Leukose
 
W. Klee  
 
 
Das Wichtigste in Kürze

Oberbegriff für verschiedene Krankheitsbilder: einerseits die so genannte enzootische Leukose (üblicherweise persistente Infektion mit dem bovinen Leukose-Virus, einem Delta-Retrovirus , horizontale Übertragung schon über extrem kleine Blutmengen durch die darin enthaltenen infizierten Lymphozyten), andererseits die sog. sporadischen Leukosen (unbekannter Ursache (Jungtierleukose - Thymusleukose - Hautleukose - Sporadische lymphatische Leukose erwachsener Rinder).
Bei der enzootischen Leukose werden drei Formen unterschieden (alleinige Serokonversion, Serokonversion und persistente Lymphozytose, sowie Serokonversion und bösartige tumoröse Leukose mit oder ohne persistente Lymphozytose). Das klinische Bild der enzootischen Leukose variiert, da sich bösartige Tumoren in nahezu allen Organen bilden können. Häufig ist die Schwellung subkutaner und/oder innerer Lymphknoten. In Deutschland werden regelmäßig serologische Untersuchungen der Tankmilch vorgenommen. Enzootische Leukose ist anzeigepflichtig, die betroffenen Tiere müssen getötet werden. 
Jungtier- und Thymusleukose betreffen Rinder im Alter von 3 Monaten bis 2 Jahren. Jungtierleukose äußert sich in der Vergrößerung oberflächlicher und innerer Lymphknoten, Thymusleukose in einer zunehmenden Umfangsvermehrung ventral am Hals vor dem Brusteingang. Bei Hautleukose treten multiple rundliche Veränderungen in Haut oder Unterhaut auf. Sporadische Erwachsenenleukose gleicht klinisch der enzootischen Leukose. Die Prognose ist (außer bei Hautleukose) infaust.

Die Rolle von BLV bei Brustkrebs wird diskutiert.


 

 
 
Allgemeines
Epidemiologie Jungtierleukose
Pathogenese Thymusleukose
Klinische Erscheinungen Hautleukose
gesetzliche Vorschriften

Allgemeines:
Die Einteilung der hier einzuordnenden Krankheiten ist insofern etwas kompliziert, als einerseits die Infektion mit dem bovinen Leukämievirus (BLV, einem Delta-Retrovirus) nicht immer zu Leukose (im Sinne einer bösartigen Neoplasie des retikuloendothelialen Systems) führt, und andererseits nicht für alle bekannten Leukoseformen ein Zusammenhang mit dem BLV nachgewiesen ist.

Wenn unter "enzootische Leukose" (EBL) die (üblicherweise persistente) Infektion mit BLV verstanden wird, können darunter im wesentlichen drei Formen unterschieden werden:

Die übrigen Krankheitsbilder wären dann unter "sporadische Leukosen" einzuordnen:

Ihnen ist gemeinsam, dass die Ursache unbekannt ist, die betroffenen Tiere keine Antikörper gegen BLV aufweisen und die Übertragung auf andere Rinder nicht möglich ist.

Zur Infektion mit BLV:
Die Reaktion auf die Infektion ist genetisch bedingt. Die meisten Tiere reagieren nur mit Serokonversion, manche mit persistenter Lymphozytose, und einige mit der Bildung multipler Tumoren. Möglicherweise kann die genetische Disposition durch die Wirkung äußerer Umstände (im Sinne einer Immundepression) beeinflusst werden.
 

Epidemiologie:
Unter natürlichen Bedingungen werden praktisch nur Rinder (Bos taurus und Bos indicus), Wasserbüffel (Bubalus arnee) und Wasserschweine (Capybara, Hydrochoerus hydrochaeris) infiziert. Schafe und Ziegen können experimentell leicht infiziert werden. Bei Schafen gibt es aber auch eine eigene, sehr ähnliche Erkrankung, die durch ein verwandtes Retrovirus hervorgerufen wird.
Die Infektion kommt in vielen Ländern mit intensiver Rinderhaltung vor. Deutschland gilt als frei von EBL. Im ersten Halbjahr 2013 ist ein Fall angezeigt worden. In den USA sollen etwa 20 % der erwachsenen Rinder seropositiv sein.
In infizierten Herden kann die jährliche Mortalität 2 - 5 % betragen.
Die Übertragung geschieht vor allem horizontal mit infizierten Lymphozyten, wobei extrem kleine Blutmengen (0,1 ml, das sind weniger als 500.000 Lymphozyten) ausreichen können. Derartig kleine Blutmengen können beispielsweise bei der Reihentuberkulinisierung oder Impfungen übertragen werden. Inwieweit das Virus auch durch Reihenrektaluntersuchungen übertragen werden kann, ist noch nicht endgültig geklärt. Insekten (z.B. Tabaniden) kommen als Überträger in Frage.
Infizierte Kühe scheiden das Virus mit der Milch aus. Durch Pasteurisierung wird das Virus inaktiviert. Schimpansen konnten experimentell oral infiziert werden. Es wurden Hinweise auf die Anwesenheit von BLV in menschlichem Brustgewebe gefunden (Buehring et al., 2001). Die Wahrscheinlichkeit, dass Brustkrebs in entnommenem Gewebe festgestellt wurde, war 3mal so hoch, wenn gleichzeitig BLV nachgewiesen wurde, wie wenn das nicht der Fall war.
In Deutschland finden regelmäßig serologische Untersuchungen (der Milch) statt.
 

Pathogenese:
Das Virus infiziert Lymphozyten und ist dort vor der Wirkung von Antikörpern geschützt. Die persistente Lymphozytose, die bei manchen der infizierten Tiere auftritt, ist nicht als Vorstufe der tumorösen Form anzusehen.
 

Klinische Erscheinungen:
Da sich bösartige Tumoren in fast allen Organen bilden können, sind die dadurch bedingten klinischen Bilder sehr vielfältig. In einer umfangreichen Studie (1100 Fälle) ergaben sich folgende relative Häufigkeiten der einzelnen Symptome:
> 75 %: Körpermasseverlust, Sinken der Milchleistung
25 -75 %: Schwellung subkutaner und/oder innerer Lymphknoten, Herabsetzung der Fresslust, Nachhandparese
< 25 %: Fieber, respiratorische Symptomatik, beidseitiger oder einseitiger Exophthalmus, Durchfall oder Verstopfung, kardiovaskuläre Symptomatik
Bei Befall des Labmagens kann es zu abomaso-ruminalem Reflux kommen.

Infizierte Kühe haben im Durchschnitt kürzere Nutzungsdauer und niedrigere Lebensleistung als nicht infizierte.
 

§:
Enzootische Leukose der Rinder ist in Deutschland anzeigepflichtig! Betroffene Rinder werden getötet. Impfungen und Heilversuche sind verboten. Die Fälle werden dem Internationalen Tierseuchenamt (OIE) gemeldet.
 

PubMed
 

Sporadische Leukosen

Jungtierleukose
(Calf or Juvenile Lymphosarcoma)

Epidemiologie:
Inzidenz sehr gering. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar. In der Klinik ca. 2 - 3 Fälle unter ca. 2000 Patienten pro Jahr. Über angeborene Fälle wird berichtet; meist jedoch erkranken Rinder im Alter von 3 bis 6 Monaten.

Klinische Erscheinungen:
Betroffene Kälber verlieren bei zunächst erhaltenem Appetit an Körpermasse und werden bald schwächer. Mehrere oberflächliche Lymphknoten werden rasch größer. Sie sind derb, aber nicht druckempfindlich. Es kommen Formen mit B- und solche mit T-Lymphozyten vor. Im Blut ist die Konzentration der Lymphozyten drastisch erhöht.


Deutlich sichtbare Lymphknoten: Buglymphknoten, Ohrspeicheldrüsenlymphknoten, Kniefaltenlymphknoten

Prognose:
Hoffnungslos, Behandlung ist daher nicht indiziert.

PubMed
 
 

Thymusleukose
(Lymphosarcoma - thymic or adolescent form)

Epidemiologie:
Sehr selten. Betroffene Rinder sind meist 6 bis 24 Monate alt.

Klinische Erscheinungen:
Zunehmende Umfangsvermehrung ventral am Hals vor dem Brusteingang. Die Umgebung kann ödematös sein. Als Komplikation kann wegen der Beeinträchtigung der Eruktation Tympanie mit dorsaler Gasblase auftreten. Außerdem sind die Drosselvenen zunehmend gestaut.

Differentialdiagnosen:
Raumfordernde Prozesse anderer Art (Hämatom, Phlegmone, Abszess)

Prognose:
Hoffnungslos.

PubMed
 
 

Hautleukose
(Cutaneous lymphosarcoma)

Epidemiologie:
Selten. Kommt auch bei anderen Haustierarten vor. Betroffen sind meist jüngere erwachsene Rinder.

Klinische Erscheinungen:
Multiple, rundliche Veränderungen in der Unterhaut oder Haut ohne eindeutige Prädilektionsstellen. Die Haut ist an diesen Stellen normal (bei alleiniger Unterhautbeteiligung) oder verdickt und mit Krusten bedeckt.
Die tastbaren Lymphknoten sind vergrößert.
Die Untersuchung des Blutes ergibt Lymphozytose, Thrombozytopenie und Anämie.

Hautleukose

Bild: Rind mit deutlich ausgeprägter Hautleukose 

Hautleukose 

Bild: erhabene, Hautveränderungen, ca. 2 - 3 cm im Durchmesser  

Verlauf:
Die Veränderungen können spontan dauerhaft oder vorübergehend verschwinden. Rezidive enden meist tödlich.

Diagnostik:
Die klinischen Erscheinungen sind eindeutig oder gestatten zumindest einen begründeten Verdacht. Sicherung durch histologische Untersuchung eines Bioptates.

Sektionsbefund:
Schwellung vieler Lymphknoten, Lymphoidzellinfiltrate in mehreren Organen.

PubMed
 
Sporadische lymphatische Leukose erwachsener Rinder

Epidemiologie:
Selten.

Klinische Erscheinungen:
Hängen von (vorwiegend) befallenen Organen ab.

Verlauf:
Langsam progredient, nicht heilbar.

Diagnostik:
Wie bei enzootischer Leukose. Die serologische Untersuchung auf BLV-Antikörper verläuft jedoch negativ.

Sektionsbefund:
Schwellung vieler Lymphknoten, Lymphoidzellinfiltrate in mehreren Organen.

 

 

 

 

 

 

 


 

Internetseiten:
http://cvm.msu.edu/info/blv-in-the-usa

Literatur:
Buehring, GC, KY Choi, HM Jensen , Breast Cancer Res. 2001, 3 (suppl1): S1-S24)



Letzte Änderung: 04. 10. 2016


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