W. Klee und A. Stoltenhoff
Das am 1. 1. 2002 in Kraft getretene neue Schuldrecht geht auf die Umsetzung der „RICHTLINIE 1999/44/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 25. Mai 1999 zu bestimmten Aspekten des Verbrauchsgüterkaufs und der Garantien für Verbrauchsgüter" in nationales Recht zurück. Der Gesetzgeber hat im Zuge dieser Schuldrechtsreform das bisherige so genannte Viehgewährleistungsrecht (§§ 481 ff BGB alte Fassung in Verbindung mit der Kaiserlichen Verordnung von 1899) ersatzlos gestrichen, zumindest bisher aber keine neue Sonderregelung für Tierkäufe geschaffen, was zu abstrusen Konsequenzen und Unsicherheiten geführt hat. Diese Unsicherheiten werden zum Teil erst durch Gerichtsentscheide aus der Welt geschafft werden können.
Zunächst einmal ist zwischen Verbrauchsgüterkäufen und anderen Käufen zu unterscheiden. Ein Verbrauchsgüterkauf (§§ 474 ff BGB) findet zwischen einem „Unternehmer“ und einem „Verbraucher“ statt. Kaufgegenstand beim Verbrauchsgüterkauf ist immer eine bewegliche Sache. Unternehmer ist lt. § 14 BGB jemand, der den Vertrag in Ausübung seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit abschließt. Verbraucher ist lt. § 13 BGB jeder, der den Vertrag zu einem Zweck abschließt, der nicht zu seiner gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit zählt. Es kann also auch ein „Unternehmer“ (z. B. ein Pferdehändler) selbstverständlich „Verbraucher“ sein, wenn er sich für seinen Privathaushalt einen Fernsehapparat kauft. Alle anderen Arten von Käufen sind keine Verbrauchsgüterkäufe; für sie gelten die Bestimmungen des allgemeinen Kaufrechts (§§ 433 ff BGB).
Die in das neue Schuldrecht aufgenommenen Bestimmungen führen zu einem stark verbesserten Schutz des Verbrauchers. Unter den Begriff des Verbrauchsgüterkaufs dürften in praxi vor allem Käufe von so genannten Begleittieren fallen. Diese Tiere sind rechtlich als „Sache“ zu behandeln.
Im Übrigen gilt nach den neuen Schuldrecht für alle Käufe, also auch für Verbrauchsgüterkäufe, dass die Mängelansprüche des Käufers grundsätzlich in zwei Jahren ab Lieferung/Übergabe der Kaufsache verjähren (Gewährleistungsfrist ). Bei gebrauchten Sachen kann diese Frist auf ein Jahr verkürzt werden (§ 475 Abs. 2 BGB). Diese Bestimmung führt zu der absurden Konsequenz, dass für Tiere festgelegt werden soll, ob sie als neu oder gebraucht eingestuft werden. Hierzu werden in der Literatur zwei Gerichtsentscheide zitiert, wonach neun Wochen alte Hundewelpen und lebend angelieferte Forellen als “neu“ anzusehen sind. Die Herbst-Delegiertenversammlung der Bundestierärztekammer hat am 25./26. 10. 2002 in einer Entschließung gefordert, Tiere generell nicht als „gebrauchte Sachen“ einzustufen und die Verjährungsfrist für die Verjährungsfrist für Mängelansprüche (Gewährleistungsfrist) beim Tierkauf auf sechs, maximal 12 Monate zu verringern. Die Verjährungsfrist hat auch Auswirkungen auf die Haftung von Tierärzten bei der Ankaufsuntersuchung.
Gemäß § 434 BGB ist eine Sache als mangelfrei (= fehlerfrei) anzusehen, wenn sie
1. bei Lieferung/Übergabe die vereinbarte Beschaffenheit hat
oder, wenn keine Beschaffenheit vereinbart worden ist,
2. sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet
oder
3. sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen gleicher Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten kann.
Die Erfüllung der Kriterien der ersten Stufe ist juristisch am „saubersten“. Sie erfordert möglicherweise mehr Aufwand vor dem Kauf, erspart aber mit größerer Wahrscheinlichkeit Ärger hinterher. So wird ein Pferdehändler nun ein Interesse daran haben, dass die Erwartungen eines potenziellen Kunden genau abgeklärt werden und der potenzielle Kunde alle Mängel eines Pferdes vor dem Kauf erfährt.
Tritt ein Mangel nach Vertragsschluss auf, muss der Käufer erst Nacherfüllung verlangen und dafür eine angemessene Frist setzen. Die Nacherfüllung kann nach seiner Wahl aus der Beseitigung des Mangels oder einer Ersatzlieferung bestehen. Allerdings sind manche Tiere so genannte unvertretbare Sachen, für die es keinen gleichwertigen Ersatz gibt.
Erst wenn die Nacherfüllung scheitert, weil sie
- vom Verkäufer verweigert wird oder
- ergebnislos bleibt oder
- der Sache nach ausgeschlossen ist,
kommen andere Möglichkeiten in Betracht, nämlich
- Rücktritt (§ 437 BGB) oder
- Minderung (§ 441 BGB),
wobei wiederum der Käufer die Wahl hat. Bei Lieferung einer mangelhaften Sache kann der Käufer außerdem (!) Ersatz für Schäden verlangen, die ihm durch die Mangelhaftigkeit entstehen (§§ 280, 281 BGB), sofern der Verkäufer nicht nachweist, dass er den Mangel nicht zu vertreten hat.
Grundsätzlich muss ein Käufer nachweisen, dass eine von ihm erworbene Sache mit einem Mangel behaftet ist und dass dieser Mangel zum Zeitpunkt der Lieferung/Übergabe bereits vorgelegen hat. Bei Verbrauchsgüterkäufen sieht das neue Schuldrecht aber insofern eine Umkehr der Beweislast vor, als der Verkäufer im Falle eines bis sechs Monate nach dem Kauf eingetretenen Mangels beweisen muss, dass der Mangel nicht schon bei Lieferung/Übergabe vorlag (§ 476 BGB). Diese Beweislastumkehr gilt nicht, wenn sie mit der Art der Sache oder des Mangels nicht vereinbar ist. Der Gesetzgeber hat es bisher versäumt klarzustellen, dass letzteres für den Tierkauf grundsätzlich zutrifft.
Mängelansprüche sind ausgeschlossen, wenn der Käufer bei Vertragsschluss einen Mangel kennt oder er ihm infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben ist. Was bei einem Tierkauf in diesem Zusammenhang als grobe Fahrlässigkeit anzusehen ist, kann nicht generell beantwortet werden, sondern hängt auch vom Umfang der beim Käufer vorauszusetzenden Sachkenntnis ab. ( Grobe Fahrlässigkeit: besonders schwere Verletzung der im konkreten Fall erforderlichen Sorgfalt. Beispiel: Hyperthelie bei einer Milchkuh, die von einem Landwirt gekauft wird.)
Bei arglistigem Verschweigen von Mängeln verjähren die Mängelansprüche grundsätzlich in der regelmäßigen Verjährungsfrist (3 Jahre). Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Käufer Kenntnis vom Mangel erlangt hat und endet aber spätestens 10 Jahren nach Lieferung/Übergabe. (Arglistiges Verschweigen: Verstoß gegen die Offenbarungspflicht; Verkäufer kennt den Mangel, muss annehmen, dass dem Käufer der Mangel unbekannt geblieben ist, und ist sich der Möglichkeit bewusst, dass der Käufer den Kaufvertrag bei Kenntnis des Mangels nicht abschließen würde. Beispiel: Kehlkopfpfeiferoperation bei einem Pferd.)
Für Käufe, die nicht unter das Kriterium des Verbrauchsgüterkaufs (von Unternehmer an Verbraucher) fallen, also für wohl die allermeisten Käufe von landwirtschaftlichen Nutztieren, gelten die Bestimmungen des allgemeinen Kaufrechts (§§ 433 ff BGB). Hier kann in Individualverträgen die Haftung für Mängel ausgeschlossen werden mit Ausnahme von vorsätzlichem und arglistigem Handeln. Wird der Kaufvertrag aber in Form von AGB (siehe § 305 BGB, Vorformulierte Vertragsbedingungen, die in einer Vielzahl von Fällen verwandt werden und nicht verhandelt werden), ist ein Haftungsausschluss nur beschränkt möglich. Hier kann die Verjährung für Mängelansprüche bei neuen Sachen (Gewährleistungsfrist) gegenüber einem Unternehmer mit Ausnahme des Anspruchs auf Schadensersatz auf ein Jahr reduziert und für gebrauchte Sachen ganz ausgeschlossen werden (§ 309 Nr. 8a ff BGB).
Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltende Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist (§ 90a BGB). „Die Vorschrift beruht auf dem Gedanken, dass das Tier als Mitgeschöpf nicht der Sache gleichgestellt werden dürfe. Die vorgesehene entsprechende Anwendung der für Sachen geltenden Vorschriften bringt aber gegenüber der unmittelbaren Anwendung keinerlei Änderung. Im Ergebnis ist § 90 a eine gefühlige Deklamation ohne wirklichen rechtlichen Inhalt" (Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 61. Auflage 2002, bearbeitet von Bassenge et al.).
Die genannte Vorschrift hat aber durchaus spürbare Auswirkungen auf die Rechtswirklichkeit. So ist z. B. im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegen einen Schuldner die Pfändung eines Begleittieres (Hund, Katze), dessen Halter der Schuldner ist, nicht mehr zulässig. Ebenso ist es einem Tierarzt verwehrt, ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 BGB) an einem Begleittier geltend zu machen, dessen Behandlungskosten vom Tierhalter nicht bezahlt werden oder nicht bezahlt werden können. Ein besonderes Problem kann die Quantifizierung des Wertes eines Liebhabertieres sein. Anders ist die Rechtslage in den beiden beschriebenen Fällen dann, wenn es sich um reine Nutztiere (Rind, Schwein) handelt. Diese können wie auch früher schon gepfändet werden oder es kann an ihnen ein Zurückbehaltungsrecht ausgeübt werden.
Pferd
Rind
Gesundheit
Fruchtbarkeit
Trächtigkeit
Leichtmelkigkeit
Höhe der Milchleistung
Schwein
Kleintier
Geflügel
Fische
Rind
Zur Trächtigkeitsuntersuchung beim Rind
Mit der häufigste Anlass für Schadensersatzansprüche im Rahmen tierärztlicher Tätigkeit im Fortpflanzungsgeschehen.
Mögliche Schäden: Auslösung eines Aborts (selten), Verletzung bei der rektalen Untersuchung.
Von einem durchschnittlichen Tierarzt ist in der 9. Woche bei Niederungsrassen, in der 10. Woche bei älteren DFV-Kühen eine konkrete Aussage bei einer Trächtigkeitsuntersuchung zu erwarten.
Mögliche Formulierungen der Ergebnisses einer Trächtigkeitsuntersuchung:
(Zurzeit) trächtig ("Anzeichen einer Trächtigkeit von ...Wochen"),
nicht trächtig ("keine Anzeichen einer Trächtigkeit"; diese Aussage darf nur gemacht werden, wenn in keinem der beiden Uterushörnern Hinweise auf Trächtigkeit gefunden werden),
vermutlich trächtig,
vermutlich nicht trächtig.
Die Identität der untersuchten Tiere sollte immer dokumentiert werden.
Mögliche Ursachen für falsch positive Aussagen: u. a. Verwechslung des Uterus mit der Harnblase, pathologischer Uterusinhalt (Pyometra).
Mögliche Ursachen für falsch negative Aussagen (häufiger): Selbstüberschätzung (zu frühe Untersuchung), oberflächliche Untersuchung. Falsch negative Aussagen sind fast ausnahmslos Haftpflicht begründend.
Pferd
Rind
Art des Mangels | Bedeutung | Feststellung |
Präklinische Infektion mit Mycobacterium avium subsp. paratuberculosis bei einem Zukaufstier | Einschleppung von Paratuberkulose in einen bis dahin möglicherweise freien Bestand | Schwierig. Beste Information wäre Status des Herkunftsbestandes. Sonst Untersuchung mit Hauttest,Serologie (ELISA) und Kot-PCR |
Persistierende BVDV-Infektion | Einschleppung von BVDV in einen bis dahin möglicherweise freien Bestand | Zweimalige Blutuntersuchung auf BVDV im Abstand von 4 Wochen. |
Persistierende BHV1-Infektion | Einschleppung von BHV1 in einen bis dahin möglicherweise freien Bestand | Nachweis von gE-AK |
Subklinische Mastitis | Einschleppung von spezifischen Mastitiserregern in einen bis dahin möglicherweise freien Bestand | CMT und B.U. aus Viertelgemelksproben. |
Dreistrichigkeit bei einem trocken stehenden Zukaufstier. | ||
Anomalie des Geschlechtsapparates bei einem weiblichen Jungrind (Zwicke) | Unfruchtbarkeit | |
Merkmalsträger für Weaver-Syndrom bei einem DBV-Kalb | Zunehmende Ataxie. Zuchtuntauglichkeit. | Genetische Untersuchung. |
Zungenspielen | Mangelhafte Entwicklung. Einschleppung der Untugend in einen Bestand. | Beobachtung des ungestörten Tieres vor Verbringung in den Bestand. |
Schwein
Kleintier
Geflügel
Fische
Möglichkeiten zur Altersbestimmung von Mängeln bei Tieren:
Inkubationszeiten bei Infektionskrankheiten
Entwicklungsperioden bei Parasitosen
Histologische Untersuchung
Letzte Änderung: 22. 12. 2016
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