Das Wichtigste in Kürze
Die Ätiologie ist bis heute nicht hinreichend geklärt. Die Beeinflussbarkeit des klinischen Bildes durch Antibiotika lässt auf Beteiligung von Mikroorganismen schließen. Klinisch zeigen sich epidermale Läsionen von wenigen Millimetern bis zu mehreren Zentimetern Durchmesser, häufig mit graugelbem faulig-süßlich riechendem Detritus überdeckt. Bevorzugte Lokalisation ist die Fesselbeuge der Hintergliedmaßen, am Übergang von der Haut zum Ballenhorn. Durch Granulationsgewebe kann die Läsion rot und erdbeerartig wirken, ihr Rand ist meist von einem weißlichen Epithelsaum umgeben. Die betroffenen Hautbezirke sind druckempfindlich, Lahmheiten können auftreten. Individuelle Behandlung mit Chlortetrazyklinspray. Rezidive können nicht sicher vermieden werden. |
Prüfungsstoff
Ätiologie | Diagnostik |
Epidemiologie | Bekämpfung |
Klinische Erscheinungen |
Ätiologie:
Die Ätiologie der Dermatitis digitalis (DD) ist noch nicht hinreichend
geklärt. Berichte über den Ausbruch der DD nach Einstallung betriebsfremder
Tiere und die Beeinflussbarkeit des klinischen Bildes durch verschiedene
Antibiotika deuten daraufhin, dass Bakterien eine wichtige Rolle
in der Pathogenese spielen. Die Krankheit lässt sich jedoch nicht ohne weiteres
künstlich übertragen.
Vermutlich bedarf es für das Entstehen der Krankheit des Zusammenwirkens
verschiedener Risikofaktoren (z.B.: Feuchtigkeit, Mängel in der Stallhygiene,
ungünstige Beschaffenheit des Stallbodens, hohe Milchleistung).
Epidemiologie:
Nach ihrer Erstbeschreibung (1974) hat sich die Krankheit rasch ausgebreitet
und ist heute eine der häufigsten Erkrankungen im Bereich der "Unterfüße"
bei Rindern.
Seit 2014 wird sie im Nordwesten der USA auch bei wildlebenden Wapitis (Cervus elaphus Nelsoni) geschrieben (ProMED Digest, Vol 43, Issue 35).
Klinische Erscheinungen:
Die Erkrankung kann sehr unterschiedliche klinische Erscheinungen hervorrufen
(eine umfangreich bebilderte Dokumentation wurde hierzu beim
International
Committee for Animal Recording (ICAR) veröffentlicht (Appendix
1: DD-Stadien und
Appendix 2: mit DD assoziierte Klauenhornläsionen). Nachfolgend die
wichtigsten Stadien.
Zu Beginn der Erkrankung werden epidermale Läsionen von nur wenigen
Millimetern Durchmesser gesehen, die sich im weiteren Verlauf zu ulzerativen
Hautveränderungen weiterentwickeln können. Der betroffene Hautbezirk
wird leicht übersehen und ist oftmals erst nach Reinigung deutlich
erkennbar, da er durch graugelblichen Detritus überdeckt ist. Dem
Belag haftet ein eigentümlich faulig-süßlicher Geruch an,
der aber nicht von allen Untersuchern eindeutig erkannt werden kann.
epidermale Läsion (Anfangsstadium der DD?)
Am häufigsten wird die DD als eine umschriebene, kreisrunde oder
längsovale ulzerative Hautentzündung beschrieben, die überwiegend
im Bereich der Fesselbeuge, am Übergang der Haut zum Ballenhorn auftritt.
Granulationsgewebe verleiht der Läsion einen roten, erdbeerartigen
Aspekt.
Die DD wird am häufigsten an den Hintergliedmaßen beobachtet,
sie tritt nur selten an den Vordergliedmaßen auf. Diese Beobachtung
könnte ein Hinweis darauf sein, dass sowohl Feuchtigkeit als
auch Kot und Urin Risikofaktoren für das Entstehen der DD darstellen.
Gelegentlich sind auch im dorsalen Kronsaumbereich und im Zwischenklauenspalt
DD-typische Läsionen sichtbar. Die Ausdehnung der Hautveränderung
kann Durchmesser bis zu 10 cm erreichen. Der Rand wird meist von einem
weißlichen 1-2 mm breiten und mit dem Untergrund fest verbundenen
Epithelsaum umgeben.
ulzerative Hautveränderung mit Granulationsgewebe im Zentrum und weißem Epithelsaum
Veränderungen verschiedensten Ausmaßes der DD können mit Lahmheit einhergehen. Bei milderen Formen sind die betroffenen Hautbezirke nur druckempfindlich und provozieren beim Tier keine sichtbaren Schmerzäußerungen, werden aber mit gelegentlichem Heben der betroffenen Gliedmaße in Beziehung gebracht.
An einem betroffenen Tier kann die Krankheit wellenförmigen Verlauf nehmen, also wiederholt "aufblühen".
Möglicherweise bestehen Zusammenhänge zwischen
DD und der Dermatitis interdigitalis (=Fäule).
Diagnostik:
Solange die Ätiologie der DD nicht geklärt ist, erfolgt die
Diagnose über das klinische Bild.
Bekämpfung:
Voraussetzung für jedes Therapiekonzept sollte eine funktionelle
Klauenpflege der gesamten Herde sein, damit auch die DD-bedingten Hornveränderungen
korrigiert werden. Das weitere Vorgehen richtet sich nach Herdengröße
und Prävalenz.
Bei kleineren Herden und geringen Prävalenzen werden individuelle
Behandlungen vorgezogen. Das Mittel der Wahl besteht in kurzem Besprühen
der Läsionen mit Chlortetrazyklinspray (zur Konzentrationssteigerung:
zweimalig im Abstand von 30 Sekunden). Es stehen Sprays ohne Wartezeit
für die Milchabgabe zur Verfügung. Vor dem Aufbringen des Sprays
muss der Untergrund sorgfältig gesäubert (Wasserstrahl,
Wasserfußbad) und von Blut und Feuchtigkeit getrocknet (Einmalpapiertücher)
werden, damit das Spray haften kann. Schmerzen und Lahmheit verschwinden
meistens in den folgenden 3 Tagen nach Sprayanwendung.
Auch die parenterale Anwendung von Antibiotika (z. B. Cefquinom über 5 d) führt zum Abklingen der Läsionen.
Läsionen im Zwischenklauenspalt sprechen weniger gut auf die Behandlung
an als solche im Ballenbereich oder um die Afterklauen.