Das Wichtigste in Kürze
Betroffen sind fast ausschließlich Mastbullen. Bezüglich der Ursache der Erkrankung bestehen verschiedene Hypothesen, verantwortlich gemacht werden unter anderem durch Mykotoxine verursachte Durchblutungsstörungen. Klinische Erscheinungen sind Hyperkeratose und die Bildung rötlicher Krusten an der Schwanzpitze, die Schwanzspitze platzt auf. Die Veränderungen können reversibel sein und auch rezidivierend auftreten. Bei Fortschreiten der Erkrankung resultiert eine aufsteigende Phlegmone, die bei Erreichen des Wirbelkanals zu Lähmung führen kann. Eine Absiedelung von Eitererregern in die Gelenke ist ebenfalls möglich. Sofern nicht die Schlachtung des betroffenen Tieres bevorzugt wird, sollte der Schwanz rechtzeitig im gesunden Bereich abgesetzt werden. |
Prüfungsstoff
Bedeutung und Epidemiologie | Diagnose |
Ätiologie | Therapie |
Klinische Erscheinungen | Prophylaxe |
Bedeutung und Epidemiologie:
Diese Krankheit wird etwa seit der zweiten Hälfte der 70er Jahre
häufiger beobachtet. Befallen werden so gut wie ausschließlich
Mastbullen in Ställen mit Betonspaltenboden.
Über die Ursache oder Ursachen dieser Erkrankung
gibt es bisher nur Hypothesen. Auffallend ist zunächst, daß
fast ausschließlich Mastbullen in Ställen mit Betonspaltenböden
davon betroffen sind. Aber dabei ist zu bedenken, dass bei uns fast
alle Mastbullen so gehalten werden.
Allerdings werden in vielen Milcherzeugerbetrieben mit Laufställen auch die Färsen auf diese Weise gehalten, ohne dass es bei ihnen zu dieser Krankheit kommt. Und vereinzelt wurde die Erkrankung auch schon bei Bullen in anderen Haltungssystemen beobachtet, sogar nach Weidehaltung, die vor allem in Norddeutschland hier und da praktiziert wird.
In einer Studie in einem Feedlot mit 80.000 Mastrindern war die Prävalenz 1 %
(800 Bullen), wovon 30 % entweder starben oder vorzeitig und in krankem Zustand geschlachtet wurden.
Ätiologie:
Die Hypothesen zur Ätiologie sind:
Außer bei schwersten Veränderungen erscheinen das Allgemeinbefinden und die Mastleistung nicht beeinträchtigt. Oder ist es so, daß die Bullen mit der besten Mastleistung (und daher der höchsten Futteraufnahme) am ehesten erkranken?Trittverletzungen, vor allem bei zu enger Belegung der Boxen: Trittverletzungen kommen zwar sicher vor, aber nicht nur an der Schwanzspitze. Außerdem heilen sie meist recht rasch ab. Verletzungen an den rauhen Kanten der Betonspalten: Davon sollte die von der Schwanzquaste bedeckte Schwanzspitze nicht betroffen sein. Gegenseitiges Benagen oder Besaugen der Schwanzspitze. Rattenbisse: Diese Hypothese wurde von schweizer Autoren in die Diskussion gebracht. Räude: Verletzungen infolge juckreizbedingten Kratzens und Scheuerns. Durchblutungsstörungen, vielleicht verursacht durch Mykotoxine. Bei manchen Bullen mit SSN lassen sich auch m.o.w. ausgeprägte Nekrosen an den Ohrrändern finden. Dies erscheint aus Sicht des Autors am plausibelsten.
Klinische Erscheinungen:
Sie beginnen an der Schwanzspitze. Bei vielen Tieren ist zunächst nur eine Hyperkeratose
erkennbar. Möglicherweise beginnt die Erkrankung aber auch mit kleinen Blutungen
im Bereich der Haarbälge (s. Foto unten) und es kommt zur Bildung von rötlichen Krusten. Schließlich platzt die
Schwanzspitze auf wie eine Blütenknospe. Nach Untersuchungen
einer Berliner Arbeitsgruppe sind die Veränderungen reversibel und
können auch rezidivierend auftreten. Schreiten sie fort, kommt es
zu aufsteigender Phlegmone, die entweder bis in den Wirbelkanal gelangen
und so zur Lähmung führen kann, oder es kommt zur Absiedelung
von Eitererregern in Gelenke, was ebenfalls über kurz oder lang zum
Festliegen führt.
Anfangsstadium?: Im Bereich der Haarbälge sind kleinste Blutungen erkennbar.
Foto: Johannes Mosig und Mirjam Lechner
Anfangsstadium: An der Schwanzspitze ist eine stecknadelkopfgroße, rot-braune Kruste erkennbar
Spätstadium: die Schwanzspitze ist auf ca 7 cm Länge nekrotisch.
Die Entzündung setzt sich aber nach proximal weiter fort.
Diagnose:
Wenn man den Mut hat und sich die Mühe macht, die Schwanzspitzen
von Mastbullen zu untersuchen, findet man bei einem erheblichen Anteil
von ihnen Veränderungen der beschriebenen Art. Bei kümmernden,
vor allem aber bei unvermittelt festliegend aufgefundenen Mastbullen sollte
immer der Schwanz mit untersucht werden.
Therapie:
Falls nicht die Schlachtung des noch unbehandelten Tieres vorgezogen
wird, sollte der Schwanz im sicher gesunden Bereich abgesetzt werden.
Prophylaxe:
Als die Kenntnis dieser Krankheit sich unter den Bullenmästern
verbreitete, reagierten viele von ihnen dadurch, dass sie vorbeugend
bei allen neu eingestallten Kälbern das letzte Schwanzdrittel mit
Gummiringen absetzten.
Diese Praxis ist nach dem Tierschutzgesetz von 1998 verboten, auch
wenn hier klar eine Inkonsequenz vorliegt, denn bei Lämmern ist diese
Praxis nach wie vor erlaubt. Verboten ist auch die generelle prophylaktische
Amputation des bindegewebigen Endstücks der Schwanzspitze. Sie ist
im Einzelfall (= Bestand) befristet erlaubt, wenn eine tierärztliche
Indikation gegeben ist, und andere Maßnahmen zur Verhütung des
Leidens keinen Erfolg gezeigt haben. Das ist schön formuliert, aber
in der Praxis kaum zu realisieren. Daher ist es im wesentlichen im Ermessen
des Amtstierarztes zu entscheiden, ob er einschreiten will oder nicht.
Bei der Amputation des rein bindegewebigen Endstückes bleibt dann
noch ein Teil der Schwanzquaste erhalten, so dass die Funktion der
Fliegenabwehr kaum beeinträchtigt ist.
Sicher sollten die Tiere nicht sozusagen nach den Bedürfnissen
und der Bequemlichkeit der Menschen "zurechtgestutzt" werden. Aber:
1. Die Qual eines festliegenden Bullen wiegt sicher schwerer als der
kurze Schmerz der Schwanzspitzenamputation.
2. Solange die Ursache nicht genau bekannt ist, ist es unfair, von
den Bullenmästern Maßnahmen (Gestaltung des Stalles, Belegdichte)
zu verlangen, die ihre Konkurrenzfähigkeit erheblich beeinträchtigen.
3. Die von manchen geforderten regelmäßigen Kontrollen der
Schwanzspitzen sind bei größeren Bullen in Laufboxen nicht oder
nur unter Lebensgefahr durchführbar.
Letzte Änderung: 24.03.2019
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