Lipohypermobilisationssyndrom
Fat cow syndrome, Fettlebersyndrom
 
W. Klee  
 
 
Das Wichtigste in Kürze

Störung im Bereich des Energiestoffwechsels. Überschießende Lipomobilisation geht mit Verfettung und zunehmender Insuffizienz der Leber einher. Häufiger betroffen sind ante partum verfettete Tiere. Klinisch zeigt sich neben der anfangs sichbaren Verfettung des Tieres Inappetenz und Ketonurie. Rascher Verlust an Körpersubstanz, zunehmende Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens bis zum Festliegen folgen. Diagnose: Nachweis der Ketonurie, erhöhte Konzentration der freien Fettsäuren im Plasma. Differentialdiagnosen: schwere Mastitis, Hypokalzämie, perforierendes Labmagengeschwür. Therapieversuch: Glukose-Dauertropfinfusion mit Insulin, Zwangsfütterung per Sonde. Vorbeugend Tiere in "mittlerer" Körperkondition trockenstellen, Verfettung vermeiden.


 

Prüfungsstoff
 
 
Definition Diagnostik
Epidemiologie Differentialdiagnosen
Pathogenese Therapie
Klinische Symptomatik Prophylaxe

 

Definition:
Sich selbst unterhaltende und verstärkende Störung im Bereich des Energiestoffwechsels mit dem Resultat einer zunehmenden Verfettung und Funktionsstörung der Leber.
 

Epidemiologie:
Tritt besonders bei Kühen auf, die ante partum verfettet sind.
 Die ursprüngliche Veröffentlichung zu diesem Thema war eine Interpretation einer Serie von Ereignissen in einer Milchviehherde in Michigan. Das Konzept wurde rasch praktisch weltweit übernommen und fand Eingang in die Fütterungsberatung. Es wurde heftig propagiert, Kühe in der Trockenperiode ja nicht zu üppig zu füttern. Danach stellte sich heraus, daß Verfettung ante partum lange nicht alle Fälle von peripartaler Leberverfettung erklärt, und das Pendel schwang in die andere Richtung.

Pathogenese:
Eine gewisse Dynamik des Ernährungszustandes (der bei erwachsenen Individuen durch das Ausmaß der Fettdepots bedingt wird) im Verlauf des Reproduktionszyklus ist physiologisch und kann auch bei Wildtieren nachgewiesen werden. Die Mobilisation von Körperfett setzt schon vor der Kalbung ein, erreicht einige Wochen post partum ihr Maximum und wird nach Umkehr der Energiebilanz ins Positive durch Lipodeposition abgelöst. Wie so oft ist es die Übersteigerung eines an sich physiologischen Vorganges, die krankmachenden und krankhaften Charakter hat. Im Falle der Lipomobilisation kann eine Teufelsspirale in Gang gesetzt werden, aus der ein betroffenes Tier nicht mehr zu retten ist. Überschießende Lipomobilisation  geht mit Verfettung und zunehmender Insuffizienz der Leber sowie Störung der Futteraufnahme einher. Bei ante partum verfetteten Tieren sind Schwerkalbungen und die damit zusammenhängenden Komplikationen häufiger als bei anderen. Sie brauchen post partum länger, bis sie die Phase der negativen Energiebilanz überwunden haben, während der die Fruchtbarkeit deutlich geringer ist. Daher konzipieren Kühe, welche das HLMS überstanden haben, meist später als andere, stehen länger trocken und haben so Gelegenheit, wiederum stark zu verfetten.
 

Klinische Symptomatik:
Sichtbar verfettete Kuh, Inappetenz, Ketonurie, rascher Verlust an Körpersubstanz, zunehmende Beeinträchtigung der Anteilnahme an der Umgebung ("Leberkoma"), Festliegen (dabei keine Reaktion oder gar deutliche Verschlechterung des Allgemeinbefindens nach Kalziuminfusion).
 

Diagnostik:
Vorbericht, klinische Untersuchung, Nachweis von Ketonurie. Labordiagnostisch: Konzentration freier Fettsäuren (siehe Laborskriptum) im Plasma ist erhöht.
 

Differentialdiagnosen:
Schwere Mastitis, Hypokalzämie, durchgebrochenes Labmagengeschwür.
 

Therapie:
Unbefriedigend. Versuchsweise Glukose-Dauertropf mit Insulin (1 I.E. pro 3 g Glukose, in D nicht für Lebensmittel lieferndeTiere zugelassen), Zwangsfütterung per Sonde.
 

Prophylaxe:
Kühe sollten mit einem Ernährungszustand ("body condition score" BCS, s. Glossar) von 3,25 bis 3,75 trockengestellt werden und diesen bis zur Kalbung halten.
 

PubMed

 


Letzte Änderung: 13.10.2016


home-page      Inhaltsverzeichnis
© Copyright 2016, Klinik für Wiederkäuer, Ludwig-Maximilians-Universität München