Das Wichtigste in Kürze
Bei der Geburt reißt die Nabelschnur zwischen Plazenta und
äußerem Nabel durch, und die Nabelstrukturen (Nabelvene, Nabelarterien und
Urachus) ziehen sich innerhalb der Nabelscheide nach intraabdominal zurück.
Hierdurch erfolgt eine Verengung der Lumina, so dass kein Blut bzw. Harn
austritt. Später bilden diese Strukturen sich soweit zurück, dass sie nur
mehr als dünne bindegewebige Stränge verbleiben. Bei allen Strukturen kann
es jedoch auch zu aufsteigenden Infektionen kommen. Dann sind
die betroffenen Strukturen als dicke, derbe und druckempfindliche Stränge bei der abdominalen
Palpation tastbar. Mittels Echographie kann der Verdacht erhärtet werden.
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Nabelvene: Von der Plazenta kommen über die Nabelschnur zwei Nabelvenen, die sich im Bereich des äußeren Nabels zur Nabelvene vereinigen, die intraabdominal am freien Rand des Lig. falciforme hepatis, einer Serosafalte, zur Leber zieht, in die Leber eintritt und in die V. portae mündet. Nabelarterien: Die beiden von den Aa. iliacae intt. abgehendenen Nabelarterien ziehen entlang der Harnblase, mit der sie über die als Ligg. vesicae lateralia bezeichneten Serosafalten verbunden sind, nach kranial zum Nabel und treten dann durch den inneren Nabelring hindurch in die Nabelschnur über. Der Urachus zieht vom kranialen Harnblasenpol median entlang der Bauchwand. Er ist hier durch das Lig. umbilicale vesicae mit der Bauchwand verbunden. Dann verläuft er durch den inneren Nabelring in die Nabelschnur und mündet als embryonaler Harngang in die Allantoisblase.
Schema: M. Metzner
Die Nabelschnur reißt bei der Austreibung normalerweise ca. 20 cm von der Bauchwand entfernt durch. Sie ist zunächst bis zum 4. Lebenstag feucht und trocknet dann ein (physiologische trockene Gangrän). Ca. am 14. Lebenstag fällt sie ab, und der Nabel ist dann bis zur 3. - 4. Lebenswoche nur von einer Kruste bedeckt.
Treten über die Nabelwunde Keime (meist aus dem Gram-positiven Spektrum) ein, kann es lokal zu einer Entzündung im Bereich der Unterhaut und/oder Nabelstrukturen (Omphalitis/Nabelphlegmone/Nabelabszess) kommen.
Die Nabelvene reicht nach dem Riss der Nabelschnur noch bis zum zum äußeren Nabel. Bei aufsteigender Infektion über das Lumen der Nabelvene (Omphalophlebitis) kann es auch zu Eiteransammlungen kommen, die innerhalb der Leber bis zur V. portae reichen. Die Nabelvene ist dann als derber, zur Leber ziehender Strang ertastbar.
Die Nabelarterien ziehen sich kurz nach dem Riss der Nabelschnur bis etwa auf Höhe des Harnblasenpols zurück. Hierdurch wird das Lumen stark reduziert. Zusätzlich kontrahiert sich die Muskulatur in der Arterienwand, so dass kein Blut mehr austritt. Funktioniert dieser Verschluss nicht oder nur unzureichend, so kann entweder Blut über den äußeren Nabel austreten, oder das Blut steigt retrograd zwischen den beiden Blättern des die Nabelarterien umgebenden Peritoneums und der Arterienwand in Richtung Aa. iliacae intt. auf. Hierdurch können sehr große (Durchmesser mehrere Zentimeter) periarterielle Hämatome entstehen. Bei abdominaler Palpation sind diese Gebilde tastbar (bei zu starkem Druck wird ein 'Knirschen' beim Zerdrücken des Blutkuchens wahrgenommen). Periaterielle Hämatome können auch infiziert sein. Ist das Arterienlumen infiziert (Omphaloarteriitis) sind lateral der Harnblase derbe Stränge tastbar.
Der Urachus reißt ebenfalls beim Riss der Nabelschnur und zieht sich intraabdominal zurück, die Mündung zur Harnblase vernarbt. Wenn sich die Öffnung zum Nabel und auch zur Harnblase nicht verschließen, besteht ein Urachus persistens. Ist der Urachus infiziert (Urachitis), kann er als derber Strang zwischen Nabel und Harnblasenpol ertastet werden. Wenn das Exsudat nicht über den Nabel entweichen kann und auch kein Übertritt in Richtung Harnblase möglich ist, entwickelt sich ein Urachusempyem. Von einer Urachuszyste spricht man, wenn sich nicht entzündlich bedingte Flüssigkeit (Harn) im Urachuslumen ansammelt, weil der Übergang zur Harnblase offen ist, jedoch kein Harn über den äußeren Nabel abfließen kann.
Neben der allgemeinen klinischen Untersuchung, die sehr wertvolle Hinweise auf die Schwere der Nabelerkrankung aber auch auf möglicherweise andere bestehende Erkrankungen liefert, muss die spezielle Untersuchung des äußeren Nabels und der intraabdominal gelegenen Nabelstrukturen erfolgen. Dies sollte grundsätzlich bis zu einem Alter von ca. 3 Monaten durchgeführt werden.
Bei der Adspektion können im pathologischen Fall eine Umfangsvermehrung des
äußeren Nabels und/oder Austritt von übelriechendem Exsudat festgestellt werden.
Bei der Palpation können derbe Stränge (Entzündung von Nabelvene(n), -arterien
oder Urachus), eine diffuse derbe Schwellung (Nabelphlegmone), eine derbe
fluktuierende Umfangsvermehrung ohne erkennbare Bruchpforte (Nabelabszess) oder
bei Ertastung einer Bruchpforte (Bruchring) und reponierbarem Inhalt
(Nabelhernie (Dünndarm, Netz, Labmagen, Pylorus) differenziert werden. Seltener
kommt auch ein Nabelhämatom oder -serom vor, bei deren Verdacht die Echographie
zur diagnostischen Differenzierung herangezogen werden sollte.
CAVE! Mitunter reagieren die Kälber mit Abwehrbewegungen, wenn ihnen die
Palpation Schmerzen bereitet!
Die abdominale Palpation kann am leichtesten am stehenden Kalb durchgeführt werden. Dabei wird das Abdomen rechts- und linksseits in der Mitte mit gegenüberliegenden Händen komprimiert, und beide Hände werden dann nach ventral geschoben. Der Vorgang ist an mehreren Stellen kranial und kaudal bis vor den Beckeneingang zu wiederholen.
Das Vorgehen wird in nachfolgendem Video verdeutlicht. Bei der Palpation der kaudal gelegenen Nabelstrukturen ist ein Rucken im ventralen bereich erkennbar: Videosequenz, 26 Sek., 7 MB, MP4
Ist die Palpation am stehenden Tier nur schlecht durchführbar, beispielsweise weil das Kalb bereits zu groß ist und einen schon entwickelten Pansen hat oder weil die Bauchwand zu sehr gespannt ist, kann man das Tier zur Erleichterung der Palpation ablegen und die Bauchwand mit einer Hand komprimieren, während die andere Hand nach intraabdominalen Strängen tastet.
Fotos: M. Metzner
Alle pathologischen Veränderungen der Nabelstrukturen sind gut mittels Echographie darstellbar.
Dabei wird sinnvollerweise am äußeren Nabel begonnen und von dort den intraabdominal gelegenen Strukturen entlang der Medianen gefolgt. Der Schallkopf wird dabei quer zu den Nabelstrukturen geführt, diese stellen sich dann als kreisrunde, unbewegliche hyperechogen Strukturen dar (Ausnahme Nabelvene: um den Eintritt und ggf. den intrahepatischen Verlauf darstellen zu können muss der Schallkopf parallel zu den Rippen in einem Interkostalraum bewegt werden, die Nabelvene stellt sich dann schlauchartig dar).
Je nach Lumeninhalt stellt dieser sich hyperechogen (Eiter) weniger echogen (flüssiges Exsudat) oder anechogen (Serum (bei periart. Hämatomen), Harn im Lumen des Urachus) dar. Die typischen Ultraschallbefunde werden in den Kapiteln zu den Nabelerkrankungen gezeigt.