Das Wichtigste in Kürze
Oberbegriff für verschiedene Krankheitsbilder: einerseits die so genannte
enzootische Leukose (üblicherweise persistente Infektion mit
dem bovinen Leukose-Virus, einem Delta-Retrovirus , horizontale Übertragung
schon über extrem kleine Blutmengen durch die darin enthaltenen infizierten
Lymphozyten), andererseits die sog. sporadischen Leukosen (unbekannter
Ursache (Jungtierleukose - Thymusleukose - Hautleukose - Sporadische lymphatische Leukose erwachsener Rinder). Die Rolle von BLV bei Brustkrebs wird diskutiert. |
Allgemeines | |
Epidemiologie | Jungtierleukose |
Pathogenese | Thymusleukose |
Klinische Erscheinungen | Hautleukose |
gesetzliche Vorschriften |
Allgemeines:
Die Einteilung der hier einzuordnenden Krankheiten ist insofern etwas
kompliziert, als einerseits die Infektion mit dem bovinen Leukämievirus
(BLV, einem Delta-Retrovirus) nicht immer zu Leukose (im Sinne einer
bösartigen Neoplasie des retikuloendothelialen Systems) führt,
und andererseits nicht für alle bekannten Leukoseformen ein Zusammenhang
mit dem BLV nachgewiesen ist.
Wenn unter "enzootische Leukose" (EBL) die (üblicherweise persistente) Infektion mit BLV verstanden wird, können darunter im wesentlichen drei Formen unterschieden werden:
Ihnen ist gemeinsam, dass die Ursache unbekannt ist, die betroffenen Tiere keine Antikörper gegen BLV aufweisen und die Übertragung auf andere Rinder nicht möglich ist.
Zur Infektion mit BLV:
Die Reaktion auf die Infektion ist genetisch bedingt. Die meisten Tiere
reagieren nur mit Serokonversion, manche mit persistenter Lymphozytose,
und einige mit der Bildung multipler Tumoren. Möglicherweise kann
die genetische Disposition durch die Wirkung äußerer Umstände
(im Sinne einer Immundepression) beeinflusst werden.
Epidemiologie:
Unter natürlichen Bedingungen werden praktisch nur Rinder (Bos taurus und Bos indicus), Wasserbüffel (Bubalus arnee) und Wasserschweine (Capybara, Hydrochoerus hydrochaeris) infiziert.
Schafe und Ziegen können experimentell leicht infiziert werden. Bei
Schafen gibt es aber auch eine eigene, sehr ähnliche Erkrankung, die
durch ein verwandtes Retrovirus hervorgerufen wird.
Die Infektion kommt in vielen Ländern mit intensiver Rinderhaltung
vor. Deutschland gilt als frei von EBL. Im ersten Halbjahr 2013 ist ein Fall angezeigt worden. In den USA sollen etwa 20 % der erwachsenen
Rinder seropositiv sein.
In infizierten Herden kann die jährliche Mortalität 2 - 5
% betragen.
Die Übertragung geschieht vor allem horizontal mit infizierten
Lymphozyten, wobei extrem kleine Blutmengen (0,1 ml, das sind weniger als
500.000 Lymphozyten) ausreichen können. Derartig kleine Blutmengen
können beispielsweise bei der Reihentuberkulinisierung oder Impfungen
übertragen werden. Inwieweit das Virus auch durch Reihenrektaluntersuchungen
übertragen werden kann, ist noch nicht endgültig geklärt.
Insekten (z.B. Tabaniden) kommen als Überträger in Frage.
Infizierte Kühe scheiden das Virus mit der Milch aus. Durch Pasteurisierung wird
das Virus inaktiviert. Schimpansen
konnten experimentell oral infiziert werden. Es wurden Hinweise auf die Anwesenheit von BLV in menschlichem Brustgewebe gefunden (Buehring et al., 2001). Die Wahrscheinlichkeit, dass Brustkrebs in entnommenem Gewebe festgestellt wurde, war 3mal so hoch, wenn gleichzeitig BLV nachgewiesen wurde, wie wenn das nicht der Fall war.
In Deutschland finden regelmäßig serologische Untersuchungen (der
Milch) statt.
Pathogenese:
Das Virus infiziert Lymphozyten und ist dort vor der Wirkung von Antikörpern
geschützt. Die persistente Lymphozytose, die bei manchen der infizierten
Tiere auftritt, ist nicht als Vorstufe der tumorösen Form anzusehen.
Klinische Erscheinungen:
Da sich bösartige Tumoren in fast allen Organen bilden können,
sind die dadurch bedingten klinischen Bilder sehr vielfältig. In einer
umfangreichen Studie (1100 Fälle) ergaben sich folgende relative Häufigkeiten
der einzelnen Symptome:
> 75 %: Körpermasseverlust, Sinken der Milchleistung
25 -75 %: Schwellung subkutaner und/oder innerer Lymphknoten, Herabsetzung der
Fresslust, Nachhandparese
< 25 %: Fieber, respiratorische Symptomatik, beidseitiger oder einseitiger
Exophthalmus, Durchfall oder Verstopfung, kardiovaskuläre Symptomatik
Bei Befall des Labmagens kann
es zu abomaso-ruminalem Reflux kommen.
Infizierte Kühe haben im Durchschnitt kürzere Nutzungsdauer und niedrigere Lebensleistung als nicht infizierte.
§:
Enzootische Leukose der Rinder ist in Deutschland anzeigepflichtig! Betroffene Rinder werden getötet. Impfungen und Heilversuche sind verboten. Die Fälle werden dem Internationalen Tierseuchenamt (OIE) gemeldet.
Sporadische Leukosen
Jungtierleukose
(Calf or Juvenile Lymphosarcoma)
Epidemiologie:
Inzidenz sehr gering. Genaue Zahlen sind nicht verfügbar. In der
Klinik ca. 2 - 3 Fälle unter ca. 2000 Patienten pro Jahr. Über
angeborene Fälle wird berichtet; meist jedoch erkranken Rinder im
Alter von 3 bis 6 Monaten.
Klinische Erscheinungen:
Betroffene Kälber verlieren bei zunächst erhaltenem Appetit
an Körpermasse und werden bald schwächer. Mehrere oberflächliche
Lymphknoten werden rasch größer. Sie sind derb, aber nicht druckempfindlich. Es kommen Formen mit B- und solche mit T-Lymphozyten vor. Im Blut ist die Konzentration der Lymphozyten drastisch erhöht.
Deutlich sichtbare Lymphknoten: Buglymphknoten, Ohrspeicheldrüsenlymphknoten,
Kniefaltenlymphknoten
Prognose:
Hoffnungslos, Behandlung ist daher nicht indiziert.
Thymusleukose
(Lymphosarcoma - thymic or adolescent form)
Epidemiologie:
Sehr selten. Betroffene Rinder sind meist 6 bis 24 Monate alt.
Klinische Erscheinungen:
Zunehmende Umfangsvermehrung ventral am Hals vor dem Brusteingang.
Die Umgebung kann ödematös sein. Als Komplikation kann wegen
der Beeinträchtigung der Eruktation Tympanie mit dorsaler Gasblase
auftreten. Außerdem sind die Drosselvenen zunehmend gestaut.
Differentialdiagnosen:
Raumfordernde Prozesse anderer Art (Hämatom, Phlegmone, Abszess)
Prognose:
Hoffnungslos.
Hautleukose
(Cutaneous lymphosarcoma)
Epidemiologie:
Selten. Kommt auch bei anderen Haustierarten vor. Betroffen sind meist
jüngere erwachsene Rinder.
Klinische Erscheinungen:
Multiple, rundliche Veränderungen in der Unterhaut oder Haut ohne
eindeutige Prädilektionsstellen. Die Haut ist an diesen Stellen normal
(bei alleiniger Unterhautbeteiligung) oder verdickt und mit Krusten bedeckt.
Die tastbaren Lymphknoten sind vergrößert.
Die Untersuchung des Blutes ergibt Lymphozytose, Thrombozytopenie und
Anämie.
Bild: Rind mit deutlich ausgeprägter Hautleukose
Bild: erhabene, Hautveränderungen, ca. 2 - 3 cm im Durchmesser
Verlauf:
Die Veränderungen können spontan dauerhaft oder vorübergehend
verschwinden. Rezidive enden meist tödlich.
Diagnostik:
Die klinischen Erscheinungen sind eindeutig oder gestatten zumindest
einen begründeten Verdacht. Sicherung durch histologische Untersuchung
eines Bioptates.
Sektionsbefund:
Schwellung vieler Lymphknoten, Lymphoidzellinfiltrate in mehreren Organen.
PubMed
Sporadische lymphatische Leukose erwachsener Rinder
Epidemiologie:
Selten.
Klinische Erscheinungen:
Hängen von (vorwiegend) befallenen Organen ab.
Verlauf:
Langsam progredient, nicht heilbar.
Diagnostik:
Wie bei enzootischer Leukose. Die serologische Untersuchung auf BLV-Antikörper verläuft jedoch negativ.
Sektionsbefund:
Schwellung vieler Lymphknoten, Lymphoidzellinfiltrate in mehreren Organen.
Internetseiten:
http://cvm.msu.edu/info/blv-in-the-usa
Literatur:
Buehring, GC, KY Choi, HM Jensen , Breast Cancer Res. 2001, 3 (suppl1): S1-S24)