Pansenazidose
W. Klee, C. Bork, G. Knubben
Das Wichtigste in Kürze
Akute Milchsäue-Pansenazidose entsteht durch Aufnahme ungewohnt großer Mengen leicht vergärbarer Kohlenhydrate. Es resultieren ausgeprägte Veränderungen in der Pansenmikroflora zugunsten milchsäurebildender Streptokokken. Absterben der zellolytischen Flora und der Infusorien bei einem pH-Wert < 5. Durch die Milchsäure steigender osmotischer Druck im Pansen, Einstrom von Wasser, Durchfall. Durch Resorption von Milchsäure metabolische Azidose. Ruminitis. Eindringen von Bakterien und Pilzen über die Schleimhautläsionen. Komplikationen durch Abschwemmung der Keime. Klinische Symptome: Inappetenz, voller Pansen, kein Wiederkauen, leichte Kolik. Bis zu schwerer Störung des Allgemeinbefindens mit Festliegen möglich. Diagnose anhand der Anamnese und des frischen Pansensaftes (pH < 5,5). Therapie: symptomatisch, bei noch festem Panseninhalt eventuell Ruminotomie mit Entleerung und Spülung des Pansens. |
Prüfungsstoff
Wählt man als Definition "unphysiologisch niedriger pH-Wert des Panseninhaltes", können folgende Krankheitszustände in diese "Schublade" eingeordnet werden:
Eine weitere Form der Pansenazidose ist die "Hyperaciditas hydrochlorica ingestorum ruminis" (Salzsäure-Pansenazidose nach abomasalem Reflux, s. Glossar und Kapitel "Funktionelle Stenosen")
Akute Milchsäure-Pansenazidose
Ätiologie:
Aufnahme ungewohnt großer Mengen leicht vergärbarer Kohlenhydrate.
("Klassischer" Fall: Rind kommt von der Anbindung los und macht sich über
die offene Kraftfutterkiste her oder Kraftfutterautomat versagt und lässt
viel Kraftfutter durch.)
Epidemiologie:
Bei entsprechender Exposition sind alle Wiederkäuer empfänglich.
Ein Problem ist die Krankheit in den Feedlots. Auch Schafe, die auf schlecht
abgeerntete Getreidefelder getrieben werden, können erkranken. Funktionsgestörte
Kraftfutterautomaten können viel größere als die eingestellte
Menge auswerfen. Manche Kühe schaffen es, andere aus den Kraftfutterstationen
herauszudrängen, und können so wesentlich mehr Kraftfutter aufnehmen.
Ob die Krankheit manifest wird, hängt außer von der Art
und Menge des aufgenommenen Futtermittels auch von der Adaptation der Pansenmikroflora
und des Pansenepithels ab.
Pathogenese:
Innerhalb von Stunden nach Aufnahme einer hinreichend großen Menge an leicht vergärbaren Kohlenhydraten kommt es zu ausgeprägten Veränderungen in der Pansenmikroflora. Bei Verfütterung einer gemischten Ration ist die Flora überwiegend gramnegativ und durch Vielfalt der Formen gekennzeichnet. Bei Pansenazidose nimmt die Vielfalt ab und es dominieren bald grampositive, milchsäureproduzierende Streptokokken (Sc. bovis) und Laktobazillen. Laktat-verbrauchende Bakterien wachsen zwar auch, jedoch deutlich langsamer. Sinkt der pH-Wert unter 5, sterben die zellulolytische, überwiegend gramnegative Flora und die Infusorien ab.
Die produzierte Milchsäure erhöht den osmotischen Druck im Pansen und später im Darminhalt. Daher kommt es zum Zustrom von Wasser aus dem Körper in den Pansen und zu Durchfall. Milchsäure wird resorbiert, es entsteht eine metabolische Azidose (Additionsazidose), vor allem durch die nur langsam metabolisierbare D-Form. D-Laktat akkumuliert im Pansen und führt dort zur Senkung des pH-Wertes. Flüchtige Fettsäuren (FFS) liegen hauptsächlich undissoziiert vor. In dieser Form sind sie lipophil und können einfach über das Pansenepithel diffundieren. Ein Teil liegt jedoch auch dissoziiert vor und muss im Austausch gegen Bikarbonat aufgenommen werden. Wird die Absorptionskapazität des Epithels derart überschritten, akkumulieren nicht nur die FFS im Lumen, es fehlt zusätzlich noch die puffernde Wirkung des Bikarbonats aus dem Blut. Je nach Ausprägung kann der Prozess innerhalb von 24 Stunden zum Tod führen, oder die Tiere erholen sich nach einigen Tagen der Inappetenz ("off feed") wieder.
Die Pansenwand reagiert mit mehr oder weniger tiefgreifender Entzündung (Ruminitis). Absterbende gramnegative Bakterien setzen LPS frei, dieses führt in der Pansenwand zu einer vermehrten Bildung von Entzündungsmediatoren, z. B. TNF, IL-6. In das geschädigte Epithel dringen leicht Bakterien und Pilze ein, können sich festsetzen und auch (über das Pfortadersystem in die Leber) abgeschwemmt werden. Daraus können sich als Komplikationen die Krankheitsbilder Leberabszeß und Vena-cava-Thrombose entwickeln. Klauenrehe kann auftreten. Parakeratose-Ruminitis-Leberabszess-Komplex: Das Wachstum des Pansenepithels ist abhängig von den nicht-strukturierten Kohlenhydraten. Diese werden zu Propionat und Butyrat abgebaut und induzieren das Wachstum der Papillae. Bei niedrigem Pansen-pH und exzessiven Mengen an FFS führt dies allerdings zu Parakeratose und Rumenitis. Bakterien aus Mikroabszessen in der Pansenwand können dann in andere Organe wie Leber, Herz, Niere, Lunge abgeschwemmt werden.
Klinische Erscheinungen:
Inappetenz, der Pansen ist voll, Pansenhypo/-atonie, kein Wiederkäuen, leichte Kolik. Bei schweren Formen: starke Störung des Allgemeinbefindens, Festliegen mit zur Seite eingeschlagenem Hals, Untertemperatur (es sei denn, das Tier liegt in der Sonne), Exsikkose, Tachykardie (wobei die Prognose ab 120 bis 140 Schlägen schlecht wird), erhöhte Atemfrequenz. Durchfall, Fäzes auffallend hell, mit säuerlichem Geruch, der Pansensaft ist hell, fast milchig. Taumeln, Depression, Ophistotonus (möglicherweise als Folge der Wirkung von D-Laktat auf das ZNS), Harnproduktion stark herabgesetzt, Aborte 10 bis 14 Tage später. Verminderter Blut-pH und Base Excess, niedriges Bikarbonat. Auch neurologische Symptome aufgrund von Vitamin B1-Mangel sind in der Folge möglich. Dieses wird normalerweise von den Pansenmikroben synthetisiert.
Diagnostik:
Anamnese, Aussehen und pH des frischen (!) Pansensaftes (pH < 5,5).
Wenn die Anamnese auf den "Fütterungsunfall" hinweist, ist die Diagnose
leicht. Wenn ein Tier aber unbemerkt große Mengen an Kraftfutter
aufgenommen hat, ist es nicht so leicht, auf die Diagnose zu kommen.
Im Falle der postmortalen Diagnostik ist zu beachten, dass das pH im
Pansen nach dem Tod auch "normalerweise" sinkt, was als Hinweis für
Pansenazidose fehlinterpretiert werden kann.
Differentialdiagnosen:
Hypokalzämie (Fäzes hierbei aber typischerweise fest); akute
"coliforme" Mastitis; akute diffuse Peritonitis (z.B. nach offen durchgebrochenem
Labmagengeschwür oder Darmzerreißung); Sepsis aus anderer Ursache.
Therapie:
Hängt von der Schwere des Krankheitsbildes und von der seit der
Aufnahme der toxischen Kraftfuttermengen bereits verstrichenen Zeitspanne
ab. Ist bekannt, daß eine große Menge aufgenommen wurde, und
ist der Panseninhalt noch teilweise fest, sollte eine Ruminotomie in Betracht
gezogen werden. Der Pansen wird entleert und gespült; anschließend
wird gehäckseltes Heu und Pansensaft eines gesunden Rindes hineingegeben.
Ist der Panseninhalt bereits weitgehend verflüssigt, kann die Entleerung
auch durch Spülung (mehrmalige Instillation von Wasser und anschließendes
Abhebern) über eine weitlumige Maulsonde erreicht werden.
Schwer exsikkotische und azidotische Patienten sollten per Infusion
behandelt werden. Für die Erstbehandlung kann dabei von einem Basendefizit
von 20 mmol/l ausgegangen werden. Bei erwachsenen Rindern erfordert das
eine Dosierung von Natriumhydrogenkarbonat von etwa 0,4 g/kg. In weniger
ausgeprägten Fällen kann die Verabreichung von Wasser und Natriumhydrogenkarbonat
per Sonde ausreichen.
Prophylaxe:
Wiederkäuergerechte Gestaltung der Ration: Ausreichend NDF (neutral detergent fiber), ausreichend große und lange Futterpartikel (müssen länger gekaut werden, somit mehr Speichelproduktion und damit mehr Pufferkapazität), möglichst geringer Anteil schnell fermentierbarer Kohlenhydrate. Mastrinder (vor allem in Feedlots) müssen über mehrere Wochen an eine kraftfutterreiche Ration adaptiert werden.
Chronisch-latente
Pansenazidose
(auch subakute Pansenazidose genannt; subacute ruminal acidosis, "SARA")
Allgemeines:
Darunter ist das wiederholte Absinken des pH-Wertes im Pansen in den Bereich zwischen 5,5 und 5,0 zu verstehen. Wie der Name andeutet, handelt es sich nicht um eine klinisch manifeste Erkrankung, die Anlass zur Vorstellung geben würde. Diese Störung soll jedoch trotzdem erwähnt werden, weil sie zur Entstehung einer Reihe von Problemen beitragen kann:· Pansenhyperkeratose
· Ruminitis-Leberabszess-Komplex
· Klauenrehe (auch subklinische Klauenrehe, die von manchen Autorinnen und Autoren für die Bildung qualitativ minderwertigen Klauenhorns und den damit verbundenen Komplikationen verantwortlich gemacht wird).
· Milchfettgehaltsabfall
Epidemiologie:
Höchste Prävalenz bei laktierenden Kühen kurz nach der Geburt, aber auch bei Verfütterung von „finishing diets“ an Mastrinder. Eine zentrale Rolle spielt die Absorptionsfähigkeit des Pansenepithels. Folgende Umstände sind mit einem erhöhten Risiko für chronisch-latente Pansenazidose verbunden:
Diagnostik:
Wenn bei mehr als 3 von 12 Kühen einer Fütterungsgruppe ein Pansen-pH unter 5,5 gemessen wird, ist davon auszugehen, dass "SARA" vorliegt. Da das pH einer entnommenen Pansensaftprobe von verschiedenen Faktoren abhängt, u. a. von der Speichelbeimengung, ist die Art der Entnahme von erheblicher Bedeutung. Die Arbeitsgruppe der Univ. of Wisconsin (Nordlund et al.) empfiehlt die "Rumenocentese", d. h. die Pansenpunktion. Die Einstichstelle liegt auf der horizontalen Höhe des Oberrandes der Patella, etwa 10 bis 20 cm hinter der letzten Rippe (1,8 * 130 mm Kanüle). Der Pansensaft wird mit einer Spritze und geringem Aspirationsunterdruck gewonnen.
Die Pansensaftentnahmesonde nach HAMBURGER sollte ebenfalls die Gewinnung von speichelfreiem Pansensaft in ausreichendem Volumen ermöglichen. Da der pH-Wert des Pansensaftes je nach Lokation innerhalb des Pansens und über den Tag variiert, werden idealerweise mehrmals täglich Proben aus unterschiedlichen Stellen genommen. Mit Hilfe eines über den Ösophagus eingegeben Bolus kann der pH-Wert auch kontinuierlich gemessen werden.Diagnostisch kann auch der Fett-Eiweiss-Quotient (FEQ) in der Milch genutzt werden: Durch das Absinken des Pansen-pH-Werts sterben insbesondere die rohfaserverdauenden Essigsäurebildner ab, was zu einem Absinken der Essigsäure und in der Folge zu einem Absinken des Milchfetts führt. Damit sinkt der FEQ. Ein FEQ < 1,0 weist auf einen azidotischen Zustand beim betroffenen Tier hin.
Prophylaxe:
Wiederkäuergerechte Gestaltung der Ration, was besonders bei der
Intensivmast und bei Milchleistungen über 45 L pro Tag leichter gesagt
als getan ist. In TMR (total mixed ration) wird von einigen Betrieben
Natriumhydrogenkarbonat in einer Konzentration von 1 % des Kraftfutters
als Puffer eingemischt.
Pansenazidose bei Kälbern infolge Pansentrinkens
Akute Pansenazidose infolge "Pansentrinkens" junger Milchkälber
Definition:
Gegenwärtig werden Kälber dann als "Pansentrinker" bezeichnet, wenn ihr
Panseninhalt milchigen oder käseartigen Charakter und/oder einen pH-Wert von
unter 6,0 hat. Diese Befunde müssen nicht mit "Krankheit" verknüpft sein. Es
sollte deshalb nur dann von der Erkrankung "Pansentrinken" gesprochen werden,
wenn das Kalb neben den Veränderungen im Panseninhalt auch klinische
Krankheitssymptome (siehe unter Symptomatik) zeigt.
Ätiologie:
Physiologischerweise kommt es beim Saugakt des Kalbes auf Grund bestimmter
Reflexabläufe zum Schluss der Schlundrinne, wodurch die abgeschluckte Milch in
den Labmagen geleitet wird. Beim Pansentrinken gelangen größere Mengen Milch,
Milchaustauscher, kommerzieller oraler Rehydratations- oder "Diättränken" oder
"Hausmitteln" (z. B. leinsamenschleimhaltige Tränken) in den Hauben-Pansenraum,
wonach es zur Vergärung von Kohlenhydraten dieser Flüssigkeiten kommt. Das
Pansentrinken tritt nicht selbstständig sondern als Komplikation verschiedener
Gesundheitsstörungen auf:
- Dysfunktion der Schlundrinne als Komplikation verschiedener Primärerkrankungen junger Kälber
- Zwangstränkung "trinkschwacher" Kälber mittels Sonde oder Drencher (= "erzwungenes Pansentrinken")
- Abomaso-ruminaler Reflux (nach eigenen Untersuchungen in der Ätiologie des Pansentrinkens junger Kälber unbedeutend)
Pathogenese:
Auch bei gesunden Kälbern gelangt meist ein kleiner Teil der aufgenommenen
Tränke in den Hauben-Pansenraum, wird aber wohl bald weitertransportiert, so
dass keine nachteiligen Folgen entstehen. Erst die Anwesenheit größerer Volumina
über eine längere Zeit scheint problematisch zu sein, wobei die Art der Tränke
auch von Bedeutung ist. Die Kohlenhydrate werden durch Bakterien vergoren. Dabei
entstehten flüchtige Fettsäuren (Essig-, Propion- und Buttersäure) und
Milchsäure. Die Pansenschleimhaut reagiert auf den starken Reiz durch die Säuren
mit Entzündung (pH-Wert zum Teil unter 4!) und/oder Hyperkeratose (proliferative
Wirkung flüchtiger Fettsäuren!). Bei einem Teil der Kälber kommt es auch zur
metabolischen Azidose durch Resorption der Säuren. Warum nicht alle Kälber mit
Pansenazidose infolge Pansentrinkens eine metabolische Azidose entwickeln ist
gegenwärtig nicht eindeutig geklärt.
Ist Kälberdurchfall die eigentliche zugrundeliegende Krankheit, besteht der Verdacht, dass die dadurch bedingte metabolische Azidose (D-Laktat-Azidose) das Allgemeinbefinden des Kalbes derart beeinträchtigt, dass dies wiederum zu einem gestörten Schlundrinnenreflex und somit zu Pansenazidose führt. Das bedeutet, dass die metabolische Azidose nicht durch die Pansenazidose (infolge Pansentrinkens) ausgelöst ist, sondern umgekehrt.
Klinische Erscheinungen:
Das Allgemeinbefinden ist abhängig von Schwere und Dauer der Erkrankung
unterschiedlich gestört. Der Saugreflex ist häufig schwach, unkoordiniert oder
fehlend, entsprechend ist die Tränkeaufnahme wechselhaft oder sistierend. Das
Haarkleid ist struppig und stumpf, einzelne Kälber haben Haarausfall. Bisweilen
besteht eine leichte Pansentympanie (linke Hungergrube verstrichen oder leicht
vorgewölbt). Plätscher- und/oder Klingelgeräusche bei der Schwing- und
Perkussionsauskultation über der linken Bauchwand erhärten den Verdacht auf
Pansentrinken (diese Geräusche sind aber nicht spezifisch, sie können häufig
auch bei klinisch unauffälligen Kälbern produziert werden!). Der Kot von Kälbern mit
akuter Pansenazidose hat nicht - wie bei Kälbern mit Pansentrinkersyndrom -
jenen kittartigen Charakter. Mit zunehmender Krankheitsdauer magern die Kälber
ab und kümmern. Aufgekrümmter Rücken und Zähneknirschen bei einem Teil der
Patienten deuten auf einen schmerzhaften Zustand (Retikuloruminitis) hin.
Leerkauen und Scheinwiederkauen sind weitere Verhaltensauffälligkeiten einzelner
Patienten.
Diagnostik:
Die Verdachtsdiagnose "Pansentrinken" kann durch die Untersuchung einer
Pansensaftprobe gesichert werden. Die Entnahme von Pansensaft erfolgt (am
günstigsten zirka zwei Stunden nach der letzten Tränkeaufnahme) mittels einer
eigens für Kälber entwickelten Entnahmesonde. Der Panseninhalt ist nach der
Tränkung milchig, später ist er sauer. Im Falle einer Pansenazidose liegt der
pH-Wert < 6; er kann bis < 4(!) absinken. Je nach Art der Tränke und Gärungsart
ist die Farbe milchig-weiß bis beige, der Geruch stechend säuerlich oder ranzig
und die Viskosität wässrig bis dünnbreiig. Letzteres ist besonders der Fall,
wenn ein hoher Anteil von Kaseinflocken oder -klumpen vorhanden ist. Bei bereits
bestehender Retikuloruminitis können Teile der Pansenschleimhaut und abgelöste
Haubenleisten beigemengt sein. Diagnostik von abomaso-ruminalem Reflux anhand
der Chloridkonzentration im Panseninhalt ist bei Kälbern nicht leicht
(erhebliche Variation; hoher Chloridgehalt von Milch und insbesondere von Cl--haltiger
Flüssigkeits-Elektrolyt-Tränken sowie "Ersatztränken").
„Pansentrinken“ ist außerdem während des Saugaktes mittels Ultraschalls darstellbar. Auch eine verdickte Pansenwand aufgrund von Ruminitis oder Parakeratose kann dabei auffallen.
Therapie:
Behandlung der Primärerkrankung
Da die Funktionsbeeinträchtigung des Schlundrinnenreflexes meist Folge einer
durch anderweitige Erkrankung verursachten Störung des Allgemeinbefindens ist,
stehen Erkennung und Behandlung des Grundleidens im Vordergrund (z. B. Ersatz der
Flüssigkeits-, Elektrolyt- und Pufferverluste bei Kälbern mit
Neugeborenendurchfall). Oft normalisiert sich der pH des Panseninhaltes danach
spontan.
Pansenspülung
Eine Pansenspülung ist dann erforderlich, wenn:
· kein ursächliches Primärleiden ermittelt werden kann oder
· eine diagnostizierte Primärerkrankung erfahrungsgemäß nicht befriedigend therapierbar ist sowie
· in den Fällen, in denen ein hoher Anteil von Kaseinflocken im Panseninhalt vorhanden ist. Dies ist vermehrt bei wiederholt zwangsgetränkten Kälbern (mit "primärer Trinkschwäche") der Fall.
Durchführung einer Pansenspülung:
Über einen Irrigator und Maulsonde werden zirka ein bis zwei Liter körperwarmes Wasser in den Pansen eingegeben und anschließend wieder abgehebert. Diese Prozedur ist so oft zu wiederholen, bis die ablaufende Spülflüssigkeit wasserähnliches Aussehen hat. Pansenspülungen sollten nur einmal täglich und erforderlichenfalls an zwei aufeinander folgenden Tagen durchgeführt werden.
Stimulierung des Saugreflexes vor dem Tränken
Kurzfristiger Tränkeentzug
Bei einzelnen Kälbern zeigt (unter bestimmten Voraussetzungen) ein kurzfristiger Tränkeentzug (zwei Mahlzeiten) therapeutischen Erfolg hinsichtlich Normalisierung des Panseninhaltes und Trinklust.
Prophylaxe:
- Sorgfältiges und behutsames Anlernen zum Trinken sowie liebevoller Umgang
besonders mit trinkschwachen Problemkälbern. (Eine ganze Reihe von Faktoren trägt zum ordnungsgemäßen Schluss der Schlundrinne bei, z. B. allgemeiner Gesundheitszustand, spontaner Saugakt, Kontakt der Milch mit Chemorezeptoren in Maulhöhle und Ösophagus, aber auch visuelle, olfaktorische und auditive Stimuli.)
- Frühzeitige und sachgemäße Therapie aller Erkrankungen neugeborener Kälber.
- Vermeidung von Zwangstränkung.
Pansentrinker-Syndrom (chronisch verlaufende Pansenazidose)
Ätiologie:
Dieses Krankheitsbild tritt zu Beginn der Milchmastperiode auf und betrifft nur einen Teil der Kälber. Während sich in den folgenden Tagen bei den meisten Tieren der Schlundrinnenreflex wieder einstellt, gelangt bei den Pansentrinkern weiterhin nahezu die gesamte Tränkemenge in die Vormägen. Die Tatsache, dass nur einzelne Kälber und manche Betriebe gehäuft betroffen sind, gibt Grund zur Annahme, dass das Hofmanagement dabei eine große Rolle spielt. Weiterhin wird auch ein Zusammenhang mit weiten Transportstrecken zum Mastort genannt.
Klinische Erscheinungen:
Die ersten klinischen Symptome zeigen sich etwa zwei bis drei Wochen nach Mastbeginn und bestehen aus Tränkeverweigerung, Tympanie sowie Verhaltensauffälligkeiten wie Belecken der Boxenwand, des eigenen Körpers und Scheinwiederkauen. Weiterhin fällt lehmartiger Kot (sogenannter "Kittkot") auf, und an der linken Abdomenseite sind Plätschergeräusche zu hören. Nach einiger Zeit geraten diese Tiere in einen katabolen Stoffwechsel, werden zunehmend anämisch und kachektisch, während die Ausdehnung des ventralen Abdomens zunimmt und das Haarkleid matter und stumpfer wird.
Diagnostik:
Der Panseninhalt besteht aus einer sauer riechenden, weißlichen, mit vielen Kaseinflocken durchsetzten Flüssigkeit, die mengenmäßig meist das vorausgegangene Tränkevolumen übersteigt.
Letzte Änderung: 28. 04. 2024
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