Das Wichtigste in Kürze
Auftreten von Tetanie bei niedrigem Mg-Blutspiegel. Häufig nach für das Tier aufregenden Ereignissen (Adrenalin senkt den Mg-Spiegel). Durch niedrigen Mg-Spiegel vermehrte Acetylcholin-Freisetzung an den motorischen Endplatten, es resultieren verstärkte Muskelkontraktionen. Niedriger Mg-Spiegel aufgrund von mangelhafter Zufuhr von außen, besonders bei Verfütterung von jungem, Mg-armen, aber Kalium- und eiweißreichen Gras mit niedrigem Energiegehalt. Hemmung der Mg-Resorption durch Kalium und dem im Pansen beim Eiweißabbau anfallenden Ammoniak. Mg-Verluste über die Milch. Regulative Funktion des tetanischen Anfalls (Infusion von Mg aus dem Intrazellulär- in den Extrazellulärraum). Kommt als Weide-, Stall- und Transporttetanie vor. Klinisch zeigen sich vor einem Anfall Muskelzuckungen und Hypermetrie. Die Tiere kommen zu Fall, zeigen tonisch-klonische Krämpfe mit Opisthotonus und Bulbusrotation. Plötzliche Todesfälle durch Atemlähmung sind möglich. Diagnose: klinisch, post mortem anhand der Mg-Konzentration im Liquor cerebrospinalis oder in der Glaskörperflüssigkeit. Die Abklärung einer Mg-Unterversorgung in einer Herde kann über die Bestimmung der Mg-Konzentration im Harn oder besser über die Eliminationsfraktion von Mg beurteilt werden. Therapie: Infusion und subkutane Injektion von Mg-Verbindungen. Prophylaxe: orale Verabreichung von Mg. Langfristig ist die Erhöhung des Mg-Gehaltes im Grünfutter durch entsprechende Düngung anzustreben. |
Bei der im Hauptkapitel erwähnten kurzfristigen Prophylaxe durch Zumischung von MgCl2 ins Tränkewasser für Mutterkühe sollte die Konzentration 3 - 4 g/Liter betragen. (Diese Angabe geht von einem Bedarf von 13 g plus 0,6 g/L Milch und einer täglichen Wasseraufnahme von 20 L aus.)
Zum Ausgleich der Beeinträchtigung der Magnesiumresorption durch
Kalium sollte die Mg-Zufuhr pro 10g K pro kg TS um 4 g pro Tag erhöht werden.
Prüfungsstoff
Ätiologie und Pathogenese | Diagnostik |
Epidemiologie | Therapie |
Klinische Erscheinungen | Prophylaxe |
Ätiologie und Pathogenese:
Es muss zwischen der Entstehung von Hypomagnesämie und der
Auslösung der tetanischen Anfälle unterschieden werden.
Magnesium ist ein essentielles Element und an vielen Enzymen beteiligt. Es ist das wichtigste zweiwertige Kation im Intrazellulärraum. Im Extrazellulärraum befindet sich nur etwa 1 % des gesamten Mg-Pools des Körpers, und bei Milchleistungen über 30 Liter pro Tag muss der ganze extrazelluläre Mg-Pool umgesetzt werden. Da es für den Magnesiumblutspiegel keinen sehr effektiven Homöostasemechanismus mit der Möglichkeit kurzfristiger endogener Mobilisierung aus Depots (Knochen) gibt, muss der Bedarf an Magnesium im wesentlichen durch laufende Zufuhr gedeckt werden. Der Blutspiegel wird lediglich nach oben durch eine Art Überlaufregelung in der Niere begrenzt, indem die Rückresorption in den Tubuli durch die Versorgungslage reguliert wird. Bei laktierenden Kühen spielt der Verlust über die Milch die bedeutendste Rolle.
Magnesium wird bei Wiederkäuern hauptsächlich im Pansen resorbiert. Dieser Prozess ist in erheblichem Umfang durch Faktoren beeinflussbar und insgesamt nicht sehr effizient. Von Bedeutung ist primär der Gehalt der Pflanzen an Mg. Starke Stickstoffdüngung vermindert die Mg-Aufnahme durch die wachsenden Pflanzen. Junges, rasch wachsendes Gras (wie vor allem im Frühjahr, aber auch im Frühherbst) ist besonders arm an Mg. Außerdem ist derartiges Gras reich an Kalium und Eiweiß, dagegen ärmer an Natrium. Da in jungem Gras der Gehalt an leicht verwertbaren Kohlenhydraten (Energie) eher niedrig ist, kann ein erheblicher Teil des aus Eiweißabbau im Pansen entstehenden Ammoniaks nicht wieder in die Synthese von Mikrobeneiweiß eingebaut werden, weshalb im Pansen vermehrt Ammoniak anfällt. Ammoniak und K (oder ein weites K:Na-Verhältnis) hemmen die Mg-Resorption. Allerdings scheint die Beeinflussung durch Ammoniak nach einigen Tagen wieder nachzulassen. Sandanteil im Boden und Mg-Gehalt sind negativ korreliert.
In der beschriebenen Situation sinkt der Mg-Blutspiegel bei den Tieren einer Herde im Verlauf von mehreren Tagen oder Wochen deutlich ab. Das Auftreten klinisch manifester Tetanie ist aber auch bei sehr niedrigen Spiegeln nicht sicher vorhersagbar. Häufig gehen einem Anfall irgendwelche für das Tier aufregende Ereignisse voraus. Möglicherweise spielt dabei eine Rolle, dass Adrenalin den Mg-Spiegel nochmals deutlich senkt. Niedrige Mg2+-Konzentration oder niedriger Mg2+/Ca2+-Quotient in der Extrazellulärflüssigkeit führt zu vermehrter ACh-Freisetzung an den motorischen Endplatten und damit zu verstärkten Muskelkontraktionen. Auch der Kalzium-Blutspiegel scheint hinsichtlich der Auslösung von Anfällen eine Rolle zu spielen (Erhöhung der Wahrscheinlichkeit bei Erniedrigung des Ca-Spiegels).
Interessanterweise ist doe Mg-Konzentration im Blut bei betroffenen Rindern nach
einem Anfall meist normal, was die Diagnose erschweren kann. Eine mögliche
Interpretation dieses Phänomens ist, dass der tetanische Anfall
eine regulative Funktion hat und wie eine Infusion von Mg aus dem Intrazellulärraum
(Muskulatur) in den Extrazellulärraum wirkt.
Epidemiologie:
Die Krankheit kommt in Norddeutschland wesentlich häufiger vor
als in Süddeutschland.
Meist tritt sie auf der Weide unter den beschriebenen Umständen
auf. Es gibt aber auch die so genannte Stalltetanie und die Transporttetanie. Auch
bei ausschließlich mit Milch ernährten älteren Kälbern
kommt hypomagnesämische Tetanie vor.
Klinische Erscheinungen:
Am spektakulärsten ist die Weidetetanie. Hierbei können Kühe
unversehens tot umfallen oder nach kurzem Krampfanfall verenden. Daher
sollte bei unvermittelt tot auf der Weide aufgefundenen Kühen auch
an Tetanie gedacht werden.
Vor einem Anfall können die Tiere vermehrte Unruhe mit "nervösem"
Augenzwinkern und anderen Muskelzuckungen sowie Hypermetrie zeigen. Sie
kommen dann bald zu Fall und haben tonisch-klonische Krämpfe mit Opisthotonus
und Bulbusrotation. Während eines solchen Anfalls kann der Tod durch
Atemlähmung eintreten. Sonst können sich die Tiere auch wieder
erholen, aufstehen und danach klinisch unauffällig sein.
Diagnostik:
Wenn unter den typischen Bedingungen ein Anfall gesehen wird, ist die
Diagnose relativ einfach. Wenn Rinder tot auf der Weide aufgefunden werden,
kann bis etwa 24 h post mortem der Mg-Gehalt im Liquor cerebrospinalis
und bis etwa 48 h p.m. derjenige in der Glaskörperflüssigkeit
(Humor vitreus) Hinweise geben. Werte unter 0,55 mmol/L sollen beweisend
sein
Mg-Unterversorgung in einer Herde kann relativ einfach anhand der Mg-Konzentration im Harn beurteilt werden. Als zuverlässiger
wird die FEMg beschrieben, die bei Mg-Mangel von normalerweise um
10 % auf unter 5 % absinkt (zur Berechnung siehe
FENa
im Glossar).
Im Blut sind Werte unter 0,6 mmol/L als Hinweis für Mangel, solche zwischen 0,8
und 0,6 mmol/L als Hinweis für Mängel in der Versorgung zu werten.
Therapie:
Infusion und subkutane Injektion von Mg-Verbindungen (Mg-Sulfat oder
-Glukonat). Dosierung: 200 - 400 ml Mg-Glukonat 15 % bei einer erwachsenen Kuh.
Prophylaxe:
Das langfristige Ziel muss es sein, den Mg-Gehalt im Grünfutter
durch entsprechende Düngung zu erhöhen. Das kann jedoch einige
Jahre dauern.
Kurzfristige Maßnahmen sind:
Verabreichung von Mg-Boli, die in den Vormägen täglich eine bestimmte Masse
Mg freisetzen; Verabreichung von MgCl2 über die Tränke (Tränkefass
auf der Weide 4 g/Liter. Bei einem Bedarf von 13
g plus 0,6 g/L Milch und einer angenommenen täglichen Milchleistung von 30 L wäre der Bedarf an Mg mit einer täglichen Wasseraufnahme von 30 L gedeckt, was die tatsächliche Aufnahme vermutlich erheblich unterschätzt.); Angebot von Kraftfutter mit erhöhtem Mg-Anteil; Anbieten von Melasse mit Mg-Chlorid. Hierfür gibt es kommerzielle
Präparate.
Besprühen der Weide mit Mg-Oxid.