Clostridienbedingte Muskelentzündung (Rauschbrand, Pararauschbrand u.a.)

 
W. Klee  
 
 
Das Wichtigste in Kürze
Infektionen mit verschieden Clostridien-Spezies, die zu nekrotiserenden Muskelentzündungen mit Gasbildung führen. Perakuter Verlauf. Behandlung nur im Anfangsstadium sinnvoll: Penicillin. Prophylaxe: Polyvalente Clostridien-Vakzinen. Rauschbrand ist anzeigepflichtig.
 

 Da Rauschbrand und Pararauschbrand klinisch nicht sicher unterschieden werden können, werden sie hier gemeinsam beschrieben.
 
Ätiologie Diagnostik
Epidemiologie Therapie
Pathogenese Prognose
Klinische Erscheinungen Prophylaxe

 

Ätiologie:
Clostridium chauvoei (= C. feseri) ist der Erreger von Rauschbrand, C. septicum der Erreger von Pararauschbrand. Die beiden Keime sind eng verwandt mit über 99 % Übereinstimmung des Genoms. Daneben gibt es noch weitere Clostridien-Spezies, die ähnliche Erkrankungen verursachen können. Alle sind gram-positive, obligat anaerobe Sporenbildner.
Die Nomenklatur der von verschiedenen Clostridien-Spezies gebildeten Toxine ist kompliziert.

Epidemiologie:
Das Vorkommen von Rauschbrand ist auf bestimmte Gebiete beschränkt, die schon seit Jahrhunderten bekannt sind. Aufgrund der extrem langen Überlebenszeit der Sporen im Boden können in diesen Gegenden Krankheitsausbrüche immer wieder vorkommen. Befallen werden nur Wiederkäuer, bei Rindern vor allem solche im Alter von wenigen Monaten (nach Abklingen maternaler Immunität) bis zwei bis drei Jahren. Ältere Rinder haben sich anscheinend subklinisch infiziert und nachfolgend immunisiert.

Das Vorkommen von Pararauschbrand ist nicht an bestimmte Gebiete beschränkt: das Wirtsspektrum ist viel breiter als bei Rauschbrand und schließt auch den Menschen ein.

Beide Erkrankungen sind nicht ansteckend. Zeitliche Häufungen (Ausbrüche) sind daher auf gleichzeitige Exposition und Einwirkung prädisponierender Faktoren Injektionen, Traumen) gebunden.

Pathogenese:
Nach oraler Aufnahme von Sporen von C. chauvoei können diese (unter nicht eindeutig geklärten Umständen) über den Blutkreislauf in die Leber und in die Muskulatur gelangen, wo sie lange Zeit ruhen können (weil die Sauerstoffspannung zu hoch ist), ohne Schaden zu verursachen. Erst wenn lokal anaerobe Bedingungen entstehen (zum Beispiel durch ein Muskeltrauma), gehen sie in die vegetative Form über und verursachen nekrotisierende Muskelentzündung unter Bildung von Gas. Toxine und Neuraminidase spielen in der Pathogenese eine wichtige Rolle. Der Prozess ist selbstverstärkend, weil in den veränderten, von der Blutversorgung abgeschnittenen Muskelbezirken die Sauerstoffspannung ebenfalls drastisch sinkt. Die Sporen von C. septicum gelangen meist von außen über kleinere oder größere Wunden in den Körper. Vegetative Formen bilden sich ebenfalls nur in Bezirken mit sehr niedriger Sauerstoffspannung, wie sie auch nach intramuskulärer Injektion von lokal vasokonstriktorisch wirkenden Prostaglandinen entstehen können. Das weitere Krankheitsgeschehen gleicht dem bei Rauschbrand.

Klinische Erscheinungen:
Fieber, später Untertemperatur, rasch zunehmende Störung des Allgemeinbefindens, Schwellung von Muskelpartien, die zunächst warm sind, bald aber kühl werden und bei Betasten knistern. Die darunter liegende Muskulatur ist in fortgeschrittenen Fällen zerfallen und kann herausge“löffelt“ werden. Pararauschbrand kann auch in anderen Bereichen entstehen, zum Beispiel als „Geburtspararauschbrand“ im weichen Geburtsweg nach unsauberer Geburtshilfe. Der Tod tritt meist innerhalb von zwei Tagen ein, mitunter aber auch „plötzlich“ (d.h. im Intervall zwischen zwei Kontakten durch das Personal).

Diagnostik:
Die Schwellung der befallenen Muskelpartien ist leicht festzustellen, ebenso die beschriebene Charakteristik. Da zwar Pararauschbrand in Rauschbrandgebieten vorkommen kann, nicht aber Rauschbrand weit außerhalb dieser Gebiete, kann sich daraus ein gewisser Hinweis zur Differenzierung ergeben. In entsprechend eingerichteten Labors können C. chauvoei und C. septicum mithilfe von PCR differenziert werden.

Differentialdiagnosen:
Durch andere Clostridien-Spezies bedingte Muskelentzündungen, Milzbrand, andere Möglichkeiten für „plötzliche“ Todesfälle.

Therapie:
Nur in sehr frühen Stadien erfolgversprechend. Hohe Dosierung von Penicillin über mehrere Tage. Das Anbringen von mehreren Schnitten in die betroffenen Bezirke (zur Erhöhung der Sauerstoffzufuhr) wird verschiedentlich erwähnt; es ist mir jedoch keine kritische Bewertung der Erfolgsaussichten bekannt. NSAID.

Prognose:
Schlecht, wenn die Veränderungen eindeutig sind. Schlachtung kommt dann auch bei Pararauschbrand nicht in Frage.  

Prophylaxe:
In Rauschbrandgebieten sollten Wiederkäuer geimpft werden. Es sind polyvalente Clostridien-Vakzinen im Handel. Die Wirksamkeit wird unterschiedlich bewertet.

§
Rauschbrand und der Verdacht darauf sind anzeigepflichtig. Es besteht Schlacht- und Abhäutungsverbot. (Verordnung zum Schutz gegen den Milzbrand und den Rauschbrand MilzbRbV vom 23.05.1991)  

PubMed
 



Letzte Änderung: 09.10.2016


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