Schlundverstopfung
W. Klee
Das Wichtigste in Kürze Meist hervorgerufen durch das Abschlucken ungenügend zerkleinerter, relativ fester Futterteile, die sich dann an einer der Engstellen des Schlundes festsetzen. Vermutlich resultiert ein schmerzhafter Schlundkrampf. Bei vollständiger Verlegung des Oesophaguslumens akute Pansentympanie mit dorsaler Gasblase. Aspirationsgefahr. Drucknekrosen bei Bestehen der Verstopfung > 6 Stunden. Symptome: plötzlich einsetzende Inappetenz, Würgen, schwallartiger Ausfluss von Speichel, Husten, Tympanie, kolikartiges Verhalten, Angst. Diagnose wenn möglich durch Palpation von außen oder mittels Schieben einer Nasenschlundsonde (Passagehindernis). Palpation des Halses auf Folgen möglicher Perforationen, auch durch vorangegangene Manipulationen (Besitzer). Therapie abhängig vom Sitz und der Erreichbarkeit des Fremdkörpers. Nach Möglichkeit Entfernung nach oral durch Ausmassieren oder mittels spezieller Instrumente (THYGESEN-Sonde, Früchte-Evakuator), sonst nach aboral (THIRO-Rohr) nach ausreichender Fixierung des Tieres. Prognose in frischen Fällen günstig. |
Prüfungsstoff
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Ätiologie und Pathogenese:
In den meisten Fällen hervorgerufen durch das Abschlucken ungenügend zerkleinerter,
relativ fester Futterteile (Äpfel, Rübenstücke, rohe Kartoffeln). Diese Teile
setzen sich häufig an einer von drei Stellen fest: Schlundkopf, Brusteingang,
Zwerchfellschlitz. Es kommt vermutlich zu einem schmerzhaften Schlundkrampf.
Bei vollständiger Verlegung des Lumens tritt akute Pansentympanie mit dorsaler
Gasblase auf. Diese stellt den akut lebensbedrohlichen Aspekt der Erkrankung
dar. Es besteht die Gefahr von Aspiration von mit Futterpartikeln vermischtem
Speichel.
Bleibt die Verstopfung länger als etwa 6 Stunden bestehen, kommt es zur
Drucknekrose der Schleimhaut, was wiederum zur Perforation oder zur späteren
Bildung von Narbenstrikturen führen kann.
Daneben gibt es chronische Passagestörungen, die durch raumfordernde Prozesse
in der Oesophaguswand oder in der Nachbarschaft des Schlundes oder durch
Funktionsstörungen der Schlundmuskulatur hervorgerufen werden. Auf sie soll
nicht näher eingegangen werden, weil sie insgesamt recht selten sind.
Klinische Erscheinungen:
Plötzlich einsetzende Inappetenz, ängstlicher Blick, Würgen, schwallartiger
Ausfluss von Speichel, Husten, akute Pansentympanie mit dorsaler Gasblase,
kolikartiges Verhalten.
Diagnose:
Das Bild ist Tierärzten und Landwirten in bestimmten Gegenden gut bekannt. Sitzt
der Fremdkörper im Anfangsteil des Schlundes oder vor dem Brusteingang, kann er
von außen palpiert werden. Bei akuter Pansentympanie mit dorsaler Gasblase ist
die Einführung einer Maul- oder Nasenschlundsonde ohnehin indiziert. Im Fall
einer Schlundverstopfung ergibt sich dabei die Diagnose.
Differentialdiagnose:
Bei Speicheln ist auch an Tollwut zu denken! Auch bestimmte Formen von
Botulismus können ähnlich aussehen.
Therapie:
Es besteht zwar ein Notfall, es sollte jedoch nicht unüberlegt hastig
vorgegangen werden, denn es handelt sich um eine
„haftpflichtträchtige“ Situation. Der Besitzer ist nach bereits
vorgenommenen Manipulationen zu befragen (Haftpflicht!). Der gesamte Hals ist
kurz zu palpieren: Diffuse Schwellungen oder Knistern weisen auf Emphysem nach
Schlundperforation hin. Durch Sondierung des Schlundes mittels einer weichen
Sonde mit gazeumwickeltem Kopf kann geprüft werden, ob Verletzungen (Blut) oder
Gewebsnekrose (übler Geruch) eingetreten sind. Nur in extremen Fällen ist der
Pansen zu trokarieren. (Technik siehe Pansentympanie.) Die Verabreichung von
Spasmoanalgetika wird von vielen Autoren empfohlen. Angesichts der Tatsache,
dass der Schlund des Rindes in ganzer Länge aus quergestreifter Muskulatur
besteht, ist eine krampflösende Wirkung nur indirekt über Analgesie denkbar.
Wegen der mitunter sehr ausgeprägten Unruhe der Patienten (Todesangst) ist
Sedation hilfreich. Beide Medikationen sind aber mit dem Nachteil der Wartezeit
behaftet, worauf der Besitzer hinzuweisen ist.
Ist der Fremdkörper von außen tastbar, kann versucht werden, ihn durch
beidseitige Massage nach oral zu befördern. Dabei sollte der Kopf des Tieres
tief gehalten werden, damit keine Aspiration eintritt, und der Fremdkörper
nicht wieder nach aboral rutscht. In anderen Fällen ist der Einsatz spezieller
Instrumente angezeigt (z.B. THIRO-Rohr, THYGESEN-Sonde, Früchte-Evacuator).
Dabei ist durch entsprechende Fixation des Tieres sicherzustellen, dass es
keine unkontrollierten Vorwärtsbewegungen machen kann (Gefahr der Schlundperforation).
Beim Einsatz des THIRO-Rohres an erwachsenen Rindern darf nur das dicke Ende
verwendet werden. Der angewandte Druck muss angepasst sein. Grundsätzlich ist
es wünschenswert, den Fremdkörper nach oral zu entfernen. Erstens hat er diesen
Weg schon einmal zurückgelegt, zweitens ist dieser Teil des Schlundes, im
Gegensatz zu dem aboralen, durch den Speichel gut eingeschleimt und drittens
liegt der Erfolg demonstrierbar auf der Hand. Gelingt die Behebung nicht
sofort, können nach Pausen weitere Versuche unternommen werden. Als letzte
Rettung wird der Schlundschnitt beschrieben. Bei Fehlen entsprechender
Erfahrung dürfte Ruminotomie und Einsatz des THIRO-Rohres von der Kardia aus
der klügere Weg sein.
Prognose:
In frischen Fällen sind die Heilungschancen gut (90 %).
Letzte Änderung: 18.05.2005
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