Infektiöse bovine Keratokonjunktivitis
Weidekeratitis; Infectious bovine keratoconjunctivitis, IBK, pinkeye
 
Autor: W. Klee
 
 
Das Wichtigste in Kürze

Ein- oder beidseitige, meist selbstlimitierende, schmerzhafte lokale Infektion des Auges, deren Haupterreger verschiedene, von Fliegen übertragene Stämme von Moraxella bovis sind. Ausbrüche kommen vor. Klinik: Tränenfluss, Lichtscheu, Blepharospasmus, Rötung und Schwellung der Lidbindehaut, Ödem und Trübung der Kornea, Korneakonus mit Gefäßeinsprossung, selten Durchbruch und Erblindung. Diagnose: Klinik und Epidemiologie. Behandlung: Antiinfektiva: Prophylaxe: Vakzination möglich, aber nicht immer effektiv. Fliegenbekämpfung.

Prüfungsstoff
 
 
Erreger
Epidemiologie und Bedeutung
Pathogenese
Klinische Erscheinungen  
Diagnostik und Differentialdiagnostik  
Therapie  
Prophylaxe  

Erreger:
Die am häufigsten im Zusammenhang mit IBK genannten Keime sind Moraxella bovis, Moraxella bovoculi und Mycoplasma bovoculi. Die Interpretation von Ergebnissen epidemiologischer Untersuchungen wird dadurch erschwert, dass alle drei Spezies auch in den Konjunktivalsäcken (und auch im oberen Atmungstrakt) gesunder Rinder gefunden werden können. Mit Mor. bovis, einem gramnegativen Stäbchen, lässt sich die Krankheit unter speziellen experimentellen Bedingungen auslösen. Ob auch Mor. bovoculi als alleiniger Erreger fungieren kann, ist (noch) unklar.

Die Virulenz verschiedener Stämme von M. bovis weist erhebliche Unterschiede auf. Zu den Virulenzfaktoren gehören vor allem Fimbrien (so genannte Pili) und ein zytotoxisches Hämolysin, aber auch noch weitere Komponenten der Zelloberfläche. Serologisch und genetisch besteht zwischen und innerhalb der Moraxella-Spezies Diversität, die hinsichtlich der Wirksamkeit von Vakzinen von Bedeutung ist. In der Empfindlichkeit der beiden Moraxella-Spezies gegenüber Antiinfektiva können Unterschiede bestehen. Insgesamt scheinen aber Resistenzen kein Problem darzustellen. 

Epidemiologie und Bedeutung:
IBK ist vermutlich die häufigste Augenerkrankung bei Rindern und kommt bei Rindern aller Altersklassen, vor allem aber bei jüngeren, in vielen Ländern vor. Ältere Rinder haben vermutlich zu einem erheblichen Anteil bereits Immunität entwickelt. Die Inzidenz ist in der warmen Jahreszeit höher als zu anderen Zeiten. Die Infektiosität ist hoch. Daher kommt es innerhalb einer epidemiologischen Einheit (Herde, Maststall, Feedlot) zu Ausbrüchen, die nach etwa drei Wochen ihren Höhepunkt erreichen, aber selbstlimitierend sind. Faktoren, welche das Angehen der Infektion und/oder ihren Verlauf komplizieren können, sind Fliegenbefall (wobei Fliegen, welche die Umgebung der Augen befallen (z.B. Musca autumnalis), die Keime mechanisch übertragen), starke Sonneneinstrahlung, Staub und hohes Gras auf der Weide (was hierzulande wohl selten der Fall sein dürfte). Mangel an Spurenelementen soll über die Beeinträchtigung der Immunitätslage die Anfälligkeit der Rinder erhöhen. Die Bedeutung der Erkrankung liegt in den durch sie verursachten Schmerzen und in der daraus resultierenden Störung des Allgemeinbefindens mit (vorübergehender) Depression der Zunahmen oder Milchleistung.

Bei Menschen kann Mor. catarrhalis Atemwegsinfektionen hervorrufen.

Pathogenese:
Die Fimbrien (Typ IV Pili) ermögliche/erleichtern die Anheftung der Keime auf der Kornea und spielen möglicherweise eine Rolle bei der Bildung von Biofilm. Das zytotoxische Hämolysin führt zunächst zur Zerstörung von Korneazellen ohne ausgeprägte Entzündung. In die entstehenden Epitheldefekte (Ulcera) dringen die Keime ein. In der nächsten Phase kommt es zu Korneaödem. In diesem Stadium kann Heilung einsetzen, die einige Wochen in Anspruch nehmen kann. Schreitet der Prozess dagegen fort, entsteht ein weißlich-gelber Keratokonus mit rötlichem Saum aufgrund der Einsprossung von Gefäßen. In extremen Fällen, die jedoch selten sind, kann es durch Perforation der Kornea und nachfolgender Panophthalmie zur Zerstörung des Auges kommen.

Der Prozess bleibt auf die Augen beschränkt; ein Auge oder beide Augen können betroffen sein.

Klinische Erscheinungen:
Im Anfangsstadium treten Tränenfluss und Lichtscheu (mit Blepharospasmus) auf. Die Lidbindehaut ist geschwollen und gerötet. Das Korneaödem zeigt sich als diffuse bläulich weiße Trübung. Danach entsteht eine weißlich-gelbe, mehr oder weniger deutlich erhabene Trübung (Keratokonus) mit Rötung durch Gefäßeinsprossung. Fieber kann bestehen.

Diagnostik und Differentialdiagnostik:
Bei einer Augeninfektion der beschriebenen Art bei einem Einzeltier ist die Erkrankung klinisch nicht eindeutig als IBK anzusprechen. Häufungen, insbesondere, wenn bei etlichen oder vielen der Erkrankten nicht beide Augen symmetrisch betroffen sind, sprechen dagegen sehr für IBK.

Differentialdiagnostisch kommen Verletzungen, Fremdkörper sowie Infektionen (z. B. durch OvHV 2 [BKF], BoHV 1, Pasteurellen [P. multocida], Mycoplasmen [M. bovis und M. bovoculi], Listerien und Chlamydien) in Frage.

Therapie:
Antibakterielle Therapie verkürzt den Krankheitsverlauf. Verschiedene Applikationswege sind beschrieben: parenteral, lokale Instillation von Salben, subkonjunktivale Injektion.

Ein völlig anderes Verfahren, das unter experimentellen Bedingungen jedoch unterschiedliche Ergebnisse zeitigte, besteht im Einsatz von Bdellovibrio bacteriovorus, eines Bakteriums, das in gramnegative Bakterien eindringt und sich davon ernährt.

Prophylaxe:
Vakzinen scheinen nur spezies- und stammspezifisch zu wirken und sollten Komponenten sowohl von Pili als auch von Zytotoxizität enthalten.

Daher würde sich die Verwendung von „herdenspezifischen“ Vakzinen anbieten, die aber auch nur dann schützen können, wenn der richtige Stamm zur Verwendung der Vakzine verwendet wurde. So sind die Berichte über Erfolge auch unterschiedlich. Da von Erkennung eines Ausbruchs über Stammisolierung aus Proben verschiedener erkrankter Probanden und Vakzineherstellung einige Zeit verstreicht, dürfte angesichts der recht hohen Kontagiosität von Moraxellen schon ein großer Teil der Gruppe infiziert sein. Flächendeckende Untersuchungen zur Verbreitung verschiedener Stämme bei Ausbrüchen von IBK fehlen in D bisher. Nach Erfahrungen in AUS waren drei Stämme von Mor. bovis für den größten Teil der IBK-Ausbrüche verantwortlich, was die Möglichkeit des Einsatzes auch kommerziell hergestellter Vakzinen eröffnet. Ein anderer Aspekt der Vakzination besteht darin, dass am Auge vermutlich vor allem sekretorische Antikörper (IgA) von Bedeutung sind, deren Bildung durch lokale Applikation einer Vakzine besser als durch systemische parenterale Applikation angeregt werden kann. Es liegen jedoch kaum Untersuchungen dazu vor.
Rinder auf der Weide sollten so gut wie möglich gegen Fliegenbefall geschützt werden.

PubMed 

Letzte Änderung: 18.04.2017


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