Gebärparese
Hypokalzämie engl.: parturient paresis
(Die Bezeichnungen "Milchfieber", engl. "Milk fever", sollten nicht mehr verwendet werden, weil sie sachlich falsch und irreführend sind.)

 
W. Klee, C. Bork, G. Knubben
 
 

Das Wichtigste in Kürze

Störung der Ca-Homöostase: Entstehung einer Hypokalzämie durch Steigerung des Ca-Abflusses mit Beginn der Laktation und relative Insuffizienz der Gegenregulation über DHCC (Calcitriol, Dihydroxycholecalciferol) und PTH (Parathormon). Die Reaktion seitens der Zielorgane auf DHCC und PTH ist reduziert. Mit zunehmender Laktationszahl sinkende Effizienz der intestinalen Ca-Absorption und der Ca-Mobilisation aus den Knochen. Durch Hypokalzämie vor allem fortschreitende Beeinträchtigung der neuromuskulären Funktionen bis zur schlaffen Lähmung. Klinischer Verlauf in drei Phasen: Anfangs Hyperästhesie mit Muskelzittern, dann kühle Körperoberfläche und Festliegen in Brustlage mit eingeschlagenem Kopf, zuletzt Festliegen in Seitenlage mit zunehmender Bewusstseinstrübung, Tod. Die Diagnose erfolgt anhand der klinischen Symptomatik. Differentialdiagnosen: Septischer Schock (Mastitis), Trauma, Pansenazidose (D-Laktat-Azidose), Botulismus. Therapie: Je nach Schweregrad subkutane und orale Ca-Applikation oder langsame intravenöse Infusion z. B. von Ca-Glukonat. Prophylaxe hauptsächlich über die Gestaltung der Ration in der Trockenstehphase. Vitamin D3-Gaben und orale Verabreichung von Ca-Salzen werden praktiziert.


 

 

 Prüfungsstoff
 
 
Ätiologie und Pathogenese Diagnostik
Pathophysiologie Differentialdiagnosen
Epidemiologie und Bedeutung Labor
Klinische Erscheinungen Therapie
Prophylaxe

Ätiologie und Pathogenese:
Hypokalzämie auf der Basis einer verzögerten Anpassung der Ca-Homöostase an plötzlich stark erhöhten Bedarf (KEIN absoluter Mangel an Ca!). Mit Beginn der Laktation setzt eine gewaltige Steigerung des Ca-Abflusses ein: 10 L Kolostrum enthalten 23 g Ca im Vergleich zu etwa 16 g in der gesamten Extrazellulärflüssigkeit (650 kg Körpermasse * 0,25 L/kg EZR * 2,5 mmol/L Kalziumkonzentration = 400 mmol = 16 g) und 4-5 g im Plasma (650 kg KM * 0,07 L/kg Plasmaanteil * 2,5 mmol/L Kalziumkonzentration = 115 mmol = 4,6 g).
Während dieser Zeit der Adaptation kommt es bei fast allen Kühen zu einer mehr oder weniger ausgeprägten Hypokalzämie, bei multiparen Kühen ist sie meist stärker. Die Zucht auf hohe Einsatzleistung verstärkt diese Problematik.
Mechanismen der Gegenregulation (Ausschüttung von PTH aus Nebenschilddrüse: aktiviert Ca-Resorption aus Knochen, dieses reguliert Hydroxylierung von Calcidiol in der Niere zu aktivem Calcitriol -> das wiederum fördert Resorption von Ca aus dem Darm und hemmt renale Exkretion; PTH erhöht auch Ausscheidung von Phosphat) benötigen 24 bis 48 h bis zur Wirkung. Der anhaltende Abfluss über Milch kann selbst bei Reduktion der Milchleistung so groß sein, dass das Tier stirbt (zumal die Nahrungsaufnahme reduziert ist oder sistiert).

Hypothesen zur Pathogenese:
Verminderung der Reaktion auf DHCC und PTH seitens der Zielorgane (Knochen, Darm, Niere). Die Ansprechbarkeit von Geweben (v. a. Niere, Knochen) auf PTH soll vom Säure-Basen-Status des Organismus abhängen. Sie ist bei leicht alkalotischer Stoffwechsellage, wie sie durch hohe Aufnahme von Kationen (vor allem K und Na) in der Trockenstehphase bei üblichen Rationen fast nicht zu vermeiden ist, vermindert. Auch Hypomagnesämie wird eine Rolle bei der Entwicklung von Hypokalzämie zugesprochen (s. Tetanie).
Die Effizienz der intestinalen Ca-Absorption sinkt mit zunehmender Laktationszahl (Zahl der intestinalen DHCC-Rezeptoren sinkt). Effizienz der Ca-Mobilisierung aus Knochen sinkt ebenfalls. Bei mehr als 100 g Ca pro Tag in der Trockenstehration kann der Bedarf fast allein durch passive Absorption von Ca aus dem Darminhalt gedeckt werden, was dazu führt, dass die Mechanismen der aktiven Absorption unterdrückt werden (verminderte Expression von Rezeptoren/Transportern bei hohem Ca-Angebot) und daher zum Zeitpunkt der Kalbung "ungeübt" sind. Aktivierung kann einige Tage dauern.

Epithelzellen im GIT haben eine vergleichsweise kurze Lebensdauer von wenigen Tagen, ihre Fähigkeit zur Absorption von Ca wird ganz zu Beginn einmalig „festgelegt“. Eine Anpassung der Ca-Aufnahme kann also erst mit der nächsten Generation Epithelzellen stattfinden. Tubulusepithelzellen der Niere werden nur alle paar Monate erneuert, weshalb bei diesen eine permanente Fähigkeit zur Anpassung ihrer Absorptionskraft nötig ist. Die Anpassung der renalen Exkretion und Reabsorption ist daher das am schnellsten wirksame Werkzeug der Calciumhomöstase. Zudem ist der Anteil schnell verfügbaren Ca aus dem Knochen sehr gering. In einen katabolen Stoffwechsel geht Knochen erst über, wenn die anderen Regulationsmechanismen insuffizient sind.

Bei Aufnahme von weniger als 20 g Ca pro Tag mit dem Futter in den letzten Wochen a. p. werden die Regulationsmechanismen "trainiert" (Frühzeitiges Anregen der PTH-Sekretion, dadurch Freisetzung von Ca aus Knochen. Gleichzeitige Aktivierung von Vitamin D führt zu verstärkter Resorption aus dem GIT). Solch eine geringe Ca-Zufuhr ist aber über wiederkäuergerechte Rationen kaum zu erreichen (hohe Kalziumgehalte im Grundfutter). Post partum ist hohe Ca-Zufuhr notwendig. Vor der Kalbung ist die passive, parazelluläre Resorption von Ca aus dem GIT völlig ausreichend. Nach der Kalbung induziert Calcitriol die Bildung von zusätzlichen Kalziumkanälen und - bindungsproteinen für aktive Resorption. Wie oben bereits beschrieben, dauert dieser Vorgang aber einige Tage.

Pathophysiologie:
Hypokalzämie beeinträchtigt unter anderem Fresslust, Aufmerksamkeit, Bewegungsfähigkeit, Motorik der glatten Muskulatur, insbesondere des Pansens, sowie des Herzens und des Zwerchfells, Speichelproduktion und nasale Sekretion. Im Bereich der neuromuskulären Funktionen hat Kalzium entscheidende Bedeutung. Zum einen ist es für die Freisetzung von Azetylcholin (Exozytose) an den Synapsen notwendig. Hier wirkt sich Hypokalzämie im Sinne einer fortschreitenden neuromuskulären Funktionsstörung mit schlaffer Lähmung aus. Zum anderen stabilisiert Kalzium das Membranpotential von Nerven- und Muskelzellen und bei Absinken des Kalziumspiegels kommt es zur spontanen Impulsproduktion in Nerven- und Muskelfasern, was zu Hyperästhesie und Muskelzuckungen, im extremen Fall zu Tetanie (Eklampsie) führen kann. Welche Form der Störung (schlaffe Lähmung oder Tetanie) das klinische Bild beherrscht, ist tierartlich verschieden und hängt möglicherweise von der Empfindlichkeit der Synapsen gegenüber Hypokalzämie ab. Diese ist bei Rindern anscheinend wesentlich stärker ausgeprägt als bei Hunden und Menschen. Allerdings treten in der frühen Phase auch bei Rindern vorübergehend Muskelzuckungen auf. Erniedrigung des P-Spiegels (gesteigerte Exkretion von Phosphor durch PTH) und Erhöhung des Mg-Spiegels (PTH erhöht Absorption von Mg und reduziert renale Ausscheidung) können zur schlaffen Lähmung beitragen. Die Rolle von Phosphor im Komplex des peripartalen Festliegens beim Rind ist allerdings nicht völlig geklärt.

 

Epidemiologie und Bedeutung:

Auch im späteren Verlauf der Laktation, wenn die Ca-Homöostase weitgehend auf die Ca-Resorption aus dem Darm angewiesen ist, kann Hypokalzämie (auch mit Festliegen) auftreten, meist im Zusammenhang mit akuten Erkrankungen oder Östrus, bei denen die Nahrungsaufnahme deutlich reduziert ist, oder bei abrupter Futterumstellung mit veränderten Mineralstoffgehalten. In der Frühlaktation ist die Absorption von Ca aus dem MDT nicht ausreichend, ein Ausgleich durch Mobilisation von Ca aus dem Knochen ist nötig. Im späteren Verlauf übersteigt die Ca-Zufuhr über den MDT den Bedarf und der Überschuss wird genutzt, um die Knochenreserven wieder aufzufüllen. Kalziummangel mehr als drei Tage nach der Kalbung kann dann Ausdruck anderer Primärerkrankungen sein (oder subklinischer Hypokalzämie).

Klinische Form bei ca. 7 % der Milchkühe in D, subklinische (je nach Grenzwert) bei bis zu 50 % der multiparen Kühe. Wirtschaftliche Bedeutung durch Assoziation subklinischer und klinischer Hypokalzämie mit weiteren Störungen (Folgeerkrankungen wie Ret. sec., Mastitis, Ketose, Labmagenverlagerung) erhöht. Die Milchproduktion ist in einer Laktation nach Gebärparese um ca. 14 % erniedrigt.
Bei Kühen, die Gebärparese überstanden haben, ist die Inzidenz bei der nächsten Kalbung erhöht.

Die Relevanz von Prävention und Therapie klinischer Hypokalzämie ist inzwischen weitgehend bekannt, weshalb sich die Aufmerksamkeit immer mehr auf die subklinische Form richtet. Es scheint sinnvoll in den ersten Tagen post partum anstatt von Ca-Homöostase von Ca-Homeorhese zu sprechen: Anstatt eines genauen Grenzwertes für subklinische Hypokalzämie kurz nach der Kalbung, ist es wichtig, wie sich der Ca-Status in den ersten vier Tagen p. p. entwickelt. Es werden eukalzämische Kühe von dyskalzämischen unterschieden. Erstere erleben in den ersten Tagen gar keine oder nur kurzzeitige Hypokalzämie, während bei Letzteren der Ca-Spiegel entweder direkt nach der Kalbung oder innerhalb der ersten Tage danach absinkt und nicht wieder normale Level erreicht, was u. a. zu verminderter Futteraufnahme und verminderter Milchleistung führt. Für das Herdenmonitoring ist es daher relevant, dyskalzämische Kühe zu finden.

Klinische Erscheinungen:
3 Phasen:

I. Hyperästhesie, Tetanie, Trippeln, Stehen mit steil gestellten Hinterbeinen, Bewegungsunlust, Nervosität, Tachykardie, leicht erhöhte Temperatur. Muskelzittern an Hals und Gliedmaßen. Nur von kurzer Dauer, daher häufig übersehen.

II. Festliegen in Brustlage (Dauer 1-12 h), leichtes Ankonäenzittern, trockenes Flotzmaul, Kopf seitlich eingeschlagen ("autauskultatorische" Haltung), Nystagmus, Extremitäten oder gesamte Körperoberfläche kühl, Herzschlag schwach und frequent, leichte Tympanie, Rektumampulle gefüllt.

III. In besonders schweren Fällen Festliegen in Seitenlage, zunehmende Trübung des Bewusstseins bis zum Koma, deutliche Tympanie, röchelnde Atmung (Gefahr der Aspiration), Herzfrequenz deutlich erhöht, Puls nicht mehr spürbar, Tod innerhalb von wenigen Stunden.

Diagnostik:
Klinisch. Die Diagnose ist klar, sobald das Tier auf Ca-Infusion anspricht. Post mortem keine Sicherung möglich. Hilfsmittel: Ca-Test, vor allem, wenn es sich um eine Wiederholungsbehandlung handelt. Cave: Kühe mit Toxämie, z. B. im Rahmen einer septischen Mastitis, deren Erscheinungsbild dem der Hypokalzämie ähneln kann, vertragen intravenöse Ca-Infusionen schlecht.
Basis des Ca-Schnell-Tests: Ein bestimmtes Volumen Vollblut wird mit einer Masse an Gerinnungshemmer (K-EDTA) vermischt, die ausreicht, um Ca bis zu einer gewissen Grenze (meist 1,75 mmol/L = 7 mg/dL; Referenzintervall für Gesamt-Ca ist 2 - 3 mmol/L = 8 - 12 mg/dL) zu binden. Dabei wird ein bestimmter Hämatokrit vorausgesetzt. Gerinnt das Blut in einem vorgegebenen Zeitraum, wird daraus geschlossen, dass die Ca-Konzentration im Blutplasma über 1,75 mmol/L gelegen hat. Gerinnt es nicht, wird das als Hinweis auf Hypokalzämie (Ca-Plasmakonzentration unter 1,75 mmol/L) gewertet. In machen Test-Kits wird K-EDTA zunächst im Überschuss zugegeben und dann mit Ca (und Prothrombin als Reaktionsbeschleuniger) "zurücktitriert".

Um an subklinischer Hypokalzämie erkrankte bzw. dyskalzämische Tiere ausfindig zu machen, eignet sich die Testung multiparer Kühe an Tag vier nach der Kalbung, wobei ein Grenzwert von 2,2 mmol/L Gesamt-Ca angewendet werden sollte.

Neuerdings gibt es auch Geräte, mit denen es möglich ist, innerhalb von Sekunden die Konzentration von ionisiertem Kalzium in Li-Heparinat-Blut (oder Serum) zu bestimmen.
 

Differentialdiagnosen:
Septischer Schock (Mastitis, Peritonitis), Trauma (Muskelruptur, Fraktur), Pansenazidose, Botulismus

Labor:
Allgemein wird ab Ca-Konzentrationen von < 2 mmol/L von Kalziummangel gesprochen. Klinische Erscheinungen können bei Werten unter 1,75 mmol/l Gesamt-Ca auftreten. Manche Tiere stehen noch bei 1,25 mmol/l, in Phase III kann Ca auf 0,5 mmol/l absinken. Von biologischer Bedeutung ist allein die ionisierte Fraktion, die üblicherweise etwa 50 % des Gesamt-Ca ausmacht. Sie kann mittels elektronenselektiver Elektroden bestimmt werden. Das ist allerdings im Vergleich zur Bestimmung des Gesamt-Ca teuer und aufwendig und bringt keinen nennenswerten Vorteil.

Therapie:
In Seitenlage liegende Kühe aufrichten, falls möglich. Tiere auch in Phase I sofort behandeln, hier orale Supplementation i. d. R. ausreichend. Von intravenöser Ca-Infusion bei noch stehenden Tieren wird in neueren Studien abgeraten. Sie kann zu Hyperkalzämie führen, welche dann der Sekretion von PTH entgegenwirkt und somit die körpereigenen Regulationsmechanismen beeinträchtigt (gleiches gilt für Festliegen aufgrund anderer Ursachen als Hypokalzämie). Rezidive innerhalb der folgenden 24 h sind dann deutlich häufiger („Überregulation“ zurück in die Hypokalzämie). Die Applikation von Ca-Boli hingegen führt zu moderatem Anstieg der Ca-Konzentration, Rezidive treten kaum auf.

Intravenöse Infusion von Ca-Salz, vorzugsweise Ca-Glukonat (in Phase I ggf. s. c.) in Phase II und III unumgänglich. Für das früher häufig verwendete CaCl2, das bei paravenöser Infusion zu umfangreichen Gewebsnekrosen führen kann, gibt es keine medizinische Indikation mehr. Daher hat eine Tierärztin/ein Tierarzt dadurch ggf. verursachte Schäden zu vertreten.

Dosierung: Die Dosierung wird meist mit etwa 15 - 20 mg Ca pro kg Lebendmasse angegeben, was in etwa 1 mL der handelsüblichen 24 %igen Ca-Glukonatlösung pro kg LM entspricht. Die Dosis sollte aber individuell angepasst werden (s. u.).
Infusionsrate nach Wirkung und unter Herzkontrolle. Infusionsdauer mindestens 10 Minuten (langsam!). Nicht selten kommt es ca. 12-18 h nach der Ca-Infusion zu einer „rebound“-Hypokalzämie. Um das zu verhindern, kann entweder nach acht Stunden eine zusätzliche, subkutane Ca-Infusion erfolgen, oder ein oraler Ca-Bolus gegeben werden, sobald die Kuh wieder schlucken kann und nochmal weitere 12 h später.

Normale Reaktion auf Ca-Infusion: HF sinkt, Aufmerksamkeit steigt, Flotzmaul wird feucht, Kotabsatz, Harnabsatz, Ruktus. Plötzliche Todesfälle kommen vor. Sie sind nicht vorher abzusehen und auch bei Beachtung der Regeln nicht mit Sicherheit zu verhindern. Beim ersten Anzeichen von Ca-Unverträglichkeit während der iv-Infusion (Herz-Arrhythmie) sollte die Infusion verlangsamt werden, bei wiederholtem Auftreten sollte sie abgebrochen werden und der Rest der Infusionslösung subkutan verabreicht werden, wenn das Präparat hierfür zugelassen und geeignet ist.

Falls die Patientin nicht aufsteht, sollte sie ein Vergrittungsgeschirr bekommen, weich gelagert und mindestens 4x pro Tag umgedreht werden (Festliegen führt durch Muskelschäden ["compartmental syndrome"] zu Festliegen!). Bis zu 2 Nachbehandlungen mit gleicher Dosis nach jeweils 12 h. Da Schnelltests zur Feststellung von Hypokalzämie zur Verfügung stehen (siehe Abschnitt über Diagnostik), ist vor Wiederholungsbehandlungen der Einsatz eines solchen Tests als gute Praxis anzusehen, insbesondere, wenn die Kuh in ihrer Anteilnahme an der Umgebung nicht mehr gestört ist, aber nicht aufsteht.

Ca. 60 % der Patientinnen stehen innerhalb von 30 Min, 15 % zwischen 30 Min und 2 h, 10 % zwischen 2 h und 24 h nach der Infusion auf, der Rest meist nie mehr.

Prophylaxe:
Gestaltung der Ration in der Trockenstehperiode.
Die sogenannte Kationen-Anionen-Bilanz DCAD (für die es verschiedene Definitionen gibt) während der Trockenstehphase hat Einfluss auf die Inzidenz der Gebärparese. Überschreitet sie einen gewissen Wert (dessen Höhe natürlich von der verwendeten Formel abhängt), steigt die Inzidenz von Gebärparese.
" Saure" Diäten wirken über verbesserte Funktionalität des PTH-Rezeptors (dadurch vermehrte Freisetzung von Ca aus den Knochen und Bildung von aktivem Vit D). Wichtig ist, den Effekt anhand wöchentlicher Kontrollen des Harn-pH zu überwachen – eine effektive Prävention gelingt nur, wenn diese auch zu saurem Urin führt.
Zielgröße des Harn-pH: 6,2 - 6,8 (physiologischer Harn-pH: 8,0 - 8,5).

Das Ergebnis der Formel “Dietary Cation-Anion Difference” DCAD = (mEql Na + mEq K) – (mEq Cl + 0,6*mEq S) im Futter soll am besten mit der Inzidenz von Gebärparese und mit dem Harn-pH korreliert sein. Wenn DCAD im Futter von +300 mEq/kg auf 0 mEq/kg gesenkt wird, kann erwartet werden, dass die Inzidenz von GP (im Modell von 16,4 auf 3,2 %), das Harn-pH (von 8,1 auf 7,0) und die Futteraufnahme (um etwa 11 %) sinkt. DCAD sollte unter 100 mEq/kg Futtertrockensubstanz liegen. Ansäuerung des Futters wird erreicht durch Zulage von anionischen Salzen mit Schwefel oder Chlorid. Die Zugabe von S muss sich jedoch in engen Grenzen halten (0,2 % in der TM sind zur Synthese von Aminosäuren im Pansen notwendig, über 0,4 % verbietet sich wegen der Bildung von stark toxischem H2S). Außerdem werden Rationen mit hohen Gaben von MgSO4 bzw. im Allgemeinen solche mit sehr niedriger DCAD (unter -100mEq) nicht gerne aufgenommen. Daher bietet sich vor allem die Zugabe von Chlorid (in Form von CaCl2 oder NH4Cl) an. Studien haben außerdem gezeigt, dass sehr niedrige DCAD (unter -100mEq oder Urin pH < 6) keine positiveren Effekte auf die Prävention von Gebärparese mehr zeigen und sich sogar nachteilig auf die Gesundheit von Kuh und Kalb auswirkt.

Eine per se Ca-arme Gestaltung der Fütterung a. p. ist schwer vereinbar mit den erwünschten niedrigen Energiegehalten in der Ration (Kraftfutter i. d. R eher arm an Ca, Raufutter hingegen reich). Zur Verringerung des Ca-Gehalts der Ration ist auch der Einsatz Ca-bindender Substanzen, wie Zeolith A oder Phytinsäure möglich.

Injektion von Vitamin-D3 oder Analogen einige Tage ante partum, z. B. 250 mg/kg KM (entspricht 10.000 IU/kg KM) Vit D3 (DHCC) eine Woche a. p.. Für durchschnittliche HF Kühe hat sich die Injektion von 10 Mio. IE Cholecalciferol 6 Tage vor dem errechneten Kalbetermin bewährt. Hierbei besteht die Problematik, dass Verzögerung der Kalbung mitunter zum Anlass für eine weitere Injektion genommen wird. Diese Überdosierung kann zu erheblichen Gewebsverkalkungen führen! Aufgrund der langen Halbwertszeit von Vit D sind auch 10 Tage nach Kalbung noch erhöhte Ca-Konzentrationen feststellbar.

Verabreichung von Kalziumsalzen per os am Tag vor der Kalbung, bei Kalbung und an den darauffolgenden, z. B. CaCl2-Gel (jeweils etwa 300 g CaCl2 oral 24 h a. p., 1-2 h a. p., 10-14 h p. p. sowie 24 h p. p.). Auf dem Markt gibt es verschiedene Präparate. Allgemein sollten mind. 50 g elementares Ca appliziert werden, um einen wirksamen Gradienten zwischen Darmlumen und Blutbahn zu erhalten, jedoch nicht mehr als 125 g. Die unterschiedlichen Ca-Salze sind unterschiedlich gut resorbierbar, z. B. wird Ca-Carbonat nur sehr langsam aus dem MDT aufgenommen und kann den Blut-Ca-Spiegel u. U. nicht ausreichend beeinflussen. CAVE: V .a. CaCl2 stark schleimhautreizend, zum Teil erhebliche lokale Reizungen im Bereich der Haube!

PubMed
 
 
 


Letzte Änderung: 28. 04. 2024


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