Das Wichtigste in Kürze
Räude wird durch Milben, also Spinnentiere hervorgerufen. Die für das Rind bedeutenden Erreger (Chorioptes bovis [Nagemilben], Psoroptes ovis [Saugmilben], Sarcoptes bovis [Grabmilben], Demodex bovis [Haarbalgmilben]) sind obligate Parasiten. Wirtschaftliche Verluste entstehen vor allem durch Häuteschäden und Leistungsminderung. Klinisch zeigen sich unterschiedlich stark ausgepägte Hautveränderungen (Hyper- und Parakeratose, Haarausfall, Exsudation, Krustenbildung) und Juckreiz. Die einzelnen Räudeformen unterscheiden sich meist in ihrer Lokalisation (Chorioptes- = Steiß-, Schwanz- und Fußräude / Psoroptes- = Körperräude / Sarkoptes- = Kopfräude), sind aber nicht immer eindeutig abgrenzbar. Die Diagnose erfolgt über ein Hautgeschabsel. Makrozyklische Laktone (Avermectine, Milbemycine) sind zur lokalen und systemischen Therapie zugelassen. |
Prüfungsstoff
Ätiologie | Diagnostik |
Epidemiologie und Bedeutung | Bekämpfung |
Klinische Erscheinungen |
Ätiologie:
Räude wird durch Milben, also Spinnentiere hervorgerufen. Bis
auf eine Art der Räude (Trombidiose, welche kaum Bedeutung hat und
auch nicht besprochen wird) sind die Erreger obligate Parasiten, sind also
während ihres gesamten Lebens auf ein Wirtstier angewiesen. Einzelne
Milben sind 0,2 bis 0,6 mm groß; für das bloße (oder ggf.
bebrillte) Auge in der Bewegung gerade eben sichtbar.
Epidemiologie und Bedeutung:
Beim Rind sind von mehr oder weniger großer Bedeutung: Chorioptes-Räude,
Psoroptes-Räude, Sarkoptes-Räude und Demodex-Räude oder
Demodikose.
Wirtschaftliche Verluste entstehen durch Häuteschäden, Leistungsminderung
und vereinzelte Todesfälle. Von klinischer Bedeutung ist, dass
die Imagines abseits des Wirtstieres je nach Art 2 bis 12 Wochen lang überleben
können.
Sarcoptes-Räude
Psoroptes-Räude
Sarcoptes sp.
Chorioptes sp.
Außer bei Demodikose kommt es zu deutlichen Hautveränderungen:
die Haut wird rauh, derb und dick (Hyper- und Parakeratose), Haarausfall,
Exsudation, Krusten und Borkenbildung und vor allem Juckreiz treten auf.
Der Juckreiz, oder vielmehr die Reaktionen darauf, können wiederum
zu Komplikationen führen (Verletzungen, Hämatome).
Diagnostik:
Hinsichtlich der häufigsten Lokalisation der Veränderungen
bestehen zwar Unterschiede zwischen den einzelnen Räudeformen. Diese
sind aber nicht so gesetzmäßig, daß auf einen Erregernachweis
ganz verzichtet werden kann. Hierzu wird ein Hautgeschabsel vom Rand der
Veränderungen ("bis auf das Blut") genommen, in 10 %ige KOH-Lösung
verbracht, kurz aufgekocht und zentrifugiert. Das Sediment wird unter dem
Mikroskop betrachtet.
Zu den einzelnen Räudeformen:
Am häufigsten kommt die Chorioptes-Räude (Ch. bovis) vor. Aufgrund ihrer üblichen Lokalisationen wird sie auch Steiß-, Schwanz- oder Fußräude genannt. Daneben kommt sie auch am Euterspiegel vor. Die Veränderungen erreichen im Winter ihre größte Ausdehnung und gehen im Sommer, insbesondere bei Weidegang, stark zurück. Die Milben leben auf der Haut und ernähren sich von Hautabschilferungen ("Nagemilben"). Die Behandlung dieser Räudeform wird relativ selten verlangt, weil die für den Besitzer erkennbare Beeinträchtigung der Tiere gering ist. Wenn eine Behandlung vorgesehen ist, sollte ab einer Befallsextension (Prävalenz) über 12 % die ganze Herde behandelt werden. Getrennt vom Wirt bis 10 Wochen überlebensfähig.
Die Psoroptes-Räude (P. ovis) wird auch Körperräude genannt. Die Milben leben auf der Haut, stechen sie an und saugen ("Saugmilben"). Es kommt zur allergischen Dermatitis. Psoroptes-Räude zeigt manchmal starke Tendenz zur Generalisierung. Dann kann es zu Todesfällen kommen. Getrennt vom Wirt lange (7 - 12 Wochen) überlebensfähig. Die Befallsextensität scheint in den letzten Jahren erheblich zurückgegangen zu sein, was möglicherweise auf den weit verbreiteten Einsatz von Avermectin-Präparaten in den Bullenmastbetrieben zurückzuführen ist.
Die Sarkoptes-Räude (S. bovis = S. scabiei ?) heißt auch Kopfräude. Die Milben graben Gänge in die Haut ("Grabmilben"), zur Paarung kommen sie regelmäßig auf die Haut. Beim Krankheitsgeschehen spielt auch hier eine Hypersensibilitätsreaktion eine gewisse Rolle. Inwieweit die Milben wirtsspezifisch sind, oder auch - zumindest vorübergehend - auf andere Wirtsspezies übergehen können, wird in der Literatur nicht einheitlich dargestellt. Manche Autoren gehen davon aus, daß Sarkoptes-Milben vom Rind auch den Menschen befallen können, oder daß es sich vielmehr um eine Species (S. scabiei) handelt, die jedoch eine gewisse Wirtspezifität entwickelt hat und in "fremden" Wirten jeweils "atypische" und selbstlimitierende Dermatitiden hervorruft. Füchse können an besonders starkem Befall sterben. Getrennt vom Wirt sind die Milben nicht über 3 Wochen lebensfähig.
Demodex-Milben (D. bovis) werden von manchen
als normale Bewohner der Rinderhaut angesehen (Befallsextensität in
D angeblich bis über 50 %). Sie leben in den Haarbälgen und führen
meist zu keinen oder nur geringfügigen Reaktionen (kleine Knötchen
im Bereich von Hals und Thorax), die aber den Wert der Haut für die
Lederindustrie erheblich mindern. Zur Übertragung ist recht intensiver
Kontakt nötig. Es wird angenommen, dass es am ehesten während
des Saugaktes dazu kommt, die Milben also von der Mutter auf das Kalb weitergegeben
werden. Über die Biologie dieser Parasiten ist noch recht wenig bekannt.
Wie beim Hund kann es in Einzelfällen auch beim Rind zu generalisierten
Formen kommen, die ebenfalls prognostisch ungünstig zu beurteilen
sind.
Auch beim Menschen kommen zwei Demodex-Spezies vor, vor allem in den Haarbälgen der Wimpern.
Bekämpfung:
Ivermectin (und andere Avermectine) ist in einer Dosierung von 0,2
mg pro kg gegen Psoroptes- und Sarkoptes-Räude wirksam. Allerdings wird neuerdings berichtet, dass es Unterschiede in der Wirksamkeit verschiedener Ivermectin-Präparate gegen Psoroptes-Räude gibt. Ivermectin darf
nicht bei laktierenden Kühen eingesetzt werden. Außerdem ist
zu beachten, dass die Milben auf den so behandelten Tieren noch mindestens
14 Tage invasionstüchtig bleiben. 20 Tage nach einer Injektion werden
keine Milben und keine Eier mehr gefunden.
Gegen Sarkoptes- und Chorioptes-Räude bei laktierenden Kühen
kann Eprinomectin (EPRINEX-Merial) in einer "Pour-On"-Formulierung ohne
Wartezeit für Milch (30 Tage WZ für essbares Gewebe) eingesetzt
werden. In Untersuchungen erwiesen sich behandelte Rinder über acht
Wochen als milbenfrei.
Anmerkung:
Chorioptes überlebt in der Umgebung maximal 10 Wochen; dieses
Intervall ist durch Eprinomectin nahezu überbrückbar. Somit erscheint eine Tilgung der Chorioptes-Räude möglich.
Moxidectin ist ebenfalls gegen Sarcoptes-, Psoroptes und
Chorioptes-Räude wirksam. Die erhältliche "Pour-On"-Formulierung
ist für Kühe zugelassen. Die Wartezeit für Milch beträgt 0 Tage.
Makrozyklische Laktone (Avermectine und Milbemycine) nicht auf veränderte
Hautpartien aufbringen.