaut im Bereich der Lippeninnenseite bestimmt. Sie sollte unter 2 sec. betragen.

2.3.5 Venen:

(Folgenden Ausführungen beziehen sich auf die V. jugularis)

Adspektion: Bei gesunden Tieren ist sie im ungestauten Zustand nicht oder nur andeutungsweise zu sehen.

Abweichungen: die Vene ist (auch ohne Stau ) als Vorwölbung am Hals zu sehen (einseitig oder beidseitig)
Mögliche Ursachen:
Palpation: im physiologischen Zustand ist sie nicht oder nur andeutungsweise zu fühlen 
Abweichungen in Verbindung mit sichtbar vorgewölbter Vene:
Venenstauproben

Venenstauprobe:
Eine Jugularvene wird etwa in der Halsmitte gestaut. Es wird beurteilt, wie rasch sich die Vene herzwärts entleert und herzfern anstaut. Verzögerung oder gar Ausbleiben der zentrale
Entleerung der Vene wird als positiver Ausfall der Venenstauprobe bezeichnet. Mögliche Ursachen: Verminderung der Absaugleistung des Herzens (Trikuspidalisinsuffizienz, Perikarderguss,
Kardiomyopathie, Cor pulmonale) oder Erhöhung des Strömungswiderstand, entweder intravasal (zentrale Thrombose der Jugularvenen oder der V. cava cranialis, Stenose der
Pulmonalklappen) oder extravasal bedingt (präkardialer raumfordernder Prozess, z.B. leukotisch veränderter Lymphknoten). Füllt sich die Vene kopfwärts der Stauung nicht oder nur sehr verzögert, spricht das für eine Verminderung des effektiven zirkulierenden Blutvolumens (Kreislaufinsuffizienz). Häufigste Ursache ist eine Dehydratation.

Venenpuls:
Spürbare, teilweise auch sichtbare, herzsynchrone Pulsation in großen Venen (Jugularvenen und Eutervenen). Verschwindet der Venenpuls im herzwärtigen Teil der Jugularvene nach
Kompression (in Kopfnähe) spricht man von einem negativen Venenpuls. Er soll dadurch zustande kommen, daß eine Druckwelle in der Blutsäule zurückläuft, wenn die Trikuspidalklappe schließt und sich in Richtung Vorkammer vorwölbt. Die Vene läuft danach in wenigen Herzschlägen leer (oder kann ausgestreift werden, ohne sich erneut zu füllen), so dass auch keine Druckwelle mehr auftreten kann. Dieses Phänomen tritt besonders dann auf, wenn der Blutrückfluss aus der Peripherie erhöht ist und das Herz verstärkt schlägt, was zum Beispiel nach körperlichen Anstrengungen oder Angst der Fall ist. Es ist also nicht physiologisch in dem Sinne, dass es immer vorhanden und sein Fehlen daher als auffällig zu bewerten wäre, aber auch nicht pathologisch ('negativer Venenpuls').

Bleibt der Venenpuls im herzwärtigen Teil der Vene nach Stauung (in Kopfnähe) jedoch bestehen und kehrt nach herzwärtigem Leerstreifen der Vene sofort zurück, handelt es sich um einen sogenannten 'positiven Venenpuls'. Er entsteht dadurch, dass bei jeder Systole Blut aus der rechten Kammer durch die insuffiziente Trikuspidalklappe in die großen Venen zurückgepumpt wird, ist also ein pathologisches Phänomen. Er ist meist auch an den Eutervenen spürbar, wenn auch nicht dauernd in gleicher Stärke (abhängig von der Atmung?).

  Video, 14 Sek., 2,3 MB   Die Videosequenz zeigt die Drossselrinne einer Kuh mit Endokarditis. Die Vene ist stark gestaut, und es ist Venenpuls sichtbar. Nach dem Abstauen und Ausstreifen der Vene, läuft diese sofort vom Herz her wieder voll und es ist weiterhin Venenpuls sichtbar (Venenstauprobe positiv / positiver Venenpuls). Der Halsbereich wurde nur freigeschoren, damit die Vene im Video besser sichtbar wird.

   Video,  17 Sek.,  2,6 MB  Diese Videosequenz wurde bei einem gesunden Tier aufgenommen. Es ist ebenfalls ein Venenpuls sichtbar. Nach dem Stauen in Nähe des Brusteinganges tritt das Gefäß sofort deutlich hervor. Nach Stauen im kranialen Bereich läuft das Gefäß herzwärts leer, und es ist kein Venenpuls mehr sichtbar (Venenstauprobe negativ / negativer Venenpuls).

Die Eutervene (V. subcutanea abdominis) ist am Unterbauch laktierender Kühe als daumenstarker oder noch dickerer, leicht geschlängelter Strang deutlich zu erkennen. Aufgrund des hydrostatischen Druckes (Herz liegt höher!) ist sie schon normalerweise gut gefüllt. Auch bei Kompression läuft der herzwärts liegende Venenabschnitt nicht leer.

Herzbeutelpunktion:
Kommt nur in Betracht, wenn es sehr stichhaltige Befunde gibt, die für einen jauchigen Herzbeutelerguss sprechen (Plätschergeräusche, Ultraschallbefund). Vorbereitung:  an einer Stelle, an der die Plätschergeräusche hörbar sind und sich ein Interkostalraum befindet, wird die Haut rasiert, mit Alkohol entfettet und mit Jodlösung desinfiziert. Fixieren des Vorderbeins, um Abwehrbewegungen zu reduzieren. Punktion mit einer weitlumigen Kanüle mit eingeschliffenem Mandrin. Beim Durchdringen des Herzbeutels gibt der Widerstand der Kanüle plötzlich etwas nach, wenn ein Erguss besteht.

Video, 59 Sek., 4,2 MB   Punktion des Herzbeutels bei einer Kuh mit jauchiger Perikarditis (das Sekret ist trüb und riecht sehr übel...).

Blutuntersuchungen:

(siehe Bücher zur Labordiagnostik, # Enzymdiagnostik, # Glutartest, siehe Glossar)
 



Letzte Änderung: 31. 12. 2013


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