Das Wichtigste in Kürze
Die Inhalationsanästhesie wird beim Kalb wegen des hohen apparativen Aufwandes in der Nutztierpraxis nur selten zur Anwendung kommen und eher in gut ausgestatteten Kliniken genutzt.
Zur Narkoseeinleitung werden vor der Inhalationsanästhesie i. d. Regel Xylazin und Ketamin verabreicht. Die Aufrechterhaltung der Anästhesie erfolgt dann mittels Isofluran per inhalationem. Da Isofluran einen hypnotischen,
aber keinen analgetischen Effekt besitzt, ist bei schmerzhaften Eingriffen
die zusätzliche Verabreichung eines Schmerzmittels notwendig.
Vorteile der Inhalationsanästhesie sind die gute Steuerbarkeit der Narkosetiefe und die gute relaxierende Wirkung, insbesondere bei viszeralen Eingriffen. Als Nachteil gegenüber einer reinen Injektionsanästhesie muss in der Nutztierpraxis der relativ hohe apparative Aufwand gewertet werden. |
Es sollten immer folgende 5 Vorgaben (Association of Veterinary Anaesthesists, Barcelona 2008) beachtet werden, und sicherzustellen, dass sie im Ernstfall auch eingesetzt werden können:
1. Sicherung der Atemwege (Intubation),
2. Möglichkeit zur Verabreichung von Sauerstoff (Flasche mit medizinischem Sauerstoff)
3. Möglichkeit zur (manuell) kontrollierten Beatmung (Ambu Beutel)
4. Sicherung eines intravenösen Zugangs (Ohrvene)
5. Möglichkeit zur kardiopulmonalen Wiederbelebung (Adrenalin und Doxapram)
Bei allen Patienten, aber besonders bei bereits wiederkauenden Rindern (Gasbildung im Pansen), sollte - wo möglich - zur Verminderung des Risikos von Regurgitieren eine min. 12-stündige Nahrungskarenz eingehalten werden.
Vor Beginn des Eingriffs muss ein Schmerzmittel verabreicht werden, denn Isofluran besitzt
keinen analgetischen sondern nur einen hypnotischen und relaxierenden Effekt. Dies bedeutet, dass
Tiere zwar keine Schmerzen wahrnehmen, die Nozizeption (mit dazu gehörigen
vegetativen Reaktionen) jedoch nicht verhindert
wird.
Verwendet werden können je nach Indikation Metamizol (schmerzhafte Eingriffe, 40 mg/kg), Meloxicam (Enthornung, 0,5 mg/kg), Ketoprofen (orthopädische Erkrankungen, 3 mg/kg), Flunixin (orthopädische Erkrankungen, 1 - 2 mg/kg).
Maßgeblich sind
die aktuelle Gesetzeslage und die in der Begleitinformation genanntenbIndikationen des Präparates,
für die eine Zulassung besteht.
Die Kombination beider Präparate bietet den Vorteil, dass Nebeneffekte auf
das Kreislaufsystem teilweise kompensiert werden.
Xylazin führ zwar initial zu einem Blutdruckanstieg, dann aber zu einem längeren
Blutdruckabfall durch Vasodilatation. Außerdem wirkt es atemdepressiv. Ketamin
wirkt blutdruck- und herzfrequenzsteigernd.
Dosierung:
Xylazin: 0,2 mg/kg (entspricht bei 2%iger Lösung 0,1
ml/10kg) i.m.
Ketamin: 2,0 mg/kg (entspricht bei 10%iger Lösung 0,2 ml/10kg) i.v.
Sinnvoll ist es, Xylazin zunächst intramuskulär zu verabreichen und nach
Eintritt des sedativen Effekts (ca. 5 - 10 Minuten) über einen venösen Zugang Ketamin intravenös zu verabreichen. Die beiden Präparate können für
Nachdosierungen auch in einer Mischspritze verabreicht werden.
Bei im Allgemeinbefinden stark gestörten Patienten sollte mit geringerer Dosierung eingeleitet werden.
Alternativ kann die Einleitung auch mittels Isofluran über eine Atemmaske erfolgen.
Da die Halbwertzeit von Ketamin bei Rindern sehr gering ist (es müsste nach ca. 10 Minuten nachdosiert werden), ist dessen Wirkung
nach der für die OP-Vorbereitung verwendeten Zeit bereits nicht mehr voll vorhanden. Deshalb nochmals der Hinweis auf die Notwendigkeit, präemptiv ein geeignetes Schmerzmittel zu applizieren.
Als besonders einfach und wenig aufwendig erweist sich das Legen eines Katheters in eine der Ohrvenen (bei Operationen in Seitenlage das oben liegende Ohr verwenden).
Schematisch dargestellte Lage der Ohrvenen am Ohr eine Kalbes
Am Ohrgrund wurde ein Stauschlauch angelegt.
Nach dem Legen des Katheters wird dieser mit einer Lage Klebeband unter und dann
über dem Konus des Katheters fixiert
Tuben mit unterschiedlichen Durchmessern mit cuff zum Blocken stehen für die
endotracheale Intubation zur Verfügung.
Das Intubieren geschieht entweder unter Sichtkontrolle und unter Verwendung eines langen Spatels oder 'blind'
am bereits abgelegten Tier.
Diese Methode ist sicher und kann auch bei Tieren mit sehr flacher Atmung durchgeführt werden. Mittels eines Spatels werden Zungengrund und Epiglottis nach unten gedrückt. Dann kann entweder der Tubus direkt durch die Stimmritze in die Trachea eingeführt werden, oder es wird zunächst ein Führungsmandrin eingelegt und über diesen dann der Tubus eingefädelt und dann der Führungsmandrin wieder entfernt (bessere Übersichtlichkeit).
Dabei wird der Kopf des Kalbes etwas überstreckt, und der Tubus mit der Biegung nach ventral bis kurz vor die Stimmritze vorgeführt.
Die richtige Lage ist an einem pfeifenden Geräusch an der Tubusöffnung erkennbar. Dann greift man mit einer Hand von außen den Kehlkopf, beobachtet den Atemrhythmus und schiebt dann zu Beginn der Inspiration den Tubus vor. Der richtige Sitz des Tubus kann daran erkannt werden, dass entweder der Tubus innen beschlägt, vor die Tubusöffnung gehaltene Härchen sich bewegen oder sich der Atembeutel atemsynchron bewegt, wenn das Y-Stück des Kreissystems angeschlossen wird.
Lebendmasse (kg LM) |
Tubusgrösse (Innendurchmesser) |
---|---|
50 – 80 | 8 – 10 |
80 – 150 | 11 – 14 |
150 – 200 | 16 |
200 – 250 | 18 |
250 – 350 | 20 |
350 – 500 | 22-26 |
ab 500 | 30 |
Isofluran wird über einen Verdampfer und mit medizinischem Sauerstoff als Trägergas in das Kreissystem eingeleitet.
In der Nutztiermedizin werden zwei verschiedene Arten von halb-geschlossenen
Systemen eingesetzt:
Schemata: M. Metzner
Im ersten Typ (z.B.: Stephens) liegt der Verdampfer direkt im Kreislauf. Vorteil: rasche Veränderung der Konzentration des Narkotikums im Kreissystem, geringerer Isofluranverbrauch, weniger Flüssigkeitsverlust über Atemluft. Nachteil: ungenaue Einstellung (abhängig von Patientenparametern wie Atemlufttemperatur und Atemluftfeuchte).
Im zweiten Typ (z.B.: Draeger Sulla) liegt der Verdampfer im Sauerstoff-Zuluftbereich. Vorteil: genauere Steuerung der Konzentration des Narkotikums, Nachteil: Trägheit bei der Steuerung (kann aber durch Erhöhung des flows kompensiert werden), höherer Verlust an Flüssigkeit.
Einstellung am Verdampfer: Einleitung: bis zu 5%, Erhaltung der Anästhesie: 1,2 – 1,8 Vol% (entspricht ETIso zwischen 1,2%-1,6%).
Mindestens 10 ml/kg/min, Standard sollte 20 - 40 ml/kg/min sein, sehr junge
Tiere haben einen höheren Bedarf). Wenn das Kreissystem nicht vorgeflutet wurde,
sollte initial ein höherer flow gewählt werden (Volumenüberschuss entweicht über
Überdruckventil und damit auch nicht genutztes Isofluran).
(Die Faustformel 7 ml/kg gilt nur für geschlossene Systeme in der Humanmedizin.
Bei halb geschlossenen Systemen entweicht jedoch beständig Gas über das
Überdruckventil.)
Das über das Überdruckventil entweichende Narkosegas muss entweder über eine am Ventil angeschlossenen Absauganlage aus dem OP-Bereich entfernt werden oder es muss ein spezieller Aktivkohlefilter verwendet werden, der das Nakotikum absorbiert.
In der Nutztierpraxis dürfte die Narkose unter Spontanatmung (der Patient atmet ohne jede Unterstützung von außen) der Standard sein.
Allerdings muss dann bei Eingriffen, die länger dauern, mit einer respiratorischen
Azidose (durch eine flache Atmung) gerechnet werden.
Die assistierte (das Gerät passt sich an den Spontanatemrhythmus an) und die
kontrollierte Beatmung (das Gerät gibt alle Atemparameter vor) beruhen auf dem
Einsatz von sogenannten Ventilatoren (Beatmungsgeräten). Zur besseren Steuerung der
Beatmung sollte dann die Kapnographie (Atemgasmonitor) als
Monitoringsmöglichkeit zur Verfügung stehen. Hierauf wird an anderer Stelle eingegangen.
Die Überwachung der Narkose(tiefe) muss durch die Kombination mehrerer Überwachungsparameter erfolgen. Wie viele herangezogen werden, hängt unter Anderem von der Dauer und der Schwere des Eingriffs, dem Zustand des Patienten und der Ausstattung mit Gerätschaften ab.
Die nachfolgende Tabelle gibt Hinweise auf die wichtigsten und mit wenig Aufwand überprüfbaren Überwachungsparameter. Die Kontrolle soll während des Eingriffs min. alle 5 Minuten wiederholt werden.
Parameter | Bezug | Referenzbereich | Maßnahmen |
---|---|---|---|
Atemfrequenz | Anästhesietiefe | 20 - 50 /min (altersabhängig) |
unter 20: Verdampfer niedriger einstellen unter 5: Doxapram (5-10 mg/kg i.v.) über 50 /min: Verdampfer um 0,5 - 1% höher drehen |
Lidreflex | Anästhesietiefe | nur noch leicht bis gerade nicht mehr vorhanden |
nicht mehr auslösbar: Verdampfer niedriger einstellen voll erhalten: Verdampfer um 0,5 - 1% höher drehen |
Bulbusstellung* | Anästhesietiefe | ventral - zentral | zentral: Narkose entweder viel zu tief oder Patient kurz vor dem Aufwachen |
Corneareflex | Anästhesietiefe | erhalten | nicht vorhanden: Narkose viel zu tief, Y-Stück abkoppeln oder Verdampfer abstellen und System mit reinem Sauerstoff fluten oder evtl. mit Ambubeutel beatmen |
Schleimhautfarbe |
Sauerstoffsättigung | rosa | bläulich: Y-Stück abkoppeln oder Verdampfer abstellen und System mit reinem Sauerstoff fluten oder evtl. mit Ambubeutel beatmen |
Pulsoxymeter |
Sauerstoffsättigung | 90 - 100% | wenn unter 90%: Verdampfer abstellen und System mit reinem Sauerstoff fluten, evtl. mit Ambubeutel beatmen |
Pulsoxymeter |
Pulsfrequenz | 90 - 130/min | wenn unter 60/min: Y-Stück abkoppeln, evtl. mit Ambubeutel beatmen (Bei Herzstillstand 1 ml Suprarenin intrakardial) |
Blutdruck | Anästhesietiefe | 60 - 80 mmHg | unter 50 mmHg: Isofluranzufuhr reduzieren Infusion (3-5 ml/kg) als Bolus langsam ansteigend oder über 80 mmHg: Narkose vertiefen |
Kapnometer | CO2 Gehalt in der Ausatemluft | 35 - 60 mmHg | über 60: resp. Azidose: Narkose abflachen, ggf. assistierte Beatmung oder manuelle Betmung mit Ambubeutel |
*Die nachfolgenden Bilder zeigen, wie der Bulbus zunächst bei der Vertiefung der Narkose nach rostro-ventral, dann nach ventral zu rotieren beginnt und schließlich stark nach ventral rotiert ist.
5. Allgemeine Maßnahmen
Infusionen: Tiere ohne Störung des Allgemeinbefindens: 5 ml / kg KLM pro Stunde (Verbesserung der Hämodynamik); bei dehydrierten Tieren (wo möglich) Rehydratation vor Beginn des Eingriffs; bei Kreislaufschock während des Eingriffs: Erhöhung des Infusionsvolumens
Wärmezufuhr/Wärmeerhalt: Die Absenkung der Körpertemperatur kann Kreislauf- und Atemdepression bewirken und erhöht das Risiko für Infektionen. Wärmematten können ddas Absinken der Körpertemperatur kompensieren. Lagerung auf wärmeisolierenden Materialien (Isomatte, Luftpolsterfolie).
Augensalbe zum Anfeuchten der Hornhaut verwenden.
Am Ende des Eingriffs wird der Verdampfer auf Null zurückgestellt und nach einer Spülzeit von 1 - 2 Minuten die Sauerstoffzufuhr abgestellt und das Y-Stück vom Tubus abgekoppelt.
Der Tubus wird belassen, bis der Patient die Zunge wieder zurückziehen kann,
schluckt oder die ersten Aufstehversuche macht.
Gab es während der OP keinen Hinweis auf Regurgitation, wird dann der Tubus
entblockt und gezogen. Hat der Patient während der OP regurgitiert, wird der
Tubus ohne Entblockung vorsichtig (langsam) gezogen, damit ggf. sich hinter dem cuff angesammelte
Flüssigkeit mit herausgezogen wird.
Erste Maßnahme ist das Ausstellen des Isofluranverdampfers, dann Entleeren des Atembeutels über das Überdruckventil und anschließendes Fluten des Systems mit reinem Sauerstoff. Ggf. assistierte maschinelle Beatmung oder manuell mit dem Ambubeutel.
Weitere Maßnahmen können sein:
Doxapram (Dopram), 1 – 2 mg / kg KM i.v.
Manuelle Beatmung mittels Ambubeutel
(besser noch mit am Ambubeutel angeschlossener Flasche mit reinem Sauerstoff).
Intravenöse Verabreichung von Adrenalin, Dosierung: 0,02 mg/kg KM i.v. (bei
Herzmassage durch Kompression des Brustkorbes