Photosensibilitätsreaktionen
"Sonnenbrand", Dermatitis solaris (Eng.: "photosensitization", "facial eczema" "geeldikkop", "yellowses" [kl. Wdk.] )
 

W. Klee, K. Voigt  
 
 
Das Wichtigste in Kürze

Von Bedeutung ist beim Wiederkäuer die mit UV-A Strahlen (und z.T. auch mit sichtbarem Licht) assoziierte Photodermatitis aufgrund einer Photosensibilität. Bei Vorliegen einer Photosensibilität treten Erkrankungen bereits nach normalerweise unschädlichen Strahlendosen auf. Abhängig von der Quelle der photodynamischen Substanz werden primäre Photosensibilität (Aufnahme einer präformierten photodynamischen Substanz), hepatogene Photosensibilität (Verminderung der Ausscheidung von photodynamisch wirksamem Phytoporphyrin aufgrund einer Leberschädigung), Porphyrie (genetisch bedingten Störung der Hämsynthese) und Photosensibilität unbekannter Genese unterschieden. Die klinischen Erscheinungen der Photosensibilitätsreaktion sind auf unpigmentierte Hautbezirke beschränkt. Neben den klassischen Entzündungssymptomen können Juckreiz und Nekrose bis Abstoßung der betroffenen Areale auftreten. Diagnose: klinisch und anhand von epidemiologischen Gesichtspunkten. Therapie symptomatisch: Antiphlogistika, Aufstallung.


 

Prüfungsstoff
 
 
Ätiologie und Pathogenese Prognose
Klinische Erscheinungen Therapie
Diagnostik

 

Ätiologie und Pathogenese:
"Normaler" Sonnenbrand wird vor allem durch UV-B-Strahlen (Wellenlänge 290 - 320 nm) verursacht und kommt bei Wiederkäuern bisher sehr selten vor. Seine Inzidenz könnte jedoch in Zukunft zunehmen: vermehrt UV-Licht, höhere Häufigkeit sehr gering pigmentierter Individuen in bestimmten Rassen. Von wesentlich größerer Bedeutung als echter Sonnenbrand ist jedoch die Photodermatitis auf der Basis einer Photosensibilität, die mit UV-A-Strahlen (Wellenlänge 320 - 400 nm), zum Teil auch mit sichtbarem Licht assoziiert ist. Sie beruht auf Steigerung der Empfindlichkeit der Haut gegenüber Licht. Hier treten also Erkrankungen nach normalerweise unschädlichen Strahlendosen auf.

Es wird Phototoxizität und Photoallergie unterschieden.
Phototoxizität bezeichnet ein akutes Phänomen, das prinzipiell bei allen (menschlichen oder sonst schwach behaarten oder unpigmentierten) Individuen hervorgerufen werden kann, wenn eine phototoxische Substanz im Körper vorhanden ist und Exposition gegenüber (sichtbarem oder) UV-Licht stattfindet. Photoirritation ist eine Sonderform der Phototoxizität, bei welcher die phototoxische Substanz lokal angewandt wurde.

Photosensibilisierung kann durch eine große Anzahl von Substanzen hervorgerufen werden, so zum Beispiel durch Sulfonamide und ihre Derivate (u.a. oral wirksame Antidiabetika), Tetrazykline, Phenothiazine und NSAIDs. Damit Phototoxizität auftritt, muss die Substanz akkumulieren, d.h., Absorption und Verteilung müssen rascher erfolgen als Elimination und / oder Metabolisierung.
Der molekulare Pathomechanismus ist noch nicht bis ins letzte Detail aufgeklärt. Freie Radikale und angeregter singlet-Sauerstoff spielen dabei eine Rolle. (Für die Bedeutung von Sauerstoffradikalen spricht die Tatsache, dass die phototoxische Wirkung vieler Substanzen durch Antioxidantien hemmbar ist.) Da diese Spezies nur sehr kurz "leben" (wenige Millisekunden), müssen ihre Reaktionspartner in unmittelbarer Nähe sein. Daher spielt die Verteilung der photodynamischen Substanzen vor der Einwirkung von Licht eine wichtige Rolle.

 
Photoallergie ist eine erworbene immunologische Reaktionslage. Die Hautreaktion tritt bei der ersten Behandlung mit der Substanz und Licht nicht auf, sondern erst nach ein bis zwei Wochen. Es kommt zur Bildung eines Konjugates von photosensibilisierender Substanz und Eiweißkörpern in der Haut.

In allen Fällen von Photosensibilisierung kommt es zu ausgeprägten entzündlichen Veränderungen der Haut.

Nach der Quelle der photodynamischen Substanz lassen sich vier Typen der Photosensibilisierung unterscheiden:

1. Primäre Photosensibilität (Typ I)
Eine präformierte photodynamische Substanz erreicht die Haut nach oraler Aufnahme, Injektion oder Kontakt in ausreichender Konzentration.
Die Aufnahme der photodynamischen Substanz erfolgt meist aus Pflanzen. In Deutschland sind vor allem von Bedeutung: Johanniskraut (Hypericum perforatum, engl.: St. John's wort) mit den aktiven Substanzen Hypericin und Pseudohypericin, Buchweizen (Fagopyrum esculentum; engl: Buckwheat) mit der aktiven Substanz Fagopyrin und angeblich auch Deutsches Weidelgras (Lolium perenne; engl.: perennial ryegrass) mit der aktiven Substanz Perlolin.
Zur Auslösung ist die Exposition gegenüber intensiver Sonnenbestrahlung nötig. Aufnahme einer einzigen ausreichend hohen Dosis kann ihre Wirkung bis vier Tage entfalten.

2. Photosensibilität auf der Basis abnormer Pigmentsynthese (Porphyrie) (Typ II)
Es handelt sich um eine sehr seltene, autosomal rezessiv vererbte Störung der Häm-Synthese. Dabei kommt es zu hämolytischer Anämie, Anhäufung von Uroporphyrin I und Coproporphyrin I in Blut und Gewebe, rotbrauner Verfärbung von Zähnen und Knochen und orangeroter Fluoreszenz von Zähnen und Urin unter der Woodschen Lampe. Betroffene Tiere bleiben in der Entwicklung zurück.

3. Hepatogene Photosensibilität (Typ III)
Aufgrund von Störungen der Leberfunktion wird Phytoporphyrin (frühere Namen: Phylloerythrin und Erythrophyllin), ein Abbauprodukt von Chlorophyll mit photodynamischer Wirkung, vermindert ausgeschieden und reichert sich deshalb im Blut an.
Hepatogene Photosensibilität kommt bei Wiederkäuern weltweit am häufigsten vor und hat vor allem bei Schafen auch ökonomische Bedeutung.

Es gibt  - vor allem in den Subtropen und Tropen -  eine Vielzahl von Pflanzen, die hepatotoxische Substanzen enthalten. Bei uns sind allenfalls von Bedeutung: Kohl und Raps, Senecio spp. (Kreuzkraut), in feuchten Klimaten auch Beinbrech (Narthecium ossifragum). Daneben gibt es Mykotoxine, z.B. Sporidesmin aus Pithomyces chartarum, T2-Toxin aus Fusarien und Aflatoxin aus Aspergillen.
Starker Leberegelbefall (in seltenen Fällen auch durch den kleinen Leberegel) kann zu Behinderung oder völliger Blockierung des Galleabflusses führen.

 

Klinische Erscheinungen:
Die klinischen Erscheinungen sind bei allen Formen gleich. Sie sind weitgehend auf unpigmentierte Hautbezirke beschränkt und bestehen in Rötung, Schwellung, Schmerz, Juckreiz , Exsudation und nachfolgende Kristenbildung, Nekrose, Abstoßung. In schweren Fällen können Ohrmuscheln, Schwanz oder Füße abfallen. Als weitere Symptome werden (nach Aufnahme von H. perforatum) beschrieben: Inappetenz, Durchfall, Unruhe, Juckreiz, Depression, Nachhandschwäche, Festliegen, Tachykardie, Polypnoe, Dyspnoe, Hyperthermie, Speicheln, Kopfschütteln, Photophobie, subkutanes Ödem im Kopfbereich. Werden hohe Dosen aufgenommen, entwickeln sich die Erscheinungen früher. Die betroffenen Tiere leiden erheblich.

Das folgende Bild zeigt ein Rind der Rasse 'Fleckvieh', bei dem in unpigmentierten Hautarealen 'Sonnenbrand' zu erkennen ist. 


  Sonnenbrand

Diagnostik:
Die Diagnose stützt sich auf die klinischen Erscheinungen (hier Art und Verteilungsmuster), und auf die Epidemiologie (zeitlicher Zusammenhang mit Weidegang oder Behandlung, Anteil der betroffenen Tiere). Phytoporphyrin-Blutspiegel über 100 µg/L (= 0,187 mol/L) sollen für hepatogene Ph. beweisend sein. Diese Untersuchung wird jedoch nicht routinemäßig durchgeführt. Als Ersatz kommen die üblichen Laborbestimmungen (Bilirubinkonzentration sowie Aktivität der Enzyme AST, GlDH, GGT in Serum oder Plasma) in Frage.

Prognose:
Die Prognose ist bei primärer Photosensibilität recht günstig, aber schlecht bei hepatogener Ph. und Porphyrie.
 

Therapie:
Betroffene Tiere sind sofort aufzustallen. Es ist nur symptomatische Behandlung möglich: systemisch Antiphlogistika, lokal (nach oberflächlicher Hautnekrose) abdeckende Salben.

In der Humanmedizin wird auch die antioxidative Therapie mit ß-Carotin angegeben. Da diese aber einige Zeit  ("Wochen") braucht, um zu wirken, ist diese Möglichkeit mehr theoretisch. Außerdem nehmen Rinder auf der Weide große Mengen an ß-Carotin auf.

Prophylaxe:
Schutz der Tiere vor der Aufnahme photodynamischer Substanzen. Ggf. Behandlung von Leberegelbefall.

Buchweizen  Johanniskraut
 

PubMed
 
  



Letzte Änderung: 21.07.2014


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