Das Wichtigste in Kürze
Die Marsupialisation (marsupium - lat. der
Beutel) der Nabelvene ist notwendig, wenn der
entzündete Bereich der Nabelvene bis in die Leber hineinzieht, so dass die
Nabelvene nicht im nicht-infizierten Bereich abgesetzt werden kann. Die
Methode kann auch genutzt werden, um einen Leberabszess, der mit der
Nabelvene in Verbindung steht, nach außen zu drainieren. Bei der Marsupialisation wird die Nabelvene in den
Verschluss der
Nabeloperationswunde durch zirkuläre Nähte in drei Schichten einbezogen. Nach dem Kürzen des hervorgezogenen
Venenstumpfes wird in das Lumen der Vene ein Schlauch zur Drainage des
Exsudates eingelegt.
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Nach dem Abreißen des Nabels erfolgt die bakterielle Infektion der Nabelvene aufsteigend über das noch offene
Lumen der Vene. Wenn sich die Infektion bis in die Leber hinein fortsetzt ist
eine Exstirpation der Nabelvene durch Absetzen im nicht-infizierten Bereich
nicht möglich (eine lebernahe Ligatur würde zwar den Übertritt von Exsudat in
die Bauchhöhle verhindern, ein Abheilen des intrahepatischen Abschnitts ist aber
selten erreichbar). Da ein Drainieren der Nabelvene vom äußeren Nabel aus in der
Regel nicht möglich ist (es gelingt nicht, die Öffnung der Nabelvene aufzufinden
oder sie ist zu klein), wird im Verlauf des Eingriffs die Nabelvene vorgezogen,
in die OP-Wunde eingenäht und gekürzt, damit ein besserer Abfluss des
Wundsekrets über einen eingelegten Drainageschlauch gewährleistet werden kann.
In einigen Fällen kann es zur Bildung von Abszessen in der Leber kommen. Wenn
diese eine Verbindung zur Nabelvene besitzen, dann können sie ebenfalls über die
marsupialisierte Nabevene drainiert werden. Bei isolierten multiplen
Leberabszessen oder wenn durch hämatogene Streuung der Erreger bereits andere
Organe betroffen sind, (Gelenke, Lunge) sollte von einem operativen Eingriff
abgesehen werden.
Die Diagnostik kann durch tiefe abdominale Palpation erfolgen. Dabei ist ein großer (oft 2 - 3 cm dicker), derber Strang zwischen äußerem Nabel und Leber tastbar. Zur Absicherung der Diagnose und zum Erkennen intrahepatischer Abszessbildung (was prognostisch ungünstig ist) kann die Echographie hinzugezogen werden.
Echographie der Leber eines Kalbes:
Die Nabelvene zieht schlauchartig in das Leberparenchym
hinein
Ein ca. 5 - 6 cm großer Abszess befindet sich direkt angrenzend zur Nabelvene
im Leberparenchym.
Videosequenz, 29 Sek., 13 MB, MP4
Echographie: M. Metzner
Verabreichung eines Antiinfektivums (Erreger sind in der Regel Gram-positiv: Trueperella pyogenes, Streptokokken, Staphylokokken, seltener Gram-negativ: Fusobacterium necrophorum), Antiphlogese, Nahrungskarenz für 12 Stunden, Kalb in Rückenlage fixieren, aseptische Vorbereitung des Operationsgebietes.
Der Eingriff dauert ca. 1 Stunde. Als Anästhesie können Totale Intravenöse Anästhesie (TIVA), mit rhombenförmiger Umspritzung des Nabels mit einem 2%igem Lokalanästhetikum, hohe Epiduralanästhesie oder Inhalationsanästhesie genutzt werden.
Falls eine Fistelöffnung vorhanden ist, muss diese zunächst durch eine Tabaksbeutelnaht verschlossen werden. Anschließend erfasst eine Hilfsperson die Haut des äußeren Nabels mit einer Hakenzange und zieht diese nach oben (dadurch wird auch wieder ein intraabdominales Vakuum aufgebaut). Die Haut im Nabelbereich spindelförmig umschneiden. Die Subkutis zum Rand hin von der Bauchfaszie abpräparieren. Seitlich vom Nabel die Fascie inzidieren. Das Peritoneum durchtrennen oder mit einer Moskitoklemme durchstoßen. Die Öffnung vorsichtig erweitern bis der intraabdominale Nabelbereich mit einem Finger exploriert werden kann (auf mögliche Verwachsungen mit Netz und/oder Organen achten!). Mit dem Finger die Nabelvene kranial von der Bauchwand ablösen und dann spindelförmig den gesamten Nabel umschneiden. Häufig gibt es Verwachsungen zwischen Netz und/oder Bauchhöhlenorganen die abpräpariert werden müssen. Leber auf das Vorhandensein von Abszessen abtasten.
Wundverschluss: Nabelvene möglichst weit hervorziehen (1. Bild), Matratzen- und Kürschnernaht von Fascie mit Peritoneum (mit geflochtenem Polyglycolsäurefaden (resorbierbar, metric 6) oder Supramid (nicht resorbierbar, metric 6) bis dicht an die kranial der Wunde herausragende Nabelvene heran (2. Bild). Vorziehen der Nabelvene soweit möglich und eine fortlaufende zirkuläre Naht zwischen Nabelvenenwand und Fascie (monofiler Faden (die Venenwand ist oft sehr zart und reißt leicht ein), z.B.: Monosyn, 3/0 mit runder Nadel) (3. Bild). Verschluss der Subkutis mit einer fortlaufenden Subkutanaht. Zirkuläre fortlaufende Naht zwischen Subkutis und Nabelvenenwand. Verschluss der Haut als Kammnaht mit U-Heften (z.B.: Seide, metric 6 oder 8). Zirkuläre fortlaufende Naht zwischen Haut und Nabelvenenwand.
Anschließend wird das Kalb in Seitenlage verbracht und die Nabelvene auf ca. 2 - 3 cm gekürzt 4. und 5. Bild). Über das Venenlumen kann nun ein Schlauch (z.B. von einem Infusionsbesteck) vorsichtig in Richtung Leber vorgeschoben werden. CAVE: bei zu weitem Vorschieben kann es passieren, dass Blut aus dem Schlauch austritt, weil das Schlauchende bis in die V. portae vorgeschoben wurde (dann Schlauch etwas zurückziehen und für ein paar Minuten abklemmen). Falls spontan kein Sekret austritt kann mit einer desinfizierenden Lösung vorsichtig gespült werden (6. Bild). Am Ende wird der Schlauch eingelegt belassen und mit zwei Heften am Stumpfende fixiert (7. Bild).
Wunde 2 Wochen nach Durchführung des Eingriffs (8. Bild): Fäden der Hautnaht und Drainage sind bereits gezogen, noch etwas eitriges Sekret im Bereich der Fistelöffnung. Die Nabelvene ist noch auf ca. 10 cm sondierbar.
Fotos: M. Metzner
Die Heilungsaussichten sind mäßig. Häufig kommt es zu Nahtdehiszenzen, weil der Nahtkamm ständig mit Eiter kontaminiert wird.
Verabreichung eines Antiinfektivums für mindestens 5, besser 10 Tage fortsetzen, Fortführung der Antiphlogese nach Bedarf.
Der Schlauch sollte mindestens für 5 - 10 Tage belassen werden. Falls er in dieser Zeit trocken wird, spricht dies dafür, dass das Lumen verlegt ist. Der Schlauch muss dann gewechselt werden.
Die Fäden der Kammnaht können 10 Tage nach dem Eingriff entfernt werden, die Fäden mit denen der Stumpf eingenäht wurde sollten belassen werden.
Die komplette Ausheilung dauert mehrere Wochen.
Wundinfektionen, Nahtdehiszenzen, Bildung (weiterer) intrahepatischer Abszesse, Peritonitis
Die Heilungsaussichten sind insgesamt nicht schlecht (geschätzt 70%iger Erfolg).