ISTMEM
Infektiöse septikämisch-thrombosierende
Meningoenzephalomyelitis, sleeper syndrome = "Schlafkrankheit der Bullen"
(engl.: TEME)
W. Klee
Das Wichtigste in Kürze
Verursacht durch Histophilus somni, einem gramnegativen Bakterium. Weltweit verbreitet, gehört anscheinend zur normalen Flora der Schleimhäute des Genitalapparates. Von ISTMEM betroffen sind fast ausschließlich jüngere Mastrinder. Erkrankungen meist im Gefolge von Belastungen. Niedrige Morbidität, ohne Behandlung hohe Letalität. Plötzliche Todesfälle. In früheren Krankheitsstadien hohes Fieber, Depression, Anorexie, steifer Gang, Überköten, m.o.w. geschlossene Lider, meist asymmetrische Ausfallserscheinungen seitens der Hirnnerven. Ohne Therapie baldiges Festliegen. Liquor deutlich getrübt, Pleozytose mit vorwiegend neutrophilen Granulozyten, stark erhöhter Eiweißgehalt. Pathologisch-anatomisch serofibrinöse Polyarthritis und eitrige Myokarditis. Bei unklarer Todeursache Sektion sinnvoll. Erregernachweis im Liquor post mortem möglich, sofern keine antibiotische Behandlung vorausgegangen ist. Differentialdiagnosen: CCN, Listeriose, akute Pb-Intoxikation, Vit A-Mangel. Therapie: Antibiotika in hoher Dosierung. Möglichst frühzeitige Erfassung neuer Erkrankungsfälle durch regelmäßige Kontrolle der rektalen Körpertemperatur. In D derzeit kein Impfstoff zugelassen. |
Prüfungsstoff
Ätiologie | Diagnostik |
Epidemiologie | Differentialdiagnosen |
Pathogenese | Therapie |
Klinische Erscheinungen | Prophylaxe |
Ätiologie:
Histophilus somni (früher: Haemophilus somnus) ; gramnegatives Bakterium aus der Familie der Pasteurellaceae.H. somni ist verwandt mit Haemophilus influenzae. Avirulente kommensalische Stämme unterscheiden sich genetisch von virulenten Stämmen. Letztere haben verschiedene Virulenzfaktoren, wovon einer Resistenz gegen Tetrazykline vermittelt.
Epidemiologie:
Der Keim ist weltweit verbreitet und gehört anscheinend zur normalen
Flora der Schleimhäute des Geschlechtsapparates. Etwa ein Viertel
der Rinderpopulation hat Antikörper gegen H.somni..
Erkrankungen an "Histophilose" kommen bei Boviden und Oviden vor.
Von ISTMEM betroffen sind fast ausschließlich jüngere Mastrinder
(4-12 Monate). Erkrankungen treten meist im Gefolge von Belastungen (Transport,
Kälteeinbruch, Gruppenumstellungen, "Rindergrippe"-Ausbruch [bei der
H.
somni ebenfalls beteiligt sein kann] auf).
Die Morbidität ist niedrig (< 2 %, selten bis 10 %), die Letalität
bei unbehandelten oder nicht rechtzeitig behandelten Tieren jedoch hoch
(90 %).
Pathogenese:
Vermutlich über die Schleimhäute des Atmungsapparates dringt
der Keim in die Blutbahn ein (Bakteriämie) und verursacht Vaskulitis,
Thrombose und hämorrhagische Infarkte in verschiedenen Organen, u.a.
im Gehirn (= ISTMEM; die Krankheit stellt also nur den klinisch besonders
spektakulären Ausschnitt des Geschehens dar, zu dem auch fibrinöse Entzündung seröser Häute und eitrig-nekrotisierende Myokarditis gehören).
Klinische Erscheinungen:
Bei einem Ausbruch wird meist zunächst ein Tier unvermutet tot
aufgefunden. Bei nachfolgend intensiverer Überwachung können
dann Tiere in frühen Krankheitsstadien erfaßt werden: Hohes
Fieber, Niedergeschlagenheit, Anorexie, Bewegungsunlust, steifer Gang,
Überköten in den Fesselgelenken (aufgrund gestörter Propriorezeption),
Lider m.o.w. geschlossen ("Sleeper syndrome"). Ohne Behandlung kommen die
Tiere bald zum Festliegen. Meist asymmetrische Ausfallserscheinungen seitens
der Hirnnerven: Zungenlähmung, Strabismus (selten Trismus) und Netzhautblutungen
werden beschrieben, Liquor deutlich getrübt, Zellzahl stark erhöht
(Pleozytose), vorwiegend neutrophile Granulozyten, Eiweißgehalt stark
erhöht (Klümpchenbildung oder Gerinnung).
Die pathologisch-anatomisch festzustellende serofibrinöse Polyarthritis
und Myokarditis sind klinisch meist nicht zu diagnostizieren.
"sleeper syndrome"
Diagnostik:
Verendete Tiere sollten seziert werden, falls die Todesursache unklar
ist.
Liquor kann auch noch von gestorbenen Tieren genommen werden. Darin
ist der Erreger nachweisbar, wenn keine antibiotische Behandlung vorausgegangen
ist. Es empfiehlt sich, vor einer Einsendung Kontakt mit der Untersuchungsstelle
aufzunehmen, da der Keim gewisse Ansprüche bei der Kultivierung stellt
(wächst mikroaerophil) und daher bei einer Routine-BU übersehen
werden kann.
Differentialdiagnosen:
CCN, Listeriose, akute Bleivergiftung, Vitamin-A-Mangel.
Therapie:
Wichtig ist die möglichst frühzeitige Erfassung neuer Erkrankungsfälle.
Das geschieht am sichersten durch tägliche Messung der Körpertemperatur
bei den gefährdeten Tieren, sonst durch mehrmalige intensive Beobachtung
pro Tag. Verdächtige Tiere (mit Fieber) sollten umgehend hoch dosiert
antibiotisch behandelt werden. Die Wahl des Mittels, insbesondere der Aspekt
der Liquorgängigkeit, ist dabei von untergeordneter Bedeutung, da
die Blut-Liquor-Schranke ohnehin gestört ist. Penicillin und Oxytetracyclin
sind meist wirksam. Bei sehr großen Gruppen ist die Massenbehandlung
sinnvoll. Bereits festliegende Tiere sind in aller Regel nicht mehr völlig
heilbar.
Prophylaxe:
Impfung mit Totimpfstoff ist grundsätzlich möglich, aber
angesichts der geringen Inzidenz von fraglicher Wirtschaftlichkeit. In
D ist zurzeit kein Impfstoff zugelassen (tel. Auskunft des Paul-Ehrlich-Instituts
vom 16. 5. 2001).
Letzte Änderung: 08.09.2016
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