Ketose und Lipohypermobilisationssyndrom
Acetonämie, Acetonurie; Fat cow syndrom, Fettlebersyndrom
 
W. Klee, C. Bork, G. Knubben
 
 

Das Wichtigste in Kürze
Bei der Ketose handelt es sich um eine Anhäufung von Ketonkörpern im Extrazellulärraum, entweder durch primäre Stoffwechselstörung oder durch Beeinträchtigung der Futteraufnahme infolge diverser Krankheiten. Ketose erhöht das Risiko für andere Erkrankungen. Unterschieden werden subklinische Ketose und klinische Ketose. Diagnose durch Nachweis der Ketonkörper in Blut, Milch oder Harn. Symptomatik bei klinischer Ketose: Zunehmende Inappetenz, Kot dunkel und fester als normal, ZNS-Störung (Blindheit, Pica, Tobsucht).
Beim Lipohypermobilisationssyndrom handelt es sich um einen Funktionsverlust der Leber infolge massiven Abbaus von Körperfett post partum. Häufig geht dies mit einer auffälligen Verfettung ante partum einher.

Therapie: Glukose-Infusion, Verabreichung glukoplastischer Substanzen, Zwangsfütterung. Prophylaxe: Optimierung der Fütterung, insbesondere Vermeidung der Überfütterung in der Trockenstehzeit.


 

Prüfungsstoff
 
 
Definition Diagnostik
Epidemiologie Differentialdiagnosen
Pathogenese Therapie
Klinische Erscheinungen Prophylaxe

Definition:
Bei der Ketose handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, die durch Anhäufung von Ketonkörpern (Acetoacetat, Aceton) in der extrazellulären Flüssigkeit mit entsprechender Steigerung der Ausscheidung über Milch und insbesondere Harn (dort gegenüber dem Plasma stark angereichert) gekennzeichnet ist. 3-Hydroxybutyrat (BHB) ist zwar chemisch kein Ketonkörper, wird aber im Allgemeinen bei der Besprechung der Ketose dazu gerechnet und macht bis zu 70 % der „Ketonkörper“ aus, weshalb hauptsächlich BHB zur Diagnostik der Ketose herangezogen wird. Unterschieden werden subklinische Ketose, die allein auf der Basis der Erhöhung der Konzentration von BHB im Blut definiert wird, wobei der Schwellenwert unterschiedlich angegeben wird (1,2 bis 1,4 mmol/L; Obergrenze 2,9 mmol/L), und klinische Ketose (BHB > 3,0 mmol/L). Die subklinische Ketose, auch Hyperketonämie, ist im Grunde genommen der „normale“ Zustand der Kuh während der Phase der negativen Energiebilanz (NEB), wohingegen die klinische Ketose meist Folge einer Beeinträchtigung der Futteraufnahme aufgrund einer Primärkrankheit ist.

Beim Lipohypermobilisationssyndrom handelt es sich um eine sich selbst unterhaltende und verstärkende Störung im Bereich des Energiestoffwechsels mit dem Resultat einer zunehmenden Verfettung und Funktionsstörung der Leber.

Epidemiologie:
Die Inzidenz klinischer Ketose beträgt in Hochleistungsherden etwa 5 %, bei erheblichen Fehlern in der Fütterung kann sie auch deutlich höher sein. Betroffen sind meist ältere Kühe in den ersten Wochen der Laktation. Die Inzidenz von subklinischer Ketose liegt bei etwa 43 %, abhängig vom gewählten Schwellenwert (cutoff). Naturgemäß wird sie umso höher ausfallen, je niedriger dieser Wert gesetzt wird. Je früher post partum subklinische Ketose auftritt, desto schwerwiegender sind die damit assoziierten Ereignisse (Erkrankungen [s.u.], Minderleistung, Verlängerung der Güstzeit, Risiko der Abschaffung). 
Die Inzidenz für das Lipohypermobilisationssyndrom liegt während der ersten zwei bis vier Wochen der Laktation bei 40 – 60 %.

Pathogenese:
Die Bildung von Ketonkörpern ist grundsätzlich ein physiologischer Vorgang. In einer Mangelsituation kann die Leber durch Bildung von Ketonkörpern aus freien Fettsäuren andere Gewebe (insbesondere die quergestreifte Muskulatur) mit Energie versorgen (s.u.).
Die Bildung von Ketonkörpern ist kein Alles-oder-Nichts-Vorgang, sondern es gibt ein ganzes Spektrum an Intensitäten, deren klinische Korrelate von symptomarmer ("subklinischer") Ketonämie und -urie bis zu Tobsuchtsanfällen ("Nervöse Ketose") reichen. Ketoazidose (wie etwa beim Diabetes mellitus des Menschen) tritt beim Rind selten in klinisch relevanter Ausprägung auf.
Erhöhung der Ketonkörperkonzentration im Blut kann verschiedene Ursachen haben (s. unten).

Laktose kann nur aus Glukose gebildet werden. Die Rate der Synthese von Laktose (Masse pro Zeit) bestimmt im Wesentlichen die Rate von Milchbildung. In einem Liter Milch sind 50 g Laktose, während im gesamten Extrazellulärraum einer Kuh nur etwa 100 g Glukose vorhanden sind. C-Atome aus Glukose erscheinen auch im Milchfett und im Milcheiweiß. Daher hat Glukose überragende Bedeutung für die Milchproduktion. Es ist nicht ganz korrekt, wenn oft undifferenziert von "Energiemangel" als Ursache für Ketose gesprochen wird. Das Schlüsselereignis ist Glukosemangel. Glukose wird bei ruminierenden Wiederkäuern so gut wie ausschließlich durch Glukoneogenese in der Leber bereitgestellt.

Zur Erinnerung: beim Wiederkäuer werden fast alle aufgenommenen Kohlenhydrate im Pansen zu flüchtigen Fettsäuren (FFS) abgebaut, d. h. es wird kaum „fertige“ Glukose resorbiert. Diese muss erst wieder gebildet werden. Die Gluconeogenese findet zu 65 % aus im Pansen gebildetem Propionat statt. Die wichtigste Vorstufe für Gluconeogenese aus Propionat ist Oxalacetat. Oxalacetat ist aber auch nötig, um Acetyl-CoA in den Citratzyklus (zur Energiegewinnung) einschleusen zu können. Acetyl-CoA entsteht, wenn unter Glukosemangel (z. B.in der Phase der NEB) vermehrt Lipolyse im Fettgewebe stattfindet - die dabei freigesetzten Fettsäuren werden dann im Rahmen der b-Oxidation in den Mitochondrien der Leber zu Acetyl-CoA umgesetzt. Dieses kann bei Mangel an Oxalacetat nicht in den Citratzyklus eingeschleust werden und wird stattdessen zu Ketonkörpern, hpts. BHB, umgesetzt. Werden die Kapazitäten dafür überschritten (wenn zu viele Fettsäuren mobilisiert werden), kann die Leber unverbrauchte Fettsäurereste nicht mehr zu Triglyceriden resynthetisieren und ausschleusen und „verfettet" stattdessen. Zu viele NEFA (nicht-veresterte freie Fettsäuren), Ketonkörper und Triglyceride im Blut führen dazu, dass die Kuh anfälliger wird für Infektionen, die Magen-Darm-Motorik abnimmt und somit Folgeerkrankungen entstehen können.


Das Euter ist bei der Aufnahme von Glukose aus dem Plasma weitgehend unabhängig von Insulin. Außerdem hat die Verwendung der Parameter "Einsatzleistung" und "100-Tage-Leistung" in der Rinderzucht zur Selektion von Kühen mit "aggressiven" Eutern geführt. Diese Euter nehmen sozusagen ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse der übrigen Organe Glukose zur Milchproduktion auf.

Primäre Ketose
Kühe geraten nach der Kalbung unvermeidlich in eine Phase der negativen Energiebilanz (NEB). Während die Trockensubstanzaufnahmekapazität erst zwischen der neunten und elften Woche ihren Höhepunkt erreicht, liegt die Laktationsspitze bereits um die vierte bis sechste Woche post partum. Es ist der Kuh in den ersten Wochen der Laktation also schlicht nicht möglich bedarfsdeckend Nahrung aufzunehmen. Wie oben bereits beschrieben greift der Körper daher einfach auf andere Energiequellen zu und mobilisiert hpts. Körperfett (zu geringem Anteil auch Muskeleiweiß), d. h. er wechselt von einer anabolen (Trockenstehzeit) in eine katabole (Laktation) Stoffwechsellage. Der Gehalt an Ketonkörpern im Blut steigt, die Kuh befindet sich in einer primären Ketose. Diese kann durchaus subklinisch verlaufen, der Organismus schafft es dann selbständig seinen Energiehaushalt wieder zu normalisieren. Kommen allerdings weitere Faktoren hinzu, kann sich die Situation verkomplizieren und eine zusätzliche, sekundäre Ketose entstehen.

Das Lipohypermobilisationssyndrom (auch: Fat Cow Syndrome, Fettlebersyndrom) kann als spezielle Form der primären Ketose betrachtet werden. Der wichtigste Faktor dabei ist, dass betroffene Tiere nicht mit normaler, sondern mit zu üppiger Körperkondition, sprich einem zu hohen BCS trockengestellt werden. Aus den viel zu reichlich vorhandenen Fettdepots werden bei einsetzender Laktation entsprechend viel zu viele Reserven mobilisiert, sodass die Leber überfordert wird und verfettet. Geringe bis mäßige Verfettung ist physiologisch und reversibel. Im Falle der Lipohypermobilisation wird jedoch ein Teufelskreis in Gang gesetzt: Je mehr Fett sich in der Leber ansammelt, desto mehr Leberzellen gehen zugrunde und desto größer wird das Energiedefizit, was wiederum zu weiterer Mobilisation von Fettreserven führt. Hinzu kommt, dass v. a. hohe Konzentrationen an BHB appetitmindernd wirken, was die Futteraufnahme weiter einschränkt. Ante partum verfettete Tiere neigen außerdem vermehrt zu Komplikationen im Rahmen der Kalbung, was zusätzliche Stressoren und beeinträchtigte Futteraufnahme bedeuten kann.

Sekundäre Ketose
Die Pathophysiologie der Ketose-Entstehung hierbei ist identisch zu der der primären Ketose. Grundlegender Unterschied ist, dass der sekundären Ketose immer eine Störung der Futteraufnahme mit „exogenem“ Auslöser zugrunde liegt. Reduziert sich die Futteraufnahme der Kuh, z. B. aufgrund einer Labmagenverlagerung nach der Kalbung, wird die Energielücke noch größer und die Anpassungsfähigkeit des Organismus zur Bereitstellung von Energie bzw. Glukose wird überschritten. Weitere Ereignisse und "Grundkrankheiten", welche ebenfalls zu Appetitminderung führen, sind Schwergeburt, Gebärparese, Mastitis, Endometritis und Klauenerkrankungen. Umgekehrt erhöht aber auch Ketose deutlich das Risiko für andere Krankheiten, zum Beispiel der Klauen sowie Mastitis, Endometritis und Labmagenverlagerung.

Hohe Konzentrationen an BHB im Blut korrelieren mit oxidativem Stress und apoptotischen Leberschäden, wie auch Immunsuppression und begünstigen somit Folgekrankheiten. Hypoglykämie und Ketonämie reduzieren die Pansenmotorik, was Labmagenverlagerung nach sich ziehen kann.

Eine weitere mögliche Ursache der sekundären Ketose ist, dass absolut zu wenig Futter aufgenommen wird. Das kann der Fall sein, wenn zu selten Futter vorgelegt wird, der Stall überbelegt ist, oder rangniedere Kühe vom Futtertisch verdrängt werden.
Vor allem bei Hochleistungskühen sind die Ansprüche an eine korrekte Gestaltung der Ration extrem hoch und erfordern ein enormes Maß an Fachkenntnis. Es kommt daher auch vor, dass die Ration in ihrer Zusammensetzung schlichtweg nicht bedarfsdeckend ist.

Außerdem kann die Ration an sich ketogen sein. In manchen Silagen, insbesondere in nassen und nicht korrekt gegorenen, wird statt Milchsäure Buttersäure in größeren Massen gebildet. Buttersäure wird vom Pansen resorbiert und in der Wand zu ß-Hydroxybutyrat umgewandelt, das im Blut erscheint und auch über Milch und Harn ausgeschieden werden kann, wenn die Verwertungsmöglichkeiten überschritten sind. Diese Form der Ketonämie ist an sich relativ unproblematisch, weil sie weder mit Hypoglykämie noch mit Störung der Leberfunktion verbunden ist. Da Silagen mit hohem Buttersäureanteil nicht optimal aufgenommen werden, besteht jedoch die Gefahr, dass sich die Situation kompliziert. Auch hohe Anteile leicht verdaulicher Kohlenhydrate können ketogen wirken.

Zusammenhang mit Insulinresistenz
Nach Einsetzen der Laktation kann bei Kühen eine natürliche Resistenz der Körperzellen gegen Insulin festgestellt werden (verminderte Antwort eigentlich sensibler Gewebe, bei normalem Insulinspiegel). Diese dient dazu, die Aufnahme von Glukose in die Milchdrüse zu priorisieren, um die Milchbildung in einer eigentlich katabolen Stoffwechsellage zu gewährleisten (zur Versorgung des Kalbes). Die Ausprägung der Insulin-Resistenz ist dabei stark abhängig von der Genetik (Rasse, Milchleistung) und dementsprechend bei Hochleistungskühen (v. a. HF) besonders intensiv. Auch oxidativer Stress durch die hohen Gehalte an NEFA und Ketonkörpern im Blut soll die Signaltransduktion von Insulin behindern. Die Entstehung einer Ketose wird durch die resistenzbedingte, verminderte Aufnahme von Glukose in Körperzellen begünstigt.

Klinische Erscheinungen (bei klinischer Ketose):
Nachlassen der Milchleistung und der Fresslust, wobei meist zuerst die Aufnahme von Kraftfutter verweigert wird. Der Kot wird fester und dunkler als normal und ist mit einer Schleimschicht überzogen. Harn, Ausatemluft und Milch enthalten Ketonkörper, die von manchen Menschen gerochen werden können. Im weiteren Verlauf verlieren die Tiere rasch an Körpermasse. Der Verlust von mehr als einem BCS-Punkt in der Frühlaktation gilt als Warnsignal für Lipohypermobilisationssyndrom. Eine gewisse Dynamik des Ernährungszustandes (abhängig von Futteraufnahme, BCS bzw. Ausmaß der Fettdepots, Milchleistung/ Energieverbrauch) im Verlauf des Reproduktionszyklus ist physiologisch und kann auch bei Wildtieren nachgewiesen werden.

Symptome von Seiten des ZNS können auftreten: Blindheit, anhaltendes, "geistesabwesendes" Belecken der Umgebung, Nachhandparese oder „wackeliger“ Gang. Bei besonders schwerer Form Krämpfe, Speicheln, Tobsuchtsanfälle. Bei hochgradiger Verfettung der Leber zunehmende Beeinträchtigung der Anteilnahme an der Umgebung ("Leberkoma"), Festliegen (dabei keine Reaktion oder gar deutliche Verschlechterung des Allgemeinbefindens nach Kalziuminfusion). Spontanheilungen sind, je nach Schweregrad, möglich.

Zusätzlich Symptome möglicher Begleiterkrankungen.


Subklinische Ketose kann definitionsgemäß nur durch Nachweis von Ketonkörpern in Harn, Milch oder Blut erfasst werden. Gleichzeitig ist häufig die Glukose erniedrigt. In der Milch kann ein erhöhter Fett-Eiweiss-Quotien (FEQ) vorliegen. Bei erhöhter Mobilisation von Fettsäuren gelangen mehr davon in die Milchdrüse, wodurch auch mehr gesättigte Fettsäuren in die Milch übergehen. Der Proteingehalt der Milch ist abhängig von Energie- und Proteingehalt des Futters: Nur, wenn ausreichend Energie vorhanden ist können die Mikroorganismen im Pansen Stickstoff aus dem Futter für Proteinsynthese nutzen.
Sowohl subklinische als auch klinische Ketose führen zu einer verminderten Reproduktionsleistung (bei klinischer Ketose z.B . bis zu 10 % weniger Erfolge bei der folgenden Erstbesamung, schwächere Brunst), sowie einer höheren Anfälligkeit für typische peripartale Erkrankungen.

Klinische Erscheinungen (bei klinischer Ketose):
Nachlassen der Milchleistung und der Fresslust, wobei meist zuerst die Aufnahme von Kraftfutter verweigert wird. Der Kot wird fester und dunkler als normal. Harn, Ausatemluft und Milch enthalten Ketonkörper, die von manchen Menschen gerochen werden können. Im weiteren Verlauf verlieren die Tiere rasch an Körpermasse. Symptome von seiten des ZNS können auftreten: Blindheit, anhaltendes , "geistesabwesendes" Belecken der Umgebung, Speicheln, Tobsuchtsanfälle, Nachhandparese. Spontanheilungen sind möglich.

Subklinische Ketose kann definitionsgemäß nur durch Nachweis von Ketonkörpern in Harn, Milch oder Blut erfasst werden.

Diagnostik:
Vorbericht, klinische Untersuchung, Nachweis von Ketonurie. Die Intensität der Ausscheidung von Ketonkörpern kann auf einfache Weise grob quantifiziert werden (s. ROTHERA-Test im Glossar). Teststicks zur Untersuchung von Harn weisen Acetoacetat nach (s. Untersuchung von Harn im Laborskript). Die Konzentration von BHB kann in Milch mit Teststreifen semiquantitativ bestimmt werden. Zur Messung der BHB-Konzentration (s. Laborskript) im Blut gibt es kleine ("handheld") Geräte aus der Humanmedizin. Zur Bestimmung des Glukosegehaltes im Blut können ebenfalls Geräte aus der Humanmedizin (Glukometer) genutzt werden. Die Diagnose „Ketose“ lässt sich aber durch die beschriebenen einfachen Methoden hinreichend sicher stellen. Goldstandard zum Nachweis von subklinischer Ketose ist die Messung der BHB-Konzentration im Blut. Diese Methode eignet sich jedoch nicht für ein Herdenmonitoring, weshalb vielfach daran gearbeitet wird mittels Infrarotspektroskopie im Rahmen der Milchleistungsprüfung BHB und NEFA (nicht veresterte freie Fettsäuren) regelmäßig zu erfassen, um betroffene Tiere frühzeitig behandeln zu können und damit den hohen ökonomischen Verlusten entgegenzuwirken.
Der genaue Grad der Leberverfettung kann bisher nur anhand einer (perkutanen) Leberbiopsie festgestellt werden.

Differentialdiagnosen:
Nach auslösenden Krankheiten (insbesondere Labmagenverlagerung) ist zu fahnden (primäre oder sekundäre Ketose?).
Bei chronischem Verlauf, der im Wesentlichen durch Abmagerung gekennzeichnet ist, kommt naturgemäß eine größere Zahl von anderen Krankheiten in Frage.
Bei zentralnervöser Symptomatik ist auch an Bleivergiftung, Tetanie, Tollwut und Listeriose zu denken.
Lipohypermobilisationssyndrom kann sich ähnlich darstellen wie schwere Mastitis, Hypokalzämie oder durchgebrochene Labmagenulzera.

Therapie (bei klinischer Ketose):
Infusion von Glukose. Die weit verbreitete Injektion von Glukokortikoiden ist meist wirksam, zumindest vorübergehend. Sie bewirkt Steigerung der Glukoneogenese, Verminderung der Glukoseutilisation, vor allem aber Reduktion der Milchleistung. Die Problematik der Immunsuppression ist zu beachten. Auch aufgrund der möglichen lipolytischen Wirkung ist der Einsatz teilweise umstritten.
Orale Verabreichung von so genannten glukoplastischen Substanzen (mögliche Ausgangssubstanzen für die Glukoneogenese), z. B. Propylenglykol oder Natriumpropionat. Bei der Dosierung von Natriumpropionat ist zu beachten, dass nach der Verstoffwechselung von Propionat vorübergehend Alkalose entsteht. (Je nach "Glaubensrichtung" beruht sie auf einer Erhöhung der Differenz der Konzentrationen starker Ionen oder auf der Erhöhung der Konzentration von HCO3.) Vitamin B-Komplex soll die Fresslust steigern, Vit-E-Selen kann als „Leberschutz“ eingesetzt werden.
Bei Lipohypermobilisationssyndrom Mortalität von bis zu 25 %. Nur in frühen Stadien ist die Verfettung der Leber noch reversibel. Versuchsweise Glukose-Dauertropf, Eingabe z. B. von Propylenglykol (300-600 mL/Tag) und Pansensaft per Sonde.
Auslösende/unterhaltende Primärerkrankung behandeln.
Bewegung fördert die Verstoffwechselung von Ketonkörpern. Erfahrungsgemäß ist ein deutliches Absinken der Milchleistung zu Beginn der Erkrankung ein prognostisch günstiges Zeichen.

Bei subklinischer Ketose hängt das wirtschaftlichste Vorgehen (abgesehen von Korrektur etwaiger erkennbarer Fehler in der Fütterung) von der Inzidenz ab. Glukose-Vorstufen wie Propylenglykol können in Risiko-Herden oral etwa eine Woche vor bis zwei Wochen nach der Kalbung zugefüttert werden; bei deutlich niedrigerer Inzidenz soll Testung und individuelle orale Behandlung die ökonomischere Variante sein.

Prophylaxe:
Um ein Lipohypermobilisationssyndrom zu verhindern, sollten Kühe mit einem BCS von 3,25 bis 3,5 trockengestellt werden und diesen bis zu Kalbung halten (s. body condition score im Glossar).
Außerdem Stress durch Umweltfaktoren reduzieren und Bewegung fördern.
Korrekte Gestaltung der Fütterung. Es ist aus praktischen und didaktischen Gründen sinnvoll, zur Überprüfung der Fütterung gedanklich mindestens drei Rationen zu unterscheiden.
Die erste Ration steht auf dem Papier und ist oft nicht mehr als eine Absichtserklärung der Betriebsleitung. Besser als auf dem Papier sieht eine Ration sehr selten aus. Mit Hilfe von inzwischen recht einfach zu bedienenden und leistungsfähigen Computerprogrammen kann eine Ration überprüft und nötigenfalls optimiert werden. Kriterien sind:
- Deckung des Bedarfs an Energie und allen Nährstoffen, aber keine Überfütterung ante partum. Gegebenenfalls Ersatz eines Teils der Ration durch gehäckseltes Weizenstroh (senkt den Energiegehalt und kann schwer von den Kühen aussortiert werden).
- Wiederkäuergerechtheit (ausreichender Anteil an strukturierter Rohfaser)
Die zweite Ration ist das, was die Kühe im Futtertrog vorfinden. Dazu gehört zum einen die Qualität der vorhandenen Futtermittel, zum andern die Fütterungstechnik ("feedbunk management"). Kriterien sind:
- Anschnitt der Silagen
- Verweildauer von Silageblöcken im Stall
- Reihenfolge der Verabreichung der einzelnen Futtermittel
- Bei TMR: Erhalt der Struktur oder "Vermusung"? (ggf. Prüfung mit 3 Sieben)
- Aussehen des Troges (schmierige, übelriechende Beläge und/oder harte Unebenheiten?)
- Menge und Aussehen des übriggelassenen Futters
- Zahl, Anordnung, Sauberkeit und Funktionstüchtigkeit der Tränken sowie ggf. der Kraftfutterautomaten
- Anteil der in Ruhephasen wiederkäuenden Kühe (Soll: > 50 %)
- Farbe und Struktur der Fäzes
Die dritte Ration schließlich ist das, was den Tieren für Erhaltung und Leistung zur Verfügung steht, und wird am besten auch daran geprüft. Kriterien sind:
- Verlauf der Laktationskurve
- Milchinhaltsstoffe (Eiweißkonzentration, Fett/Eiweiß-Quotient, Harnstoffkonzentration)
- Dynamik des Ernährungszustandes im Verlauf der Laktation (s. "body condition score" im Glossar).
Ziel der Maßnahmen im Bereich der Fütterung ist es, bei Ausschöpfung des genetisch bedingten Leistungspotentials die Diskrepanz zwischen Nährstoffbedarf und -aufnahme so gering wie möglich zu halten. Dazu muss die Ration eine gewisse Energiedichte aufweisen (Grundfutterqualität!), und es muss alles vermieden werden, was Kühe in der Phase der negativen Energiebilanz daran hindert, die maximale Masse an Trockensubstanz aufzunehmen. Wenn es die Infrastruktur eines Betriebes erlaubt, kann es sinnvoll sein, die Erstlaktierenden im ersten Monat der Laktation separat aufzustallen, da sie dann nicht durch ältere Kühe bedrängt werden.
Monensin ist, in Form eines intraruminalen Systems mit kontinuierlicher Freigabe zur "Senkung der Häufigkeit von Ketosen bei Milchkühen in der peripartalen Phase", zugelassen und auf dem Markt. Es verändert die Fermentation im Pansen, mit dem Ergebnis der Erhöhung des Anteils von Propionsäure, die als C3-Körper in der Gluconeogenese verwendet werden kann. Das Präparat wird 3-4 Wochen vor der Kalbung in den Pansen eingegeben. Es führt nachweislich zu verringerten BHB-Konzentrationen im Blut, verbesserter Leberfunktion, insgesamt optimiertem Energiehaushalt und weniger peripartalen Erkrankungen (Ketose, Mastitis, Labmagenverlagerung).

PubMed
 
 


 


Letzte Änderung: 28. 04. 2024


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