Das Wichtigste in Kürze
Die häufigste Indikation für eine Ruminotomie ist die
Entfernung eines Fremdkörpers aus Haube, Schleudermagen oder Pansen. Nach
einer Laparotomie in der linken Hungergrube erfolgt zunächst eine
Exploration der Bauchhöhle. Danach wird entweder vor der Eröffnung des
Pansens die Pansenwand mit Bauchfell und Faszie vernäht und
anschließend, zum Schutz der Bauchwandwunde die Verwendung einer
Fremdkörpermanschette verwendet (OP nach GÖTZE), oder es wird ein Gatter
eingesetzt, mit
dessen Hilfe die Pansenwand nach dem Eröffnen des Pansens durch die
Laparotomiewunde nach außen gezogen wird (OP nach WEINGART).
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Die häufigste Indikation für die Durchführung einer Ruminotomie ist die Entfernung eines verschluckten Fremdkörpers (Nagel, Drahtstück, abgebrochener Eingeber). Außerdem kann eine Ruminotomie zur Spaltung eines an Hauben-, Schleudermagen- oder Pansenwand sitzenden Abszesses indiziert sein.
Für die Diagnostik: siehe Propädeutikskript und Rinderskript Retikoloperitonitis.
Zur Erhärtung der Verdachtsdiagnose kann die Echographie herangezogen werden. Perikarditis als Komplikation mit schlechter Prognose sollte nach Möglichkeit ausgeschlossen werden.
Zum Starten der zugehörigen Ultraschallvideosequenz, bitte auf folgenden link
klicken:
Videosequenz, 30 Sek., 14 MB, MP4
Es handelt sich um ein 2,5 Jahre altes Rind. Die Haube liegt dem Zwerchfell nicht direkt an; es besteht ein 1 - 2 cm breiter Spalt mit wenig echogenem Inhalt, in dem zeitweise flottierende fädige hyperechogene Strukturen (Fibrin) erkennbar sind.
Es erfolgt eine biphasische Haubenkontraktion; dabei ist die Amplitude jedoch auf nur ca. 5 cm reduziert. Bei gesunden Tieren beträgt die Amplitude der ersten Kontraktion ca. 5 - 10 cm, bei der zweiten Kontraktion verschwindet die Haube normalerweise aus dem mittels Echographie beurteilbaren Bereich.
Echographie: M. Metzner
Mittels Röntgenuntersuchung kann der Verdacht erhärtet werden. Allerdings ist dies unter Praxisbedingungen kaum durchführbar, weil hierfür eine leistungsstarke Anlage (120 kV/80 mAs) und die Verwendung eines Streustrahlenrasters notwendig sind.
In der Haubenwand befindet sich ein perforierender Nagel (die Spitze
reicht über die Haubenwand hinaus).
Ventral in der Haube ist eine Sandansammlung erkennbar. Im
zweiten Bild (selbes Tier) ist der Nagel zwischen zwei
Käfigmagneten gebunden worden und steckt (mit großer Wahrscheinlichkeit) nicht
mehr in der Haubenwand, weil sich die Lokalisation bedeutend verändert hat.
Röntgenaufnahme: M. Metzner
Am stehenden adulten Tier wird häufig auf eine Sedation verzichtet, damit das
Risiko, dass das Tier sich während der OP niederlegt, geringer ist.
Vor Beginn des Eingriffs wird ein Analgetikum verabreicht (z.B.: Metamizol, 40 mg/kg) und eine
Lokalanästhesie in der Flanke durchgeführt.
Übliche Vorbereitung des Operationsfeldes in der linken Flanke.
Spezielles chirurgisches Instrumentarium: Pansenfasszangen mit Haken (nach BLENDINGER) und, je nach verwendeter Methode, GÖTZE: Fremdkörpermanschette aus sterilisierbarem Gummi(falls der Eingriff von einer einzelnen Person durchgeführt wird, auch ein Wundhaken mit Hauthaken nach BLENDINGER), WEINGART: ein Operationsbesteck mit Gatter nach WEINGART.
Erstes Foto: Pansenfasszange mit Haken
Zweites Bild: Fremdkörpermanschette aus Gummi.
Besteck nach WEINGART
Fotos: M. Metzner
Zunächst wird eine Laparotomie in der linken
Flanke durchgeführt. Die Schnittlinie wird ca. 5 cm unterhalb der Enden der
Querfortsätze und ca. 4 cm kaudal des Rippenbogens und parallel zu ihm auf etwa
30 cm Länge angelegt.
Nach dem Eröffnen der Bauchhöhle wird zunächst eine sorgsame Exploration der
gesamten zugänglichen Bauchhöhle durchgeführt. Dabei ist insbesondere auf
Verklebungen oder Verwachsungen zu achten, die einen Hinweis auf den Sitz eines
steckenden Fremdkörpers geben können. Verklebungen zwischen Pansen und Bauchwand
sollen jedoch nicht gelöst werden, damit sich evtl. vorhandenes infiziertes
Exsudat nicht weiter in der Bauchhöhle verteilen kann.
Für eine anschließende Ruminotomie stehen zwei unterschiedliche Methoden zur
Verfügung: Festnähen der Pansenwand an Peritoneum und Faszie im Wundrand und Verwendung
einer Fremdkörpermanschette oder Verwendung des Gatters nach WEINGART.
Der Pansen wird mittels je einer Pansenfasszange aus der Bauchhöhle
hervorgezogen und die Fasszangen werden jeweils im dorsalen und ventralen Bereich mit
ihrem Haken in der Haut fixiert. Nun erfolgt eine fortlaufende zirkuläre Naht
(z.B. mit Supramid, metric 6), mit der Faszie und Bauchfell mit Serosa und
Muskularis des Pansens vereinigt werden. Hierfür eignet sich am besten eine runde ganz
gebogene (180°) Nadel (Größe 5 oder 7). Die Hefte dürfen die Pansenwand nicht
perforieren. Sinnvollerweise wird nicht im dorsalen
oder ventralen Wundwinkel begonnen, weil hier das Risiko von schwer herausnähbaren Falten am höchsten ist, sondern bei etwa '4 Uhr'.
Bei mastigen Tieren ist es besonders schwierig, eine 'faltenfreie' Naht
herzustellen. Die Fasszangen
müssen im Verlauf der Naht versetzt werden. (Wenn die Operation als Ein-Mann.Methode
durchgeführt werden soll, wie von GÖTZE beschrieben, ist auch ein Wundhaken
notwendig). Bei der Zirkulärnaht ist darauf zu achten, dass sie nicht in einer
Spirale nach innen verläuft, weil der Platz für die Eröffnung des Pansens zu
klein werden kann und damit der Erfolg der ganzen Operation in Frage gestellt
wird. Man sollte also versuchen, bei jedem Stich etwas 'Land' zu gewinnen.
Ist die Naht zirkulär komplett abgeschlossen, wird der Wundrand mit einer mit
einem Antiseptikum getränkten Gazerolle (oder Watte)austamponiert (verringert das
Risiko einer Kontamination des Wundrandes mit Pansensaft). Nun wird der Pansen
im dorsalen Bereich eröffnet. Dabei kommt es mitunter zu stärkeren Blutungen.
Kleinere Gefäße können mit einer Klemme 'abgedreht' werden, größere beim
Verschluss der Pansenwunde 'unterstochen' und so verödet werden. Ist die Pansenwand ausreichend weit (in Abhängigkeit vom
Durchmesser der Gummimanschette) eröffnet, wird der Ring der Gummimanschette in das
Pansenlumen eingebracht und dort so eröffnet, dass die Manschette glatt an der
Panseninnenwand anliegt. Ist der Flüssigkeitsstand im Pansen sehr hoch, kann
über einen weitlumigen Schlauch (ca. 4 - 5 cm Innendurchmesser)
Flüssigkeit aus dem Pansensee abgehebert werden. Dann kann fester Panseninhalt soweit
zur nachfolgenden Exploration notwendig durch die
Öffnung der Gummimanschette entfernt werden. Lumen und Wand der Haube und des Schleudermagens
werden auf Fremdkörper
oder Abszessvorwölbungen untersucht werden. Da Fremdkörper auch tief in der Wand
stecken können, so dass sie leicht "übersehen" werden, ist insbesondere auch auf Unbeweglichkeit der
Wand der Vormägen
gegenüber Bauchwand oder Zwerchfell (Sitz von Verklebungen) zu achten.
Nach erfolgreicher Fremdkörperentfernung wird die Gummimanschette entfernt und der Pansen mittels zweier einstülpender Nähte nach CUSHING (z.B.: mit geflochtenem Polyglykolsäurefaden, metric 6) verschlossen. Nach dem Entfernen der Gazerollen aus dem Wundrand erfolgt ein Wundverschluss wie bei der Laparotomie beschrieben, jedoch ohne Naht des Peritoneums (dieses ist mit der Pansenwand vernäht). Die Zirkulärnaht verbleibt, auch wenn es sich beim Faden um nicht-resorbierbares Material handelt.
Das Gatter nach WEINGART wird außen aufgelegt und mittels einer Schraubklemme im oberen Wundwinkel an der Haut fixiert. Dann wird der Pansen mit zwei Pansenfasszangen aus der Bauchhöhle hervorgezogen und die Fasszangen jeweils dorsal und ventral in das Gatter eingehakt. Anschließend erfolgt die Eröffnung des Pansens, beginnend im dorsalen Bereich. Dabei werden die Wundränder der Pansenwand mit den speziell zum WEINGART Besteck zugehörigen Haken am Gatter befestigt, so dass die Pansenwand trichterförmig nach außen hervorgezogen wird. Der Wundrand wird mit einer mit einem Antiseptikum getränkten Gazerolle austamponiert (verringert das Risiko einer Kontamination des Wundrandes mit Pansensaft). Danach können die Vormägen wie bei der zuvor beschriebenen Methode untersucht werden.
Der Verschluss des Pansens erfolgt mittels zweier einstülpender
Nähte nach CUSHING (z.B.: mit geflochtenem Polyglykolsäurefaden, metric 6).
Nach dem Entfernen der Gazerollen aus dem Wundrand erfolgt ein Wundverschluss
wie bei der
Laparotomie beschrieben.
Lage des Hautschnitts im Bereich der linken Hungergrube.
Exploration der Bauchhöhle vor dem Eröffnen des Pansens.
Zwei Pansenfasszangen ziehen die Pansenwand nach außen. Sie sind in der Haut mit je einem Haken fixiert.
Die Pansenwand wird mittels fortlaufender Naht an Peritoneum und Faszie im Wundrandbereich genäht.
Die Zirkulärnaht ist fast abgeschlossen.
Statt die Pansenfasszangen mittels Haken in der Haut zu fixieren, ist es angenehmer, wenn die Pansenfasszangen von einer zweiten Person gehalten werden, die damit den Pansen immer in die entgegengesetzte Richtung von der Stelle ziehen, an der gerade genäht wird. Ideal ist, wenn die Pansenwand als faltenfreie Fläche weg von der Nahtstelle liegt. Bestehen tiefe Falten, sollte versucht werden, sie durch Naht zu verschließen, weil sonst die Gefahr eines mehr oder weniger ausgeprägten subkutanen Emphysems besteht, wenn die in das Abdomen eingedrungene Luft entweicht (wenn sich das Tier nach der OP niederlegt).
Nach Abschluss der Zirkulärnaht wird der Wundrand mit Gaze austamponiert. Sie ist mit einem Antiseptikum (z.B.: Povidon-Jod-Lösung) getränkt.
Der Pansen wird im dorsalen Wundbereich eröffnet.
Mehrere Arterienklemmen ziehen die Pansenwand nach außen. Das erleichtert das nachfolgende Einsetzen des Ringes der Fremdkörpermanschette.
Einsetzen der Fremdkörpermanschette.
Wenn der ringförmige Teil der Fremdkörpermanschette sich vollständig im Pansenlumen befindet, wird die Manschette mit der Hand durch die Öffnung hindurch sorgsam entfaltet, so dass sie innen glatt an der Pansenwand anliegt.
Vollständig eingesetzte Fremdkörpermanschette. Sie wird auf der gegenüberliegenden Seite des Tieres durch eingehängte Gewichte gehalten.
Der Arm wird durch einen langen Plastikhandschuh, wie er für das transrektale Untersuchen verwendet wird, geschützt. Zum Fixieren des Plastikhandschuhs wird ein elastischer Handschuh darüber gezogen.
Durch die Manschettenöffnung können nun feste Futterbestandteile aus dem Pansen entfernt werden. Hierdurch sinkt auch der Flüssigkeitsspiegel im Pansen ab, wodurch das Risiko für eine Kontamination der Wundränder mit Pansensaft reduziert wird.
Nun erfolgt die sorgsame Untersuchung der Vormagenwände. Im Haubenbereich muss jede Netzwabe einzeln ausgetastet werden (bei größeren Tieren muss der Arm der untersuchenden Person lang genug sein!). Häufig kennzeichnet sich der Ort eines steckenden Fremdkörpers dadurch, dass die Vormagenwand hier zum Untergrund nicht verschieblich ist.
Außerdem muss der Tonus der Muskulatur um die Hauben-Psalter-Öffnung geprüft werden. Kontrahiert sich die Öffnung nicht, sondern bleibt über einige Zeit weit, so dass sie mit einer Hand passierbar ist, besteht Verdacht auf Vorliegen eines HOFLUND-Syndroms.
Extraktion eines Fremdkörpers (hier das abgebrochene Teil eines Boluseingebers (ungewöhnlicher Befund!)).
Herausziehen der Fremdkörpermanschette, indem der Ring der Gummimanschette innen im Pansen im dorsalen Bereich gefasst und hervorgezogen wird.
Verschluss der Pansenwand mittels zweier einstülpender Nähte nach LEMBERT.
Fertige Pansennaht.
Entfernen der Gazerollen aus dem Wundrand.
Anschließend erfolgt der Verschluss der Bauchwand wie im Kapitel Laparotomie beschrieben, jedoch ohne Vernähen des Peritoneums.
Fertig verschlossene Hautwunde.
Abdecken der Wunde mit einem Sprühverband.
Fotos: M. Metzner
Positionierung des Gatters nach WEINGART.
Für eine Infiltration der zukünftigen Schnittlinie mit einem Lokalanästhetikum wählt man das Zentrum des Sitzes des Gatters, durchsticht die Haut und kann von hieraus die Schnittlinie infiltrieren. Alternativen sind proximale und distale Paravertebralanästhesie.
Der Zeigefinger markiert den kaudalen Rand der letzten Rippe.
Die Länge der Schnittlinie muss der Größe des Gatters angepasst werden.
Nach dem Eröffnen der Bauchhöhle wird diese zunächst exploriert..
Einsetzen des Gatters nach WEINGART: Mittels eines Schraubmechanismus wird es am dorsal gelegenen Wundwinkel fixiert.
Zum Extraperitonealisieren des Pansens wird die Pansenwand mit zwei Zangen gefasst. Diese werden dann im dorsalen und im ventralen Bereich des Gatters eingehakt.
Die Eröffnung des Pansens beginnt im dorsalen Bereich.
Mittels Häkchen, die von innen in die Pansenwand eingehakt und dann am Rahmen fixiert werden, werden die Ränder der Wunde nach außen gezogen.
Nach dem vollständigen Eröffnen des Pansens sind die Wundränder trichterförmig nach außen gestülpt..
Mit einem Desinfektionsmittel getränkte Gazetücher sollen den Wundrand vor Kontamination mit Panseninhalt schützen.
Anschließend kann der Inhalt des Pansens partiell ausgeräumt werden. Dann wird nach dem Fremdkörper gesucht.
Der Wundverschluss beginnt im ventralen Wundwinkel.
Die ersten Haken werden entfernt.
Der Verschluss des Pansens erfolgt mittels zweier Nähte nach CUSHING.
Vollständig verschlossener und in die Bauchhöhle versenkter Pansen.
Fotos: M. Metzner
Die Prognose ist bei rechtzeitig erkannter und behandelter Erkrankung gut, wenn keine Komplikationen (Abszesse, Hinweis auf HOFLUND-Syndrom) vorliegen.
Verabreichung eines Antiinfektivums für mindestens 5 Tage, Fortführung der Antiphlogese nach Bedarf.
Bei komplikationsloser Wundheilung können die Hautfäden 10 - 12 Tage nach dem Eingriff entfernt werden.
Wundinfektion, Nahtdehiszenz, generalisierte Peritonitis.