Endokarditis
 
W. Klee  
 
 
Das Wichtigste in Kürze

Komplikation dauerhafter oder rezidivierender Bakteriämie (ausgehend von einer chronischen Infektion an einer anderen Stelle des Körpers), hauptsächlich bei älteren Rindern. Klinische Erscheinungen sind Abfall der Milchleistung, rezidivierendes Fieber, Abmagerung, Steifheit und Lahmheit, rasche Ermüdung, Blässe der Schleimhäute, anhaltende Tachykardie und pochender Herzschlag. Herzgeräusche sind nicht immer feststellbar. Die Diagnose erfolgt anhand der klinischen Symptomatik, des Auskultationsbefundes, ggf. des Sonografiebefundes und des Ergebnisses des Glutartests. Therapie (hoch dosierte antibakterielle Behandlung über mehrere Wochen) kann versucht werden, zumal Schlachtverbot besteht, wenn das Tier erkennbar erkrankt ist.


 

Prüfungsstoff
 
 
Ätiologie und Pathogenese Differentialdiagnosen
Epidemiologie Therapie
Klinische Erscheinungen Prognose
Diagnostik Prophylaxe

 

Ätiologie und Pathogenese:
Periodische oder dauerhafte Bakteriämie als Folge einer chronischen eitrigen Infektion an einem anderen Ort (bei Kühen z.B. Endometritis, Pododermatitis). Wie es zum Befall der Herzklappen kommt, ist nicht eindeutig geklärt. Möglichkeiten: Adhäsion von Bakterien am Endothel, Eindringen durch Endothelläsionen oder hämatogene Absiedelung über die Herzgefäße. Wichtigste Erreger: α-haemolysierende Streptokokken, Trueperella pyogenes (auch Coxiella burneti, Bartonella bovis und Erysipelothrix insidiosa sind als mögliche Erreger beschrieben) beim Rind und Erysipelothrix insidiosa, Streptococcus spp., E. coli, T. pyogenes beim Schaf. Es kommt zu mehr oder weniger umfangreichen, meist blumenkohlähnlichen Wucherungen im Bereich der Herzklappen. Bei Rindern ist die Trikuspidalis am häufigsten betroffen. Von den Wucherungen können septische Emboli mit dem Blut verstreut werden, bei Befall der Trikuspidalis zunächst in Verzweigungen der A. pulmonalis, von der Lunge über das linke Herz in verschiedene Organe (z.B. Nieren). Funktionell steht die Insuffizienz der betroffenen Klappe im Vordergrund.
 

Epidemiologie:
Endokarditis kommt vor allem bei älteren Rindern vor und ist die häufigste Herzkrankheit be erwachsenen Rindern..
 

Klinische Erscheinungen:
Periodischer Abfall der Milchleistung, rezidivierendes Fieber, Abmagerung, Steifheit und Lahmheit, rasche Ermüdung, Blässe der Schleimhäute, anhaltende Tachykardie und pochender Herzschlag. Geräusche können nicht immer festgestellt werden. Wenn sie vorhanden sind, handelt es sich meist um systolisches Rauschen ("Buch-dup"). (Umgekehrt sind aber systolische Herzgeräusche bei vielen Kühen ohne Herzerkrankung feststellbar, vor allem bei Auskultation weit kranial.)

  Ton, 14 Sek., 424 kB  Die Aufnahme stammt von einem Kalb mit deutlich hörbarem systolischen Herzgeräusch (vermutlich funktionell).

In sehr ausgeprägten Fällen ist im Bereich des Herzens an der Körperoberfläche eine Vibration zu spüren. Positiver Venenpuls (siehe Propädeutik-Skript) und Ödeme sind nicht immer vorhanden.


Sektionsbefund am Herz einer Kuh mit Endocarditis valvularis thromboticans.
Auf den Herzklappen sind blumenkohlartige Auflagerungen sichtbar.

Labor: nicht-regenerative Anämie, Leukozytose, sehr ausgeprägte Hyperglobulinämie (Glutartest)
 

Diagnostik:
Bei Kühen mit rezidivierendem Fieber, Anämie und zunehmender Steifheit sollte unbedingt auch an Endokarditis gedacht werden. Sorgfältige Auskultation des Herzens, vor allem nach Bewegung. Mit Sonographie können die Veränderungen an den Klappen dargestellt werden.
Der Nachweis von Streptokokken oder T. pyogenes in Blutproben, die unter "sterilen Kautelen" im Abstand von etwa ½ h (bei Patienten mit Fieber) oder 6 h (bei Patienten ohne Fieber) entnommen wurden, hat mehr akademische als praktische Bedeutung, denn die in Frage kommenden Keime sind in der Regel (zumindest in vitro) gegenüber Penicillin empfindlich.
Endokarditis kann weitgehend ausgeschlossen (!) werden, wenn der Glutartest (s. Skritum über Labordiagnostik) negativ ausfällt.
 

Differentialdiagnosen:
Kardiomyopathie, Perikarditis, angeborener Herzfehler, starke Anämie
 

Therapie:
Angesichts der Tatsachen, dass Schlachtverbot besteht, wenn das Tier erkennbar erkrankt ist, der Schlachtkörper bei der Fleischuntersuchung bei Hinweisen auf septikämisches Geschehen als untauglich zu bewerten ist und die Therapie (Penicillin hoch dosiert über mindestens drei Wochen) nicht sehr teuer ist, kann die Indikation für einen Behandlungsversuch großzügig gestellt werden. Wenn versucht werden soll, vor Beginn der Behandlung die Erreger zu isolieren und einer Sensibilitätsuntersuchung zu unterziehen, sollten bei einem Fieberschub Blutproben an zwei Stellen unter sterilen Kautelen entnommen werden. Da aber die wichtigsten Erreger (s.o.) in aller Regel gegenüber Penicillin empfindlich sind, kann diese Maßnahme aus Kostengründen auch unterlassen werden.
 

Prognose:
Sehr vorsichtig. . Allerdings gibt ein Autor (REBHUN) eine Heilungsquote von 9/31 (= 29 %; 95 % Vertrauensintervall 14 - 48 %) an. Naturgemäß sind die Heilungsaussichten schlechter, wenn schon deutliche Zeichen von Rechtsherzinsuffizienz (Inappetenz, ventrale Ödeme, Venenstau, positiver Venenpuls) bestehen.

Prophylaxe:
Keine spezifische Prophylaxe möglich. Rechtzeitige und sachgemäße Behandlung der Leiden, in deren Gefolge die Krankheit auftritt.
 

PubMed
 
  



Letzte Änderung: 16.11.2018


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