Zweck der Untersuchung:
2.3.1 Herz
Beim Rind liegt das Herz ventral zwischen 3. und 6. Rippenpaar. Die Herzspitze ist leicht nach kaudal und links gerichtet
Adspektion: ohne Bedeutung
Palpation: ergibt nur in seltenen Fällen von hochgradigen Veränderungen (Perikarditis, Endokarditis, angeborene Herzfehler) verwertbare Befunde. Aber auch dann ist praktisch stets die Auskultation ausschlaggebend
Auskultation: es wird zuerst stets links auskultiert, danach auch rechts. Auf beiden Seiten muss der Phonendoskopkopf weit nach vorn unter die Ankonäenmuskulatur geschoben werden. Die Auskultation an dieser Lokalisation kann dadurch erleichtert werden, dass man das Rind veranlasst, das betreffende Bein nach vorn zu stellen. (Mit dem eigenen Fuß durch sanften (!) Druck gegen die Afterklauen nach vorn schieben.)
Puncta maxima von Geräuschen sind beim Rind nicht sicher diagnostisch
verwertbar. Ihre Ermittlung hat auch keine praktischen Konsequenzen, weil
es für das weitere Vorgehen unerheblich ist, wo zum Beispiel eine
Endokarditis valvularis lokalisiert ist.
Physiologische Schallphänomene: Herztöne / pathologische
Schallphänomene: Herzgeräusche
physikalische Basis:
Tonsequenz, 16 Sek., 0,4 MB In der Tonsequenz sind die Herztöne eines gesunden Kalbes hörbar. Da keine Atemhemmung durchgeführt wurde, sind auch die Atemgeräusche hörbar.
Innerhalb des Herzens:
Physikalische Basis: Blutwirbelbildung oder Zustandekommen eines zusätzlichen
Blutstroms
Mögliche Ursachen:
Tonsequenz, 13 Sek, 0,31 MB
In der Tonsequenz sind die Herzgeräusche (Maschinengeräusch)
von einem Kälberherz mit Ventrikelseptumdefekt zu hören.
Tonsequenz, 10 Sek, 0,25 MB
In der Tonsequenz sind die Herztöne eines Kalbes zu hören. Mit
Beginn des ersten Herztones ist ein (systolisches) Rauschen hörbar,
welches vor Beginn des zweiten Herztones endet.
AV-Klappen | Semilunarklappen | |
Stenose | diastolisch | systolisch |
Insuffizienz | systolisch | diastolisch |
Außerhalb des Herzens:
Physikalische Basis: Flüssigkeits-, Gas- und / oder Fibrinansammlung im Herzbeutel, welche bei der Herzaktion bewegt werden; morphologische Veränderungen des Herzbeutels => Entstehung von Reibegeräuschen
Mögliche Ursachen:
Abweichungen:
Durch die Perkussion sind nur bei ausgeprägten Veränderungen deutliche Befunde zu erheben.
Röntgen (bei traumatischer Perikarditis wertvoll) EKG (beim Rind von untergeordneter praktischer Bedeutung), PKG (beim Rind von untergeordneter praktischer Bedeutung), Sonographie, Doppler-US
Videosequenz, 21 Sek., 3,2 MB In der Sequenz wird die Ultraschallaufnahme bei einer Kuh mit Perikarderguss gezeigt. Deutlich sind die Herzbewegungen zu sehen. Peripher des Herzens ist echogene Flüssigkeit erkennbar. Zeitweise werden fädige Strukturen (Fibrin?) sichtbar.
2.3.2 Arterien
Die Untersuchung besteht in der palpatorischen Pulsprüfung (siehe allgemeine Untersuchung).
2.3.3 Arteriolen und Venolen (Episkleralgefäße):
Betrachtung wird ermöglicht durch Kippen des Kopfes des Rindes
Videosequenz, 14, Sek., 1 MB Die Sequenz zeigt, wie man durch Kippen des Kopfes die Betrachtung der Skleren erleichtert.
(Technischer Tip: Von rechts: rechte Hand unter das Kinn des Tieres,
der Kopf des Tieres wird zum Untersucher gezogen, linke Hand am rechten
Horn (oder Ohrgrund, falls kein Horn vorhanden), drückt den Kopf vom
Untersucher weg
=> Kopf kippt, Bulbus rotiert nach lateral, Sklera mit Skleralgefäßen
wird sichtbar.)
Normalbefund: deutlich gezeichnet
Abweichungen:
Sind mit dem bloßen Auge nicht sichtbar.
Kapillargebiete sind im Bereich der Maul-, Nasen-, Vestibulum- und Vaginalschleimhaut
der Untersuchung zugänglich. (Untersuchung und Interpretation siehe
Kapitel "Schleimhäute")
Die "kapilläre Füllungszeit" wird nach Druck mit
dem Finger auf die Maulschleimhaut im Bereich der Lippeninnenseite bestimmt.
Sie sollte unter 2 sec. betragen.
2.3.5 Venen:
(Folgenden Ausführungen beziehen sich auf die V. jugularis)
Adspektion: Bei gesunden Tieren ist sie im ungestauten Zustand nicht oder nur andeutungsweise zu sehen.
Abweichungen: die Vene ist (auch ohne Stau ) als Vorwölbung am Hals zu sehen (einseitig oder beidseitig)
Mögliche Ursachen:
Abweichungen in Verbindung mit sichtbar vorgewölbter Vene:
Venenstauprobe:
Eine Jugularvene wird etwa in der Halsmitte gestaut. Es wird beurteilt,
wie rasch sich die Vene herzwärts entleert und herzfern anstaut. Verzögerung
oder gar Ausbleiben der zentrale
Entleerung der Vene wird als positiver Ausfall der Venenstauprobe bezeichnet.
Mögliche Ursachen: Verminderung der Absaugleistung des Herzens (Trikuspidalisinsuffizienz,
Perikarderguss,
Kardiomyopathie, Cor pulmonale) oder Erhöhung des Strömungswiderstand,
entweder intravasal (zentrale Thrombose der Jugularvenen oder der V. cava
cranialis, Stenose der
Pulmonalklappen) oder extravasal bedingt (präkardialer raumfordernder
Prozess, z.B. leukotisch veränderter Lymphknoten). Füllt
sich die Vene kopfwärts der Stauung nicht oder nur sehr verzögert,
spricht das für eine Verminderung des effektiven zirkulierenden Blutvolumens
(Kreislaufinsuffizienz). Häufigste Ursache ist eine Dehydratation.
Venenpuls:
Spürbare, teilweise auch sichtbare, herzsynchrone Pulsation in
großen Venen (Jugularvenen und Eutervenen). Verschwindet der Venenpuls
im herzwärtigen Teil der Jugularvene nach
Kompression (in Kopfnähe) spricht man von einem negativen Venenpuls.
Er soll dadurch zustande kommen, daß eine Druckwelle in der Blutsäule
zurückläuft, wenn die Trikuspidalklappe schließt und sich
in Richtung Vorkammer vorwölbt. Die Vene läuft danach in wenigen
Herzschlägen leer (oder kann ausgestreift werden, ohne sich erneut
zu füllen), so dass auch keine Druckwelle mehr auftreten kann.
Dieses Phänomen tritt besonders dann auf, wenn der Blutrückfluss
aus der Peripherie erhöht ist und das Herz verstärkt schlägt,
was zum Beispiel nach körperlichen Anstrengungen oder Angst der Fall
ist. Es ist also nicht physiologisch in dem Sinne, dass es immer vorhanden
und sein Fehlen daher als auffällig zu bewerten wäre, aber auch
nicht pathologisch ('negativer Venenpuls').
Bleibt der Venenpuls im herzwärtigen Teil der Vene nach Stauung (in Kopfnähe) jedoch bestehen und kehrt nach herzwärtigem Leerstreifen der Vene sofort zurück, handelt es sich um einen sogenannten 'positiven Venenpuls'. Er entsteht dadurch, dass bei jeder Systole Blut aus der rechten Kammer durch die insuffiziente Trikuspidalklappe in die großen Venen zurückgepumpt wird, ist also ein pathologisches Phänomen. Er ist meist auch an den Eutervenen spürbar, wenn auch nicht dauernd in gleicher Stärke (abhängig von der Atmung?).
Video, 14 Sek., 2,3 MB Die Videosequenz zeigt die Drossselrinne einer Kuh mit Endokarditis. Die Vene ist stark gestaut, und es ist Venenpuls sichtbar. Nach dem Abstauen und Ausstreifen der Vene, läuft diese sofort vom Herz her wieder voll und es ist weiterhin Venenpuls sichtbar (Venenstauprobe positiv / positiver Venenpuls). Der Halsbereich wurde nur freigeschoren, damit die Vene im Video besser sichtbar wird.
Video, 17 Sek., 2,6 MB Diese Videosequenz wurde bei einem gesunden Tier aufgenommen. Es ist ebenfalls ein Venenpuls sichtbar. Nach dem Stauen in Nähe des Brusteinganges tritt das Gefäß sofort deutlich hervor. Nach Stauen im kranialen Bereich läuft das Gefäß herzwärts leer, und es ist kein Venenpuls mehr sichtbar (Venenstauprobe negativ / negativer Venenpuls).
Die Eutervene (V. subcutanea abdominis) ist am Unterbauch laktierender Kühe als daumenstarker oder noch dickerer, leicht geschlängelter Strang deutlich zu erkennen. Aufgrund des hydrostatischen Druckes (Herz liegt höher!) ist sie schon normalerweise gut gefüllt. Auch bei Kompression läuft der herzwärts liegende Venenabschnitt nicht leer.
Herzbeutelpunktion:
Kommt nur in Betracht, wenn es sehr stichhaltige Befunde gibt, die
für einen jauchigen Herzbeutelerguss sprechen (Plätschergeräusche, Ultraschallbefund). Vorbereitung: an
einer Stelle, an der die Plätschergeräusche hörbar sind
und sich ein Interkostalraum befindet, wird die Haut rasiert, mit Alkohol
entfettet und mit Jodlösung desinfiziert. Fixieren des Vorderbeins,
um Abwehrbewegungen zu reduzieren. Punktion mit einer weitlumigen Kanüle
mit eingeschliffenem Mandrin. Beim Durchdringen des Herzbeutels gibt der
Widerstand der Kanüle plötzlich etwas nach, wenn ein Erguss
besteht.
Video, 59 Sek., 4,2 MB Punktion des Herzbeutels bei einer Kuh mit jauchiger Perikarditis (das Sekret ist trüb und riecht sehr übel...).
Blutuntersuchungen:
(siehe Bücher zur Labordiagnostik, #
Enzymdiagnostik, # Glutartest,
siehe Glossar)