Das Wichtigste in Kürze
Die häufigste Indikation für eine Laryngotomie beim Kalb
sind konservativ erfolglos therapierte,
diphtheroid-nekrotisierende Laryngitiden. Am Kalb in Rückenlage wird zuerst eine Tracheotomie mit Einsetzen eines Tracheotubus
vorgenommen. Für die Laryngotomie werden die Haut und die ersten 2 – 3
Knorpelspangen der Trachea, der Ringknorpel und drei Viertel des Schildknorpels eröffnet. Sämtliches verändertes Gewebe im Kehlkopfinneren wird reseziert. Postoperativ sollten
intensive Pflege und regelmäßiger Wechsel des Tracheotubus erfolgen. Der Tracheotubus kann entfernt werden, wenn kein
laryngealer Stridor mehr vorliegt. Als postoperative Komplikationen können Bronchopneumonien, Wundheilungsstörungen, Kollaps der
Trachea sowie Hyperplasien des Granulationsgewebes auftreten.
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Indikation für eine Laryngotomie beim Kalb sind diphtheroid-nekrotisierende Laryngitiden (Kälberdiphtheroid, Nekrobazillose). Diese häufigste Form der Laryngitis beim Kalb kommt im Alter von etwa 2 - 12 Wochen vor und tritt bevorzugt bei Mastrassen (z. B. Weißblaue Belgier) auf. Schlechte hygienische Verhältnisse sind prädisponierend. Haupterreger ist Fusobacterium necrophorum, aber auch Trueperella pyogenes und Histophilus somni werden nachgewiesen. Eintrittspforte für diese Erreger ist eine vorgeschädigte Schleimhaut im Bereich des Kehlkopfs. Die Vorschädigung findet in den meisten Fällen mechanisch, durch Staub oder im Zuge von Virusinfektionen des Atmungstraktes statt. In leichten Fällen ohne Atemnot kann eine konservative Therapie mit allgemeiner Antibiose und Antiphlogese erfolgen. Tritt nach konservativer Therapie ein Rezidiv auf, leidet das Tier an Atemnot oder liegen ausgeprägte nekrotische Veränderungen im Bereich des Kehlkopfes vor, ist eine Laryngotomie indiziert. Eine seltenere Indikation für eine Laryngotomie stellen Fremdkörpererkrankungen im Bereich des Kehlkopfes dar.
Bei der klinischen Untersuchung fällt gestreckte Kopf-Hals-Haltung auf. Betroffene Tiere zeigen unterschiedlich ausgeprägte inspiratorische Dyspnoe mit Tachypnoe und häufig Husten. Der wohl typischste Befund ist gut hörbarer, schnarchender bis trompetenartiger laryngealer Stridor (Video 1).
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Videosequenz, 14 Sek., 5,3 MB, MP4
Video 1: Kalb mit diphtheroid-nekrotisierender Laryngitis. Inspiratorische Dyspnoe mit typischem schnarchendem, laryngealem Stridor.
Die Auskultation der Lunge ist aufgrund der Stridores häufig unergiebig. Die lokale Untersuchung kann mit Hilfe eines oral eingeführten kleinen Röhrenspekulums oder mit einem Endoskop erfolgen. Hierbei stellt sich der Kehlkopf diffus ödematös geschwollen dar. Die diphtheroiden Beläge und Nekrosen sind häufig im Bereich der Stellknorpel und der Stimmfalten zu finden (Video 2). Cave: aboral gelegene Veränderungen sind meist weder mit dem Röhrenspekulum noch mit dem Endoskop zu erkennen. Eine komplette Untersuchung des Kehlkopfes kann nur im Zuge einer Laryngotomie gewährleistet werden. Wenn die Untersuchung mit einem Endoskop durchgeführt wird, sollten die Trachea und Bronchen mit beurteilt werden. Dies kann für die weitere Prognose des Tieres hilfreich sein.
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Videosequenz, 14 Sek., 1,9 MB, MP4
Video 2: Endoskopische Untersuchung eines Kalbes mit diphtheroid-nekrotisierender Laryngitis. Diphtheroide Beläge an den Stimmfalten erkennbar.
Labordiagnostisch besteht Leukozytose, und bei der arteriellen Blutgasanalyse zeigen sich Hypoxie und Hyperkapnie.
Differentialdiagnostisch kommen Stomatitis diphtheroidea, Pharyngitiden, katarrhalische Laryngitiden, Trachealkollaps, Hemiplegia laryngis und Traumata oder Fremdkörper in Betracht.
Dem Kalb sollten präoperativ ein Antibiotikum und ein NSAID verabreicht werden. Das Operationsfeld wird aseptisch vorbereitet.
Der Eingriff wird in Rückenlage mit dem Kopf als tiefsten Punkt durchgeführt (Bild 1). Dies soll den Abfluss von Speichel, Exsudat und Blut über die Maulhöhle gewährleisten. Als Anästhesie wird eine Injektionsnarkose durchgeführt. Die lokale Schmerzausschaltung erfolgt durch ellipsoide Umspritzung des Operationsbereiches mit einem Lokalanästhetikum (ca. 20 ml Procainhydrochlorid, 2%-ige Lösung mit Sperrkörper, Epinephrin).
Vor der eigentlichen Laryngotomie wird eine Tracheotomie mit Einsetzen eines Tracheotubus (z. B. Tracheoflex®-Set für Kleintiere, AD 13,4 mm, Teleflex Medical GmbH, Kernen) durchgeführt. Dies soll den Kehlkopf nach der Operation temporär ruhig stellen und die Atmung des Kalbes erleichtern. Hierzu wird die Trachea manuell gegen die Haut gedrückt und mit Hilfe eines Skalpells werden Haut, Muskulatur und 2 – 3 Knorpelspangen ventromedian etwa in der Mitte des Halses durchtrennt. Dann wird der Tracheotubus eingesetzt und mit Hautheften fixiert (Bild 2, z. B. pseudomonofiler Faden Supramid, metric 6). Wenn die Haut zu weit eröffnet wurde, kann sie mit einem U-Heft wieder adaptiert werden. Nach Einführen des Tracheotubus sollte der laryngeale Stridor verschwinden. Alternativ kann auch eine permanente Trachealöffnung angelegt werden. Diese sollte den aus der Tubuspflege entstehenden Aufwand nach der Operation minimieren und eine Irritation durch den in der Trachea liegenden Tubus vermeiden. Allerdings erleichtert eine permanente Trachealöffnung die postoperative Entstehung von Bronchopneumonien durch Aspiration von Staub- und Schmutzpartikeln.
Für die eigentliche Laryngotomie wird ein ca. 10 – 12 cm langer Hautschnitt am Übergang zwischen Trachea und Kehlkopf angelegt. Der darunter liegende M. sternohyoideus wird ebenfalls durchschnitten oder stumpf präpariert. Bei Bedarf wird der Isthmus der Schilddrüse beidseits der Schnittlinie abgebunden und dazwischen durchtrennt. Mit einem Skalpell werden die ersten 2 – 3 Knorpelspangen der Trachea und der Ringknorpel eröffnet, der Schildknorpel wird zu etwa drei Vierteln mit einer Knieschere aufgeschnitten (Bild 3). In den eröffneten Kehlkopf wird ein Wundspreizer eingesetzt und die Trachea mit einem Tupfer abgedichtet, um eine Aspiration von Blut und Exsudat zu verhindern. Der Kehlkopf wird auf Veränderungen, wie Nekrosen und diphtheroide Beläge, untersucht (Bild 4). Hierbei können die Veränderungen unter intakter Schleimhaut liegen und nur über einen Fistelkanal erreichbar sein. Aus diesem Grund sollte der Kehlkopf sorgfältig mit einer Sonde untersucht werden (Bild 5). Weiterhin können granulomatöse Zubildungen vorliegen (Bild 6). Sämtliches verändertes Gewebe wird reseziert; bei Bedarf müssen auch veränderte Knorpelanteile exzidiert werden (Bild 7). Als Hilfsmittel können ein scharfer Löffel sowie eine Schleifenkürette verwendet werden. Nach gründlicher Reinigung des Wundbereiches wird der Tupfer aus der Trachea entnommen und nur die Haut mit U-Heften verschlossen (Bild 8; z. B. pseudomonofiler Faden Supramid, metric 6). Der Tracheotubus sollte durch einen Kunststoffschlauch verlängert werden, damit die Tubusöffnung nicht direkt mit dem Stallboden in Kontakt kommen kann und das Risiko einer Aspiration von Staub und Einstreu verringert wird. Das Schlauchende ist außerdem zusätzlich mit Gaze zu verschließen. Der Schlauch sollte so am Hals des Kalbes angebracht werden, dass die Schlauchöffnung nach oben weist (Bild 9).
Bild 1: Vorbereitung auf eine Laryngotomie. Lagerung in Rückenlage mit Kopf als tiefstem Punkt.
Bild 2: Kalb nach Tracheotomie und Einsetzen eines Tracheotubus (Spezialanfertigung).
Bild 3: Laryngotomie (Kopf unten). Haut ist eröffnet, und Schildknorpel wird mittels Knieschere durchtrennt.
Bild 4: Ventralansicht (Kopf unten) des eröffneten Kehlkopfes mit eingesetztem Wundspreizer und Trachea mit Tupfer abgedichtet. Nekrose im Bereich des Ringknorpels- und der Stellknorpeln.
Bild 5: Ventralansicht (Kopf oben) des eröffneten Kehlkopfes mit eingesetztem Wundspreizer. Sondierung eines Fistelkanals im Bereich des Stellknorpels.
Bild 6: Ventralansicht (Kopf unten) des eröffneten Kehlkopfes mit eingesetztem Wundspreizer. Granulomatöse Zubildung im Bereich des Stellknorpels.
Bild 7: Ventralansicht (Kopf unten) des eröffneten Kehlkopfes mit eingesetztem Wundspreizer. Kalb von Bild 4, Zustand nach Resektion nekrotischer Anteile im Bereich des Ring- und der Stellknorpel.
Bild 8: Ventralansicht (Kopf unten) der mit U-Heften (pseudomonofiler Faden Supramid, metric 6) verschlossenen Operationswunde.
Bild 9: Kalb nach Laryngotomie. Tracheotubus mit Kunststoffschlauch verlängert und Schlauchöffnung mit Gaze abgedeckt.
Die Prognose für das Kalb hängt vom Ausmaß der lokalen Veränderungen am Kehlkopf ab (siehe auch 8.). Eine schlechte Prognose kann Kälbern gestellt werden, die schon vor der Operation eine massive Bronchopneumonie aufweisen. In so einem Fall ist von einem chirurgischen Eingriff abzuraten. Allerdings stellt die Auskultation der Lunge aufgrund des laryngealen Stridors präoperativ ein Problem dar; eine genaue klinische Einschätzung der Ausprägung der Bronchopneumonie ist häufig nur mit Einschränkung möglich.
Verabreichung eines Antibiotikums für mindestens sieben Tage, NSAIDs nach Bedarf, jedoch mindestens bis zwei Tage nach der Operation. Mehrmals täglich sollte aus dem Plastikschlauch Exsudat und Blut abgelassen werden. Weiterhin ist es meist einmal täglich nötig, den Tracheotubus zu wechseln, da er sich mit Entzündungsprodukten zugesetzt hat. In diesem Zuge sollte eine gründliche Reinigung der Tracheotomiewunde erfolgen. Nach einigen Tagen kann der Tracheotubus entfernt werden, wenn kein laryngealer Stridor mehr vorliegt. Dies sollte überprüft werden, indem bei gezogenem Tracheotubus die Tracheotomiewunde zugehalten wird (Video 3). Nach 10 Tagen werden die Hauthefte der Laryngotomiewunde gezogen. Die Tracheotomiewunde schließt sich von alleine, bedarf bis zum endgültigem Verschluss aber noch regelmäßiger Säuberung (Bild 10).
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Videosequenz, 15 Sek., 5,3 MB, MP4
Video 3: Kalb aus Video 1. Zustand 1 Woche nach Laryngotomie; Tracheotubus wurde entfernt.
Bild 10: Kalb 2 Wochen nach Laryngotomie. Komplikationslose Verheilung der Laryngotomie- und Tracheotomiewunde.
Bronchopneumonien können postoperativ durch Aspiration von infiziertem Wundexsudat der Tracheotomie- bzw. Laryngotomiewunde entstehen. Weiterhin wird durch den Tracheotubus die natürliche Barrierefunktion des Nasen- und Rachenraumes umgangen, so dass Staub- und Schmutzpartikel direkt in die Lunge gelangen können.
Wundheilungsstörungen können postoperativ im Bereich der resezierten Areale auftreten. Durch diese Pforte können Erreger weiterhin eindringen und die Entzündung und Schwellung des Kehlkopfes aufrechterhalten. Dies äußert sich klinisch in einem rezidivierenden oder anhaltenden laryngealen Stridor. Bei der lokalen Untersuchung des Kehlkopfes stellt sich dieser ödematös geschwollen dar, während die Wundheilungsstörung selbst meist nur schwierig zu erkennen ist.
Bild 11: Kalb post mortem vier Wochen nach Laryngotomie. Kaudoventrale Ansicht des eröffneten Kehlkopfes. Im Dorsalbereich des linken Stellknorpels nicht abgeheilte Resektionswunde.
Eine Hyperplasie des Granulationsgewebes kann sich ebenfalls in Bereich der resezierten Areale entwickeln. Diese Zubildungen verengen das Kehlkopflumen und verursachen einen laryngealen Stridor. Sie können meist durch eine lokale Untersuchung des Kehlkopfes diagnostiziert werden.
Durch Einengung des Kehlkopflumens und die dadurch forcierte Inspiration kann ein Trachealkollaps entstehen. Postoperativ ist die Prädilektionsstelle hierfür der Bereich der ehemaligen Tracheotomiewunde. Klinisch zeigen diese Tiere einen laryngealen bis trachealen Stridor. Eine definitive Diagnose kann nur im Rahmen einer endoskopischen Untersuchung gestellt werden. Die Prognose ist meist infaust.
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Videosequenz, 23 Sek., 4,5 MB, MP4
Video 4: Endoskopische Untersuchung der Trachea eines Kalbes vier Wochen nach Laryngotomie. Verengung der Trachea (physiologisch wäre eine runde Form) im Bereich der ehemaligen Tracheotomiewunde.
Bild 12: Kalb aus Video 4 post mortem vier Wochen nach Laryngotomie. Verengung der Trachea im Bereich der ehemaligen Tracheotomiewunde.
Alle Fotos und Videos: M. Heppelmann (Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover) und Alexander Starke (Universität Leipzig)