Das Wichtigste in Kürze
Ansammlung unphysiologisch großer Mengen Gas im Pansen. Pansentympanie mit schaumiger Durchmischung des Inhaltes: Manche
Pflanzeninhaltsstoffe bewirken im Pansen die Bildung von Schaum, welcher
nicht abgerülpst werden kann. Auftreten z.B. nach unvorbereitetem
Zugang zu üppigem Grünfutter, Verfütterung von feuchtem
frischen Raps oder Luzerne. Symptome: Vorwölbung der linken Flanke,
Inappetenz, Kolik, häufiger Kot- und Harnabsatz, Dyspnoe, Maulatmung,
bis zu Kollaps, Tod. Diagnose: Fütterungsanamnese, bei Sondierung
des Pansens geht kein Gas ab. Therapie: Antizymotika. Trokarierung ist
nicht indiziert, in sehr schweren Fällen eventuell Not-Ruminotomie.
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Prüfungsstoff
Definition:
Ansammlung unphysiologisch großer Mengen von Gas im Pansen.
Zu unterscheiden sind Tympanie mit schaumiger Durchmischung des Inhaltes
(engl.: frothy bloat) und Tympanie mit dorsaler Gasblase (engl.: free gas
bloat).
Pansentympanie mit schaumiger Durchmischung des Inhaltes
Ätiologie und Pathogenese:
Manche Pflanzeninhaltsstoffe bewirken im Pansen die Bildung von Schaum,
der nicht ausgerülpst werden kann. Der Mechanismus ist nicht bis ins
letzte Detail bekannt, und es gibt zusätzliche Faktoren, die einzelne
Tiere mehr oder weniger prädisponieren: u.a. Gier bei der Futteraufnahme, Größe des
Pansens, Menge und Mukoproteingehalt des Speichels.
Rationen, die zur schaumigen Gärung führen, induzieren nicht
die Bildung von mehr Gas als andere. (Kühe produzieren nach Grünfütterung
100 - 200 L Gas pro Stunde.)
Die Pansenmotorik ist zunächst erhöht, was das Problem eher
noch verstärkt. Der Binnendruck im Pansen steigt. Die Vena cava caudalis
kann komprimiert, und die Atmung durch den Zwerchfellhochstand mehr oder
weniger beeinträchtigt werden.
Epidemiologie:
Der unvorbereitete Zugang zu üppigem Grünfutter (Frühjahr
oder Herbst) ist mit erhöhtem Risiko verbunden, ebenso wie die Verfütterung
von Raps, der nach frostiger Nacht frisch geerntet wurde, auf "nüchternen"
Magen. Luzerne, auf der noch Tau liegt, ist gefährlicher als schon
abgetrocknete.
Bemerkenswerterweise tritt das Problem nicht immer am ersten, sondern
erst am zweiten oder dritten Tag der Fütterungsumstellung auf. Bei
zeitlich begrenztem Weiden ist die Wahrscheinlichkeit des Auftretens von
Tympanie größer als bei kontinuierlichem.
In manchen Gegenden ist die wirtschaftliche Bedeutung (plötzliche
Todesfälle, reduzierte Produktion) erheblich.
Klinische Erscheinungen:
"Plötzliche" Todesfälle bei Tieren, die nicht intensiv überwacht
werden.
Eine Zunahme des Pansenvolumens kann schon innerhalb der ersten Stunde
nach Fütterungs- oder Weidebeginn erkennbar sein und rasch extreme
Ausmaße erreichen. Inappetenz, Kolik, häufiger Kot- und Harnabsatz,
Dyspnoe, Maulatmung mit vorgestreckter Zunge, Kollaps und Tod.
Diagnostik:
Sind mehrere Tiere einer Gruppe betroffen, ist die Diagnose einfach,
insbesondere bei entsprechender Fütterungsanamnese. Sondierung des
Pansens ist möglich (im Gegensatz zur Schlundverstopfung), es geht
aber kein Gas ab.
Differentialdiagnosen:
Tympanie mit dorsaler Gasblase (Gas geht durch die Sonde ab)
Schlundverstopfung (Pansen nicht sondierbar)
Funktionelle Stenose
Therapie:
Trokarierung ist nicht angezeigt!!!
Hängt von dem Schweregrad ab
Bei nicht unmittelbar lebensbedrohlichem Zustand werden Antizymotika
(schaumbrechende Mittel) per Sonde eingegeben. Es sind Sonden zur möglichst
gleichmäßigen Verteilung des Medikamentes im Panseninhalt konstruiert
worden. Aufgrund des hohen Binnendrucks muss das Medikament ggf. mit
Druck eingespritzt werden. Am häufigsten werden Medikamente auf der
Basis von Dimethylpolysiloxan (= Dimeticon) eingesetzt. Wirkungsprinzip
ist Schaumbrechung. Dosierung: 2 - 10 mg/kg in mehreren Litern Wasser.
Wiederholung nach Bedarf.
Ist Instillation nicht möglich,
aus welchem Grund auch immer, besteht noch die Möglichkeit der intraruminalen Injektion.
Wenn das Tier mit vorgestreckter
Zunge dasteht und sich gerade noch auf den Beinen halten kann, ist eine
Not-Ruminotomie mit einem spitzen und scharfen Messer angezeigt. Der Schnitt
sollte etwa in der Mitte der linken Flanke angebracht werden und 10 bis
20 cm lang sein. Der schaumige Panseninhalt ergießt sich dann im
starken Strahl. Soweit möglich, sollten die Pansenränder erfasst
und hervorgezogen werden. Notfalls muss der Tierbesitzer am Telefon
instruiert werden, diese Maßnahmen selbst durchzuführen. Anschließend
muss die Wunde gesäubert, drainiert und teilweise verschlossen
werden. Komplikationen sollen relativ selten sein. Keine eigenen Erfahrungen.
Die behandelten Tiere müssen intensiv überwacht werden.
Prophylaxe:
In Gegenden (Ländern), wo das Problem regelmäßig größere
Ausmaße annimmt, sind verschiedene Methoden zur Vorbeuge entwickelt
worden: zweimal tägliche Verabreichung von ca. 100 ml Öl, Aufsprühen
von Öl auf die Weiden. Aufsprühen von Antizymotika auf die Flanken,
von wo sie abgeleckt werden sollen; homogene Einmischung von Antizymotika
ins Trinkwasser
Pansentympanie mit dorsaler Gasblase
Ätiologie und Pathogenese:
Störung der Eruktation der in normaler Rate (Volumen pro Zeiteinheit) anfallenden Gase auf der
Basis von
Klinische Erscheinungen:
Offensichtliche bis spektakuläre Vorwölbung der linken Flanke.
Pansentympanie mit dorsaler Gasblase bei einem Fresser. Deutlich sichtbar die Vorwölbung der linken Hungergrube
Diagnostik:
Von extremen Fällen abgesehen, kann die dorsale Gasblase durch
Palpation von außen und Perkussion festgestellt werden. Außer
bei Schlundverstopfung lässt sich das Gas durch Einführen
einer Maul- oder Nasenschlundsonde ablassen, wenn auch nicht immer beim
ersten Versuch.
Differentialdiagnosen:
Pansentympanie mit schaumiger Durchmischung des Inhalts (tritt meist
bei mehreren in gleicher Weise exponierten Tieren auf, wenn auch nicht
in gleicher Intensität).
Insbesonder bei Jungtieren ist die linksseitige Labmagenverlagerung
zu berücksichtigen!!
Therapie:
Schonende Einführung einer Maul- oder Nasenschlundsonde.
Zur Trokarierung:
Indikation: Trokarierung ist nur bei lebensbedrohlichem Zustand indiziert,
wenn sich per Sonde kein Gas entfernen lässt.
Instrumente: Zur Trokarierung erwachsener Rinder sollte ein etwa 40
cm langer Trokar mit scharfem Stilett verwendet werden.
Technik: Die Einstichstelle liegt jeweils etwa eine Handbreit unter
den Enden der Lendenwirbelquerfortsätze und hinter dem Rippenbogen.
Bei hochgradiger Tympanie ist es jedoch nicht so leicht, diese Strukturen
zu spüren. Sofern es die Zeit erlaubt, sollte die Umgebung rasiert
und "desinfiziert", und die Haut mit einem kleinen Schnitt eröffnet
werden. Der Einstich soll mit einem Ruck in Richtung auf den rechten Ellenbogen
erfolgen. Sofern es die relativen Größenverhältnisse erlauben,
kann der Operateur zu seiner Sicherheit auf der rechten Seite des Tieres
stehen. Zur Verhinderung allzu plötzlicher Druckveränderungen
im Bauchraum (Kollapsgefahr) sollte das Gas nach Entfernung des Stiletts
fraktioniert abgelassen werden. Ist die Ursache der Tympanie im Anschluss
zu beseitigen (zum Beispiel eine Schlundverstopfung), besteht also keine
Gefahr mehr für eine erneute Tympanie, kann der Trokar wieder entfernt
werden. Ansonsten kann die Hülse an die Haut angenäht werden.
Die nachträgliche Versorgung und Extraperitonealisierung der Einstichstelle
durch Laparotomie ist empfehlenswert, aber nicht unabdingbar.
Komplikationen: Wichtigste Komplikation ist die Kontamination der Bauchhöhle
mit nachfolgender Peritonitis, vor allem bei Verwendung eines zu kurzen
Trokars, der schon aus dem zurückweichenden Pansen rutscht, solange
der Binnendruck noch so groß ist, dass Inhalt durch die Trokarierungsöffnung
hinausgepresst wird.
Es entwickelt sich dann nicht immer eine generalisierte Peritonitis,
sondern eher ein sogenannter peritonealer Abszess.
Rezidivprophylaxe:
Schraubtrokar nach BUFF oder
Anlegen einer kleinen Pansenfistel.
Der Pansen muss beim Eindrehen des Schraubtrokars gebläht sein (notfalls durch Aufblasen über eine Nasenschlundsonde), weil sonst die Gefahr besteht, dass der Pansen durch den Trokar "aufgewickelt" wird.
Angebot einer ausgewogenen, nicht zu reichlichen Ration. Die oft praktizierte
"Heudiät" ist nicht sachgemäß, da die betroffenen Kälber
oder Jungrinder daraus ihren Nährstoffbedarf nicht decken können
und daher dazu neigen, zu viel aufzunehmen. Der entstehende "Heubauch" behindert
die Pansenmotorik.
Letzte Änderung: 04.11.2018
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