Laparotomie
M. Metzner

Das Wichtigste in Kürze
Die Laparotomie bezeichnet das Eröffnen der Bauchhöhle zur Durchführung eines chirurgischen Eingriffs an inneren Organen oder zu diagnostischen Zwecken. Bei adulten Rindern wird sie in der Regel am stehenden Tier unter Lokalanästhesie, bei Kälbern am liegenden Tier unter Allgemeinanästhesie durchgeführt. Sie kann sowohl von der linken als auch der rechten Flanke aus durchgeführt werden, wird aber in den meisten Fällen von rechts erfolgen, damit erreicht man einen besseren Zugang zu den anzusprechenden Bauchhöhlenorganen. Es gibt auch Methoden zur Operation in der Medianen.

1.OP-Vorbereitung

Sorgsame Schur des Operationsfeldes, Waschen mit Seife, Wasser und weicher Bürste (keine Wurzelbürste), Desinfektion (fakultativ: Verwendung einer sterilen Abdeckfolie).

2. Anästhesie

Am stehenden adulten Tier wird häufig auf eine Sedation verzichtet, damit das Risiko, dass das Tier sich während der OP niederlegt, geringer ist.
Vor Beginn des Eingriffs wird  ein Analgetikum verabreicht (z.B.: Metamizol, 40 mg/kg) und eine Lokalanästhesie in der Flanke durchgeführt. Wenn das Tier abgelegt werden muss, wird zusätzlich Xylazin (0,2 mg/kg i.m.) verabreicht. Inhalationsanästhesien beim adulten Rind werden in der kurativen Nutztierpraxis nur in sehr gut ausgestatteten Kliniken durchgeführt.

Bei Kälbern eignen sich die Injektions- und die Inhalationsanästhesie oder eine hohe Epiduralanästhesie. Dabei bietet die Inhalationsanästhesie den Vorteil, dass die Nozizeption auch bei Manipulationen an den inneren Organen besser reduziert wird. Auch bei Kälbern unter Allgemeinanästhesie wird vor Operationsbeginn ein Schmerzmittel verabreicht.

Nachfolgend wird das Vorgehen bei Laparotomien von der rechten Flanke aus an einer stehenden Kuh dargelegt. Nabeloperationen, Operationen am Labmagen, Operationen am Pansen und andere Eingriffe werden gesondert abgehandelt. Das Vorgehen bei abgelegten Tieren ist aber prinzipiell das gleiche.

3. OP-Durchführung

3.1 Schnittführung

Die Schnittführung bei der Eröffnung der Bauchhöhle in der rechten oder in der linken Flanke erfolgt im Bereich der Hungergrube. Dabei kann die Schnittführung entweder in der Mitte der Hungergrube senkrecht oder ca. handbreit hinter und parallel zum Rippenbogen oder parallel zum Faserverlauf des Musculus obliquus abdominis internus ausgeführt werden. Die Wahl richtet sich nach dem Zweck des Eingriffs (Erreichbarkeit innerer Organe).
Wird die senkrechte Schnittlinienführung zum Eröffnen von Haut und Unterhaut gewählt, so können nach dem Durchtrennen des Musculus obliquus abdominis externus die beiden Muskeln  Musculus obliquus abdominis internus und Musculus transversus abdominis auch stumpf im Faserverlauf geteilt werden (dabei sollen sich die Eröffnungslinien im Zentrum kreuzen).

Daneben gibt es auch eine Methode mit Schnittführung in der Medianen (z.B.: bei linksseitiger Labmagenverlagerung), die hier jedoch nicht besprochen wird, da sie nur in Ausnahmefällen Anwendung findet.

3.2 Eröffnung der Bauchhöhle

Die nachfolgende Bilderserie zeigt das Vorgehen bei der Eröffnung der Bauchhöhle an einer stehenden Kuh.

Laparotomie

 

Beim Ansetzen der Skalpellklinge muss darauf geachtet werden, dass bei etwaigen Abwehrbewegungen des Tieres die Klinge nicht zu tief eindringen kann. In der Abbildung wird dies durch den auf den Klingenrücken aufgedrückten Daumen und den an der Bauchwand abgestützten Zeigefinger erreicht.

Wenn man im dorsalen Bereich beginnt, kann die Skalpellklinge zunächst eingestochen werden, bis man ein leichtes Nachgeben spürt, anschließend wird die Klinge nach ventral gezogen und mit einem Schnitt die gesamte Haut durchtrennt. Diese Technik sollte nicht bei Tieren mit vollem Abdomen gewählt werden, weil es dabei schwer abzuschätzen ist, wie dick die darunter liegenden Muskelschichten sind. In diesen Fällen sollte eine flachere Klingelhaltung gewählt und die Haut vorsichtig inzidiert werden.

 

Laparotomie

 

In der Abbildung wurde eine senkrechte Schnittführung in der Mitte der rechten Hungergrube gewählt.

 

Laparotomie

 

Nun wird, beginnend im dorsalen Wundwinkel, der Musculus obliquus abdominis externus  eröffnet.

 

Laparotomie

 

Einzelne stärker blutende Gefäße können mit einer Klemme gefasst und abgedreht werden.

 

Laparotomie

 

Der Musculus obliquus abdominis  externus wird mit einer Schere (oder mit dem Skalpell) im Verlauf der Schnittlinie der Haut durchtrennt.

 

Laparotomie

 

Unterhalb des Musculus obliquus abdominis externus wird der Musculus obliquus abdominis internus sichtbar. Er ist durch seinen schrägen Faserverlauf von dorso-kaudal nach ventro-kranial gut differenzierbar. 

 

Laparotomie

 

Den Musculus obliquus abdominis internus kann man entweder ebenfalls im Verlauf der Hautschnittlinie durchtrennen oder seine Faszie mit dem Scherenschenkel im Faserverlauf anritzen (s. Abb.) und dann im nächsten Schritt im Faserverlauf auseinanderschneiden oder stumpf trennen. Wird im Faserverlauf eröffnet, dann sollen sich Hautschnittlinie und Muskeleröffnungslinie im Zentrum kreuzen. 

 

Laparotomie

 

Wird der Muskel stumpf getrennt, ist darauf zu achten, dass die beiden Finger von der Mitte der Wunde im Faserverlauf auseinandergezogen werden.

 

Laparotomie

 

Der Musculus transversus abdominis kann ebenfalls stumpf im Faserverlauf eröffnet werden.
Dieses Vorgehen hat gegenüber einer scharfen Durchtrennung mittels Skalpell (insbesondere bei Tieren mit einem vollen Abdomen) den Vorteil, dass das Peritoneum und daran anliegende Bauchhöhlenorgane nicht verletzt werden können.

 

Laparotomie

 

Das Peritoneum wird mit einer Klemme angezogen.

 

Laparotomie

 

Zwischen Zeigefinger und Klemme (im Bild durch die Hand verdeckt) wird auf 'Doppelwandigkeit' geprüft. Auf diese Weise werden innen anliegende Organe zurückgedrängt, und man kann durch einen kleinen Schnitt in die Falte Luft in das Abdomen eintreten lassen (durch ein zischendes Geräusch hörbar). Fehlt der Unterdruck im Abdomen (bei einem stehenden Rind) ist das ein Hinweis auf das Vorliegen einer Bauchfellentzündung. Auch bei sehr vollem Abdomen (z.B.: Darmscheibendrehungen) strömt kaum Luft ein.

 

Laparotomie

 

Anschließend wird das Peritoneum unter Fingerschutz mit einer Schere im Verlauf des Hautschnitts eröffnet.

 

 

Nun kann die Exploration der Bauchhöhle beginnen. Hierbei sollte ein systematisches Vorgehen gewählt werden (z.B.: Leber, Gallenblase, Haube, Labmagen, Duodenum, rechte Niere, Uterus mit Ovarien, Pansen, linke Niere, Gekrösewurzel, Darmkonvolut). Dabei soll auch das Volumen, die Qualität und der Geruch der Bauchhöhlenflüssigkeit beurteilt und nach Verklebungen und Verwachsungen gesucht werden.

In der nachfolgenden Tabelle werden wichtige physiologische Organbefunde zusammengefasst, die bei jeder Laparotomie überprüft werden sollten:

Organ physiologische Befunde
Leber kaudaler Rand scharfkantig
Konsistenz fest
Gallenblase entleert sich auf Druck
Haube lässt sich vom Untergrund abheben
keine fibrinösen Verklebungen
Labmagen liegt physiologisch kranio-ventral rechts vom Nabel
nicht dilatiert (durch Gas oder Flüssigkeit
Pylorus hat etwas festere Konsistenz als die Labmagenwand, Durchmesser ca. 5 x 6 cm
Duodenum nicht dilatiert, keine Gekrösestränge
rechte Niere der Körpermasse entsprechende Größe, Renkuli gut abgesetzt
(wegen des die Niere umgebenden Fettgewebes oft nur schlecht beurteilbar)
Geschlechtsapparat Größe und Inhalt des Uterus (in Abhängigkeit vom Reproduktionsstatus)
Ovarien (Funktionskörper vom Zyklus / der Trächtigkeit)
Pansen nimmt die gesamte linke Hälfte des Abdomens ein, ragt etwas nach rechts herüber,
typische Schichtung: gasförmig dorsal, fester Inhalt in der Mitte, flüssiger Inhalt ventral
zwischen linker Bauchwand und Pansen kein Labmagen auffindbar
Gekrösewurzel keine Torsionsfalten
linke Niere der Körpermasse entsprechende Größe, Renkuli gut abgesetzt
(wegen des die Niere umgebenden Fettgewebes oft nur schlecht beurteilbar)
Darmkonvolut Därme sind leer, kein Zug am Gekröse, keine Torsionsfalten erkennbar

3.3 Verschluss der Wunde

Laparotomie

 

Zunächst fasst man mit einer Klemme im ventralen Wundwinkel das Peritoneum und die Fascia transversa.
Während der Naht ist es hilfreich, wenn eine assistierende Person durch bilden einer hohlen Hand die innen anliegenden Organe zurückdrängt.

 

Laparotomie

 

Dann wird im ventralen Wundwinkel eine Matratzennaht begonnen und bis zum dorsalen Wundwinkel fortgeführt. Durch diese ausstülpende Nahttechnik kommt Serosa auf Serosa zu liegen. Anschließend wird von dorsal nach ventral eine fortlaufende Kürschnernaht über den Kamm ausgeführt.

Statt einer Matratzennaht kann auch nur eine Kürschnernaht genäht werden. Genau so ist es dem Sicherheitsbedürfnis der durchführenden Person (unter Berücksichtigung der Reißfestigkeit des verwendeten Nahtmaterials) überlassen, zwischen Matratzen- und Kürschnernaht im dorsalen Wundwinkel einen Knoten zu machen (mehr Fremdmaterial in der Wunde, dafür höhere Sicherheit falls ein Faden reißt) oder direkt weiterzunähen.

Als Nahtmaterial kann sowohl resorbierbares (z.B.: geflochtener Polyglykolsäurefaden, metric 6 oder 8 (oft sehr scharf, weil es geflochten ist)) oder nicht resorbierbares Nahtmaterial (z.B: Supramid, metric 6 oder 8, sog. Schlauchfaden, weniger scharf)) verwendet werden. 

 

Laparotomie

 

Die Abbildung zeigt das Anlegen einer Matratzennaht mit einem geflochtenen Polyglykolsäure-Faden (metric 8)

 

Laparotomie

 

Die Abbildung zeigt das Anlegen einer Kürschnernaht (weiter außen, über den Kamm der zuvor ausgeführten Matratzennaht). Beim Nähen ist darauf zu achten, dass der Faden der Matratzennaht nicht durchstochen wird.

Insbesondere bei einem vollen Abdomen kann es sinnvoll sein, in die Matratzen- und Kürschnernaht auch den Musculus transversus abdominis mit einzubeziehen. Hierdurch wird das Risiko für eine Lochbildung in der dünnen Schicht aus Peritoneum und Fascie reduziert und dadurch Unterhautemphyseme (durch ausströmende Luft aus dem Abdomen) besser vermieden.

 

Laparotomie

 

Musculus obliquus abdominis internus und externus können entweder separat (M. internus von ventral nach dorsal und M. externus von dorsal nach ventral) oder in einer fortlaufenden Kürschnernaht verschlossen werden.

Die Abbildung zeigt die separate Naht des Musculus obliquus abdominis internus mit einem geflochtenen Polyglykolsäurefaden (metric 8).

 

Laparotomie

 

 

 

Die Abbildung zeigt den separaten Verschluss des Musculus obliquus abdominis externus mit einem geflochtenen Polyglykolsäurefaden (metric 8).

Laparotomie

 

Die Subkutis wird mit einer Subkutannaht (Stichrichtung parallel zur Schnittlinie) verschlossen (z.B.: geflochtener Polyglykolsäurefaden, metric 6).

 

Laparotomie

 

Die Abbildung zeigt den abgeschlossenen Verschluss der Subkutis.
Die Hautränder der Schnittlinie sind gut adaptiert.

Im nächsten Schritt kann die Haut entweder durch Anlegen einer Naht nach REVERDIN oder mittels U-Heften verschlossen werden.

Weiter Nahtmethoden zum Verschluss der Haut sind die Naht nach DONATHI (doppelte Durchstechung der Haut mit seitlich liegendem Knoten) oder eine Intrakutannaht.

 

Laparotomie

 

Anlegen einer Naht nach REVERDIN.

 

Laparotomie

 

Abgeschlossene Naht nach REVERDIN.

 

Laparotomie

 

Zur Wundabdeckung kann ein Sprühverband aufgetragen werden.

 

Fotos: M. Metzner

4. Nachsorge

Verabreichung eines Antiinfektivums für mindestens 5 Tage.

Bei komplikationsloser Wundheilung können die Fäden 10 Tage nach dem Eingriff entfernt werden.

5. Komplikationen

Wundinfektion, Nahtdehiszenz, Peritonitis

Die Heilungsaussichten sind abhängig vom Grund aus dem die Laparotomie durchgeführt wurde. Bei einer Probelaparotomie ist die Prognose für die Wundheilung sehr gut.