Babesiose
Weidehämoglobinurie, Weiderot; engl: Babesiosis,
Piroplasmosis, "Redwater"
W. Klee
Das Wichtigste in Kürze Bei Rind kommen 6 verschiedene Spezies vor, in Mitteleuropa ist nur Babesia divergens von klinischer Bedeutung; Übertragung durch Zecken (B. divergens durch Ixodes ricinus). Babesien infizieren Erythrozyten und führen z.T. zu intravasaler Hämolyse. Einzelne Spezies produzieren Toxine, welche zu Vasodilatation, erhöhter Gefäßpermeabilität und Erythrozytenaggregation führen. Nach Überstehen einer akuten Erkrankung können Rinder jahrelang Träger bleiben (Stadium der Präimmunität, weitgehender Schutz gegen weitere Erkrankung). Die Inkubationszeit beträgt 7-10 Tage. Erfolgt die Erstinfektion im Alter bis etwa 9 Monaten, verläuft die Erkrankung oft subklinisch bis sehr mild (Erythrozyten junger Rinder besitzen eine angeborene Resistenz; ein Faktor im Plasma, welcher das Wachstum der Babesien hemmt, wurde beschrieben). Die Erstinfektion älterer Rinder kann schwerwiegende Krankheitserscheinungen zur Folge haben (u.a. Fieber, Schwäche, Hämoglobinurie, Anämie, Tachkardie, Ikterus, Durchfall; akutes Nierenversagen möglich). Die Diagnose erfolgt anhand der klinischen Symptomatik, in Hinblick auf die Jahreszeit (Mai, Juni, September), der Erregernachweis im GIEMSA-gefärbten Blutausstrich. Latente Infektionen können serologisch nachgewiesen werden. Derzeit gibt es keine zur Bekämpfung der Babesiose des Rindes zugelassenen Präparate. Prophylaktisch können zur Verhinderung des Zeckenbefalls Pyrethroide appliziert werden. |
Prüfungsstoff
Ätiologie | Differentialdiagnosen |
Epidemiologie | Prognose |
Pathogenese | Therapie |
Klinische Erscheinungen | Prophylaxe |
Diagnose | "Humanmedizin" |
Ätiologie:
Der Erreger ist ein einzelliger Parasit der Ordnung Piroplasmida, Familie
Babesiidae, Gattung Babesia.
Beim Rind kommen mehrere Arten vor (B. bovis, B. bigemina, B. divergens,
B. major, B. ovata, B. jakimovi).
Epidemiologie:
Babesien werden von Zecken übertragen. Übertragung durch Instrumente
(Injektionskanülen) ist ebenfalls möglich, epidemiologisch aber bedeutungslos. Babesieninfektionen kommen bei vielen Säugetierarten vor, und
die Erreger sind
meist gut an die jeweilige Wirtspezies angepasst (d.h., verursachen meist
keine schwerwiegende Erkrankung). Von klinischer Bedeutung beim Rind ist in
Mitteleuropa nur B. divergens (Überträger: Ixodes ricinus, der
Holzbock). Die Infektion ist in Endemiegebieten häufig.
In den Tropen haben Babesieninfektion erhebliche Bedeutung.
Infektionen beim Menschen (auch mit lebensbedrohlichem Verlauf) sind beschrieben.
Pathogenese:
Babesien infizieren Erythrozyten und führen zu intravasaler Hämolyse
(B. bigemina, B. divergens, B. bovis), deren Mechanismus noch nicht
geklärt ist. Daneben produzieren Babesien (B. bovis) Toxine,
welche zu Vasodilatation, vermehrter Gefäßdurchlässigkeit
und Erythrozytenaggregation führen ("Kallikreinschock"). Nach Überstehen
des akuten Anfalls kann ein Rind jahrelang Träger bleiben, ist in
diesem Stadium der Prämunität aber gegenüber einer weiteren
Erkrankung weitgehend geschützt.
Klinische Erscheinungen:
Die Inkubationszeit wird mit 7 bis 10 Tagen angegeben. Erfolgt die
Erstinfektion im Alter bis etwa 9 Monaten, verläuft sie oft subklinisch
oder sehr mild (Fieber über mehrere Tage), weil die Erythrozyten junger
Rinder eine angeborene Resistenz gegenüber schweren Babesieninfektionen
haben. Es wird auch ein Faktor im Plasma junger Rinder erwähnt, welcher
das Wachstum der Parasiten hemmt. Werden ältere (z. B. zugekaufte
Rinder erstmals infiziert, können schwerwiegende Krankheitserscheinungen
auftreten: Fieber, Schwäche, Hämoglobinurie ("Weide- oder Mairot"),
Anämie, Tachykardie mit zum Teil extrem pochendem Herzschlag, Atemfrequenz
soll dagegen auffallend niedrig sein, Ikterus, kühle Körperoberfläche,
Durchfall. Vor dem Tod sinkt die Körpertemperatur auf subnormale Werte
ab. In den USA wird auch ein zentralnervöses Bild beschrieben (Übererregbarkeit,
Krämpfe, Opisthotonus), das auf Hypoxie des Gehirns zurückgeführt
wird. Bei Rindern, welche den akuten Anfall überleben, kann es zu
akutem Nierenversagen kommen.
Diagnose:
Klinische Symptomatik, Jahreszeit (Mai, Juni, September), Erregernachweis
im GIEMSA-gefärbten Blutausstrich (erster Tropfen von Kapillarblut),
regenerative Anämie; Verfahren auf der Basis von PCR sind verfügbar;
latente Infektionen können serologisch nachgewiesen werden.
Differentialdiagnosen:
Hämolysen anderer Ursache (z. B. Tränkehämoglobinurie);
zur Differenzierung von Rot(schwarz)verfärbungen des Harns siehe Glossar.
Prognose:
Sinkt der Hämatokrit unter 12 Vol.-%, wird die Prognose schlecht.
Therapie:
Wirksam sind Diminazen (BERENIL) und Imidocarb (IMIZOL) (auch zur Chemoprophylaxe
geeignet), sowie Phenamedin (OXOPIRVEDINE). Derzeit ist keiner der genannten
Wirkstoffe zur Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren zugelassen.
Bei schwer anämischen Rindern ist eine Blutübertragung (s.
Glossar)
indiziert. Der Umgang mit den labilen Tieren muss besonders behutsam sein.
Prophylaxe:
Chemoprophylaxe ist möglich, kann aber die Prämunitätsbildung
beeinträchtigen. Applikation von Pyrethroiden im Abstand von
2 - 3 Wochen soll Zeckenbefall (und damit Babesiose) weitgehend verhindern
können.
Lebendvakzinen wurden eingesetzt, haben aber den Nachteil, dass sie
nicht lange haltbar sind, und dass auch andere Erreger (Viren) übertragen
werden können.
Gentechnische Vakzinen sind in Arbeit. Angesichts von Antigenvariation
beim Erreger wird ihre Wirkungsdauer jedoch skeptisch beurteilt.
"Humanmedizin":
Babesiose gibt es auch bei Menschen, vor allem bei splenektomierten
Personen.
Erreger: B. divergens, B. microti (USA).
Bei jüngeren Menschen sind subklinische Verlaufsformen der Infektionen
häufig, bleiben also unentdeckt, was bei Bluttransfusionen an Personen
mit beeinträchtigtem Immunsystem Probleme bereiten kann.
Klinische Symptome: Unregelmäßig wechselndes Fieber,
Krankheitsgefühl, Schüttelfrost, Kopfweh, Müdigkeit, Schweißausbruch,
Myalgie, hämolytische Anämie, mitunter Schwindel und Erbrechen.
Infektionen mit B. divergens sollen oft tödlich verlaufen.
Therapie: Clindamycin und Chinin.