Das Wichtigste in Kürze
Simuliotoxikose wird verursacht durch das Speicheltoxin, welches die Weibchen verschiedener Kriebelmücken-Spezies beim Stich absondern. Bevorzugt werden jüngere Tiere und "dünnhäutige" Körperstellen. Klinisch zeigen sich Atemnot, Tachykardie, Myoglobinurie (fluchtbedingte Muskelgewebsschädigung), sowie flohstichartige, krustenbedeckte Blutpunkte oder intrakutane bzw. -muköse petechiale Blutungen. Lungenödem möglich, plötzliche Todesfälle können auftreten. Bei massivem Befall empfiehlt sich der sofortige Transport der Tiere in den Stall. Die Behandlung erfolgt durch parenterale Gaben von Kalziumboroglukonat und Antihistaminika, Blutübertragung kann indiziert sein. Vorbeugend in der Schwärmzeit der Mücken Beschränkung des Weidens auf nachts, kriebelmückenreiche Flussläufe meiden. |
Prüfungsstoff
Ätiologie | Klinische Erscheinungen |
Epidemiologie und Bedeutung | Therapie |
Pathogenese | Prophylaxe |
Ätiologie:
Krankmachend ist das Speicheltoxin, welches von den Weibchen verschiedener
Spezies von Kriebelmücken beim Stechen abgesondert wird. Gefährlich,
auch für Menschen, ist massenhaftes Auftreten. Dann werden vor allem
die jungen (= dünnhäutigeren und zudem noch nicht immunisierten!)
Rinder angefallen und an hierfür besonders "geeigneten" Körperstellen
gestochen: Flotzmaul und Umgebung, Augenlider, Ohren, Achsel und Schenkelinnenseite,
Euterspiegel, Unterbrust, Unterbauch, Zitzen, Vulva, Skrotum. Die Simulien
dringen dabei auch bis in Nase, Maul, Kehlkopf und Luftröhre ein.
Bei Menschen ist die Stichhäufigkeit bei vergleichbarer Exposition
anscheinend der Intensität der Kohlendioxid-Ausatmung proportional.
Epidemiologie:
Die Eier werden in fließende Gewässer abgelegt. Die Entwicklung
geht bei Luft- und Wassertemperaturen um 22 °C am raschesten vor sich.
Nach dem Schlüpfen aus dem Kokon und der Begattung überfallen
die jungen Weibchen in Schwärmen in der Nähe vorhandende Tiere
(oder auch Menschen). Sie stechen nicht Blutgefäße an, wie viele
andere blutsaugenden Parasiten, sondern lädieren das Gewebe, bis sich
ein kleiner Blutsee bildet, den sie aussaugen.
Sie übertragen Onchozerken-Arten (Nematoden), die bei Rindern
anscheinend harmlose Bewohner des Bindegewebes sind, bei Menschen (in Afrika)
aber die so genannte Flussblindheit hervorrufen (Onchocerca gutturosa).
Pathogenese:
Das Toxin verursacht Erythropenie, Leukopenie (bei relativer Lymphozytose)
sowie ausgeprägte entzündliche Ödeme an den zuvor genannten
Stellen, aber auch Lungenödem. Der Speichel enthält außerdem
verschiedene blutgerinnungshemmende Substanzen. So wird der Faktor Xa (Stuart-Prower-Faktor)
regelmäßig gehemmt.
Klinische Erscheinungen:
Atemnot, Tachykardie (Gefahr des Erstickens oder des Kreislaufversagens;
außerdem auch dunkler Harn als Folge der fluchtbedingten Muskelgewebsschädigung
mit Myoglobinurie. Massenhaft flohstichartige, krustenbedeckte Blutpunkte
oder blaurote Fleckchen (Petechien) intrakutan/-mukös; bis zu 25 Stiche
pro Quadratzentimeter Haut bzw. bis zu 25.000 Stiche pro Tier (tödlich).
Zerlegungsbefund: Außer den Ödemen auch multiple subkutane,
submuköse und subseröse Blutungen.
Kriebelmückenbefall ist bei "plötzlich" tot auf der Weide aufgefundenen
Rindern differentialdiagnostisch in Betracht zu ziehen.
Auch Todesfälle bei Menschen können vorkommen.
Therapie:
Sofortiges Aufstallen der ratsamerweise zum Gehöft hin zu transportierenden
(statt zu treibenden) Tiere; im Stall lassen die Simulien gleich von ihren
Opfern ab. Parenterale Gaben von Kalziumboroglukonat und Antihistaminika
(zur Zeit jedoch keines zur Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren
zugelassen). Blutübertragung erscheint indiziert.
Prophylaxe:
Da die Simulien nur tags schwärmen und nicht in den (schattigen)
Stall eindringen, ist das Weiden in der Nähe von bekanntlich kriebelmückenreichen
Flussläufen (im April/Mai) bei entsprechender Witterung (sonnig-schwül,
fallender Wasserspiegel) entweder auf die Zeit von Sonnenuntergang bis
Sonnenaufgang zu beschränken oder vorübergehend ganz einzustellen.
Waren die Tiere zuvor schwach befallen, so führt das schon zur Immunisierung
gegen das Toxin.
In manchen Gegenden, z.B. Südafrika, wird Bacillus thuringiensis var. israelensis zur Bekämpfung der Larven eingesetzt.