Das Wichtigste in Kürze
Erreger: Bovines respiratorisches Synzytialvirus. Antigenetisch unterschiedliche Stämme, möglicherweise unterschiedliche Virulenz. Verbreitung weltweit. Seroprävalenz in D 80 %, wohl hauptsächlich "stille Feiung". Klinisch manifest erkranken vor allem Kälber und Jungrinder, kolostrale Antikörper scheinen nicht vor Infektion zu schützen. BRSV gilt als "Wegbereiter" für bakterielle Infektionen. Störung der Zilienbildung und somit Beeinträchtigung der mukoziliären Clearance. Bezüglich der klinischen Erscheinungen Unterscheidung zweier Stadien oder Verlaufsformen: ein erstes, 1-5 Tage dauerndes mild verlaufendes Stadium mit geringer Dämpfung des Allgemeinbefindens, Nasenausfluß, Speicheln, Fieber und ein 5-7 Tage andauerndes Stadium mit schwerer Dyspnoe, Maulatmung, schaumigem Speicheln, kaum Nasenausfluss, subkutanem Hals- und Kehlgangsödem, petechialen Blutungen auf den Schleimhäuten. Das zweite tritt meist 7-14 Tage nach dem ersten Stadium auf, Letalität etwa 20 %. Die Beteiligung eines allergischen Prozesses wird vermutet. Virusnachweis aus tief entnommenen Nasentupfern. Therapie: in schweren Fällen einmalig Glukokortikoide, Antiinfektiva aufgrund (bakterielle Beteiligung wahrscheinlich). Auch nach scheinbarer Besserung plötzliche Todesfälle möglich. Prophylaxe: Lebend- oder Totvakzinen. |
Prüfungsstoff
Ätiologie | Diagnostik |
Epidemiologie | Behandlung |
Pathogenese | Prophylaxe |
Klinische Erscheinungen |
("BRSV" wird häufig, auch von Tierärzten, fälschlicherweise
als Bezeichnung einer Krankheit verwendet.)
Ätiologie:
BRSV = bovines respiratorisches Synzytialvirus, Familie Paramyxoviridae,
Gattung Pneumovirus, antigenetisch eng verwandt mit dem humanen RSV und
dem Staupevirus. Es gibt antigenetisch unterschiedliche Stämme (Untergruppen
auf der Basis der Reaktion mit monoklonalen Antkörpern gegenüber
dem Anheftungsglykoprotein G) und vermutlich auch solche mit unterschiedlicher
Virulenz.
Epidemiologie:
BRSV ist weltweit verbreitet und wird als das bedeutendste
atemwegspathogene Virus bei Rindern angesehen.
In D haben etwa 80 % der erwachsenen
Rinder Antikörper gegen BRSV, was sehr dafür spricht, dass stille Feiung
die Hauptform der Auseinandersetzung mit dem Virus ist. Natürliche
Infektionen sind bisher nur bei Menschen, Rindern und Schafen (ORSV) nachgewiesen. Die durch HRSV bzw. BRSV Erkrankungen bei Kleinkindern sind denen bei Kälbern sehr ähnlich. Neugeborene Lämmer lassen sich mit HRSV infizieren. Bei Menschen schützen natürlich erworbene Antikörper nicht vor Reinfektionen, die aber meist milde verlaufen.
Vor allem Kälber
und Jungrinder sind von der Erkrankung betroffen. Typischerweise tritt die Erkrankungbei Kälbern und Jungrindern
relativ abrupt ("über Nacht") auf, oft nach einem Kälteeinbruch.
Bis zu 80 % der Gruppe können betroffen sein.
Bei Kälbern in Mutterkuhhaltungen kommen BRSV-Infektionen auch im Sommer vor ("summer pneumonia").
Die Übertragung auf dem Luftweg von einem Stall in einen anderen
ist nachgewiesen.
Gelegentlich kommen auch schwere Erkrankungen (sogar mit Todesfällen)
bei erwachsenen Rindern vor. Ob das dabei nachgewiesene BRSV allein für
diese Ereignisse verantwortlich ist, lässt sich kaum sicher klären.
Große Betriebe und solche, die Besuchern keine Einmalschuhe zur Verfügung stellen, haben ein größeres Risiko für BRSV-Infektionen.
Pathogenese:
Die Rolle passiv und aktiv erworbener Antikörper im Krankheitsgeschehen
ist noch nicht eindeutig geklärt. Anscheinend schützen kolostrale
Antikörper nicht vor der Infektion und sie schwächen die humorale
Reaktion auf eine parenteral verabreichte Vakzine.
BRSV scheint auch als "Wegbereiter" für bakterielle Infektionen
(insbesondere durch Pasteurellen, aber auch durch Histophilus somni; vgl. auch Kapitel über EBP)
eine Rolle zu spielen. So sind z.B. mononukleäre Zellen aus Lunge
und peripherem Blut nach einer BRSV-Infektion gegenüber dem Cytotxin
von Mannheimia haemolytica (früher Pasteurella haemolytica)
empfindlicher. BRSV soll das einzige (bisher bekannte) Virus sein, das
direkt die Freisetzung von Histamin aus den Mastzellen der Lunge bewirken
kann. Außerdem stört es die Bildung von Zilien, die eine wichtige
Rolle in der unspezifischen Abwehr im Bereich des oberen Atmungstraktes
(mukoziliäre Clearance) haben. Pneumozyten
und Alveolarmakrophagen scheinen von dem Virus weniger befallen zu werden.
Klinische Erscheinungen:
Bei manchen Ausbrüchen lassen sich zwei Stadien (oder Verlaufsformen?)
unterscheiden:
Das Bild zeigt ein Tier mit Maulatmung.
Bei dieser schweren Verlaufsform wird die Beteiligung eines allergischen Prozesses vermutet. Es tritt meist 7 - 14 Tage nach dem ersten Stadium auf. Entsprechend finden sich subakute Lungenveränderungen (z.T. auch schon mit eitrig-abszedierendem Charakter) im kranioventralen Bereich, in denen auch BRSV nachweisbar ist, aber akute Veränderungen (Emphysem und Ödem) im kaudodorsalen Bereich, in denen das Virus jedoch nicht oder in geringerem Umfang nachweisbar ist.
Video, 369 kB, 4 Sek.
Im Video ist Maulatmung zu sehen.
Diagnostik:
Der Nachweis der Beteiligung von BRSV an einem akuten Ausbruch von
respiratorischer Erkrankung gelingt nicht immer, u.a. deshalb, weil das
Virus recht labil ist. Zum direkten Nachweis (über Immunfluoreszenz)
eignen sich Tupfer mit langem Stiel (Zervixtupfer für Stuten), welche
tief in den oberen Nasengang eingeführt werden müssen. (Vorsicht
bei der Manipulation: Wenn der Kopf des Tieres nicht genügend fixiert
wird, kann der Tupferstiel abbrechen!) Der Tupfer soll danach einen rosa
Schimmer haben (= Nasenschleimhaut, in deren Zellen das Virus am besten
nachweisbar ist).
Auch sehr empfindliche PCR (polymerase chain
reaction)-Methoden wurden entwickelt, mit denen der Nachweis z.T in 10 Minuten möglich ist.
Der Nachweis einer akuten BRSV-Infektion
in einem Milchviehbetrieb über den Anstieg der Antikörperkonzentration
in der Tankmilch ist nur möglich, wenn davor ein negatives Ergebnis verfügbar ist, denn die AK-Konzentration in der Tankmilch bleibt nach einer akuten Bestandsinfektion über Jahre hoch, fluktuiert aber.
Behandlung:
Indiziert wären Antihistaminika und Bronchospasmolytika (die aber derzeit nicht v erfügbar sind), in schweren Fällen (einmalig)
Glukokortikoide. Angesichts der meist vorangegangenen Infektion mit möglicher
bakterieller Beteiligung sind Anitiinfektiva ebenfalls indiziert. Nach
Erfahrungen aus der Praxis muss die Behandlung etwa eine Woche lang
fortgeführt werden. Während dieser Zeit kann es nach scheinbarer
Besserung zu plötzlichen Todesfällen kommen. Tiere, die diesen
Zeitraum überstehen, zeigen später meist keine nennenswerte Beeinträchtigung
des Wachstums.
Prophylaxe:
Es sind Lebend- und Totvakzinen auf dem Markt, sowohl als monovalente
Vakzinen als auch als Kombinationsvakzinen (mit BVDV). Über die Erfolge
gibt es widersprüchliche Meldungen. Eine kontrollierte Studie ergab
eine geringe Reduktion der Behandlungsrate gegen EBP, aber die Wirtschaftlichkeit
erschien fraglich. Andere Autoren postulieren ein "return on investment"
der Impfung von 16:1.
Intranasal verabreichte Lebendvakzine führt zwar nicht regelmäßig zu im ELISA nachweisbarer Antikörperbildung, die Vorgänge nach Reinfektion entsprechen aber einer Boosterreaktion. Schutz vor Erkrankung nach Infektion ist möglicherweise an die Anwesenheit von fusioninhibierenden Antikörpern und/oder zelluläre Reaktionen gebunden. Die Bildung derartiger AK wird von inaktivierten Vakzinen nicht so stark stimuliert wie von Lebendvakzinen. Der Inaktivierungsprozess verändert möglicherweise Epitope und damit die Stimulation zu AK-Bildung. Die Dauer der nachweisbaren Immmunreaktion nach Impfung wird mit maximal 4 Monaten angegeben.
An DNA-Vakzinen wird gearbeitet, ebenso wie an gendeletierten rekombinanten Vakzinen, die eine Unterscheidung zwischen geimpften und infizierten Tieren (DIVA=differentiation of infected from vaccinated animals) erlauben.
home-page
Inhaltsverzeichnis
© Copyright 2014, Klinik für Wiederkäuer, Ludwig-Maximilians-Universität
München